Soundcloud verärgert mit Sperrungen und Kurswechsel seine Nutzer

Foto: Thomas Bonte, CC BY
Wie vor ein paar Tagen Websites wie Torrentfreak meldeten, hat die Online-Musik-Plattform Soundcloud nicht nur einzelne, von einem Nutzer hochgeladenen Dateien gesperrt – sondern gleich dessen ganzes Nutzerkonto; er wurde praktisch ausgesperrt. Als sich der betroffene britische DJ Mr. Brainz bei Soundcloud nach den Gründen erkundigte, erhielt er eine verblüffende Antwort:
Ihre Uploads wurden direkt von Universal Music entfernt. Das heißt, SoundCloud hat keinen Einfluss darüber und sie teilen uns auch nicht mit, welcher Part Ihres Uploads rechtsverletzend war. … Die Kontrolle über entfernten Content liegt komplett bei Universal, daher kann ich Ihnen nichts dazu sagen, warum Ihre Uploads beanstandet wurden und andere nicht. Diese Frage sollten Sie Universal stellen.
Offenbar stellte Universal unautorisierte Verwendungen von Musik aus seinem Repertoire fest, und zwar wiederholt, was laut Soundcloud-Nutzungsbedingungen die Kontosperre rechtfertigt. Doch unkontrollierbare Zugriffe eines einzelnen, wenn auch sehr großen und global agierenden Content-Lieferanten sind dennoch ungewöhnlich.
Soundcloud allmählich unheimlich
Für den Berliner DJ Tanith sind die von Universal verfügten „Takedowns“ bei Soundcloud ein weiteres Zeichen, dass Soundcloud allmählich unheimlich werde. Zumindest lässt das Unternehmen mangels konkreter Erklärungen unklar, wie weit die an Universal erteilte Sperrbefugnis reicht und ob sie auch von weiteren Rechteinhabern nutzbar ist. Von entsprechenden Verträgen mit Musik-Majors ist bislang nichts bekannt.
Allerdings will das Medienunternehmen Bloomberg von gut informierten Quellen erfahren haben, dass Soundcloud in Kürze große Beteiligungs-Verträge mit Universal, Sony und Warner abschließen werde. Verhandelt würden Anteile an Soundcloud in Höhe von drei bis fünf Prozent sowie prozentuale Beteiligungen an zukünftigen Umsatzerlösen. Nicht auszuschließen ist aber auch, dass Soundcloud von Google übernommen werden könnte, wie die Berliner Morgenpost gestern in einem Bericht über die primären europäischen Investitionsziele von „Google Ventures“ mutmaßte.
Die jüngeren Sperren auf Soundcloud fügen sich in eine Reihe von Veränderungen bei der Musik-Plattform, die mittlerweile rund 250 Millionen Hörer zählt sowie weit rund 40 Millionen registrierte Nutzer, welche auch eigene Musik, Remixe oder Musikzusammenstellungen hochladen und zum Teil Account-Gebühren bezahlen.
Unmut über die neue App
Größeren Unmut rief die kürzlich veröffentlichte neue Version der mobilen Soundcloud-App hervor, weil die Aufnahme-und-Hochladen-Funktion wegfiel. Dieser Kritik begegnete Soundcloud mit einer von der Partner-Firma Retronyms entwickelten App namens Audiocopy. Weit mehr Unverständnis äußerten viele zahlende Pro-User mit Kommentaren unter einem Blog-Post darüber, dass sich die Kommunikations-, Nutzungs- und Resonanzanalyse-Features von Soundcloud drastisch verschlechtert hätten. Dies nicht nur bei der App, sondern auch auf der Soundcloud-Website.
Die Pro-Anwender vermuten, dass Soundcloud immer weniger Wert auf die Community der Amateurmusiker, DJs und Newcomer lege, obwohl diese mit originären Inhalten und regem Austausch nicht nur die Identität von Soundcloud prägten, sondern auch für das Wachstum von Soundcloud gesorgt hätten. Stattdessen wolle das Management die Online-Musikplattform zu einer Vermarktungs- und Vertriebsplattform für die großen, globalen Musikunternehmen umbauen, auf der die Kleinen und Selbstvermarkter geringere Chancen hätten als bisher.
Wenn es so käme, so prophezeien manche, würden viele der Content liefernden Anwender zur Konkurrenz abwandern, etwa zu Beatport, Mixcloud oder anderen Plattformen. Daher mahnen sie die Soundcloud-Verantwortlichen, der Plattform ihren Community-Charakter zurück zu geben, ohne die Passivhörer zu vernachlässigen.
Monetarisierung per Data Mining
Ob das Berliner Unternehmen allerdings wieder zurückschwenkt, erscheint angesichts der jüngsten Management-Schritte unwahrscheinlich. Der Blog „Do Androids Dance?“ beschäftigte sich schon im Februar des Jahres mit den Investoren, die Soundcloud mit insgesamt 700 Millionen Dollar Kapital ausstatteten. In deren Portfolio befinden sich demzufolge eine Reihe von Unternehmen, die Musik-, Games- und Social-Media-Plattformen betreiben, wie Twitter und Tumblr, Pandora und Zynga, Songkick und Last FM. In ihrer Analayse kommen die Blogger zu dem Schluss, dass hinter den Investitionen eine Monetarisierungsstrategie für Soundcloud erkennbar sei: Data Mining.
Die Vernetzung mit anderen Netzwerken läuft ihrer Ansicht nach auf die Monetarisierung von Nutzer- und Nutzungsdaten hinaus. Dafür würden auch die kürzlich veränderten Bestimmungen zum Einsatz von Cookies sprechen. Kurz gesagt wolle Soundcloud per Cookies gesammelte Nutzungsdaten an Plattformen wie Facebook oder Google Plus weiterreichen können. Diese Datensammlung könnten die Nutzer zwar untersagen, aber nur per schriftlich verfasstem Opt-out-Begehren.
Auch eine weitere Perspektive ist für Soundcloud denkbar: Die Plattform könnte zukünftig die Musiker und Content-Lieferanten vergüten, so Mitgründer und Technikchef Eric Wahlforss gegenüber dem Guardian. Allerdings nannte er dazu keine Einzelheiten oder Zahlen.
Ziel: Das Youtube für Online-Audio
In der Summe entsteht ein Bild, das den Wachstumswillen der Plattform zeigt. Soundcloud hat sich im Gegensatz zu anderen Plattformen wie Youtube bereits mit der GEMA geeinigt, verhandelt offenbar mit allen Majors, verfügt mit 250 Millionen Hörern über eine ebenso große wie breite Nutzerbasis, und genießt in der Musik-Community einen guten Ruf, bisher jedenfalls. Schon im Januar ließen Somesh Dash und Dennis Phelps, Manager der Investment-Firma IVP, die Soundcloud mitfinanziert, das Wall Street Journal wissen: „Wir sind der festen Überzeugung, dass Soundcloud genau die dominierende Plattform für Online-Audio wird, die Youtube für Online-Video geworden ist.“
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