Open Data und Open Government: Show- statt Transparenzeffekt
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Langsam. So geht es mit dem Thema Open Government Data, kurz Open Data in Deutschland voran. Ungefähr in der Größenordnung langsam, wie die Entwicklung im Netz schnell ist. Dass hier eine Chance nach der anderen verpasst wird – sei es in demokratischer Hinsicht oder auch wirtschaftlicher – das scheint bei den ganzen Sonntagsreden zu Transparenz und Bürgerbeteiligung geflissentlich ignoriert zu werden.
So blickt weiterhin mancher Aktivist mit Neid in Richtung der angelsächsischen Länder, in denen das Thema auch in der politischen Agenda hochrangig angesiedelt ist. Zudem rührt in Großbritannien Tim Berners-Lee, einer der Väter des World Wide Web, die Trommel für Open Data. So mischt er auch bei dem dieses Jahr in London gegründete Open Data Institut mit. Es wird aus britischen Steuergeldern finanziert wird und soll den Sektor erforschen und voranbringen.
Kein Enthusiasmus für Open Data von der Politik
Hierzulande können zwar einige Politiker mittlerweile mit den Begriffen Open Data und Open Government etwas anfangen, aber leider ist für das Thema das Bundesinnenministerium unter Hans-Peter Friedrich (CSU) zuständig. Von ihm Enthusiasmus zu erwarten, wenn es nicht um das Abschieben von Asylbewebern oder die vermeintliche Bedrohung durch Islamisten geht, übersteigt wohl seine Kapazität.
So findet man zwar das Konterfei des Innenministers ganz vorne in der dicken Studie zu Open Government Data, die im Sommer 2012 erschien. Sein Vorwort enthält das übliche Gerede über das wirtschaftliche Potenzial von Open Data und ein paar Leerformeln über die Chancen von Transparenz für die politische Teilhabe. Inwieweit das Innenministerium hinter Open Government steht, bleibt unbekannt. Von einer Fortsetzung des „Apps4Deuschland“-Wettbewerb etwa ist nichts zu hören. Im Frühjahr hatte Friedrich auf der Computermesse Cebit Preise an Projekte verliehen, die seitdem in der Versenkung verschwunden sind.
Projekte verschwinden in der Versenkung
Dennoch ist diese 500-Seiten-Studie für hiesige Verhältnisse ein Meilenstein. Denn sie beschreibt die Probleme, die durch die föderale Struktur von Kommunen, Ländern und Bund in Datenfragen aufkommen; sie stellt diverse Lizenzmodelle für Daten vor; schaut auf Best Practices in anderen Ländern und bietet so eine Blaupause für Politiker, Behörden und Verwaltungen, wie das Thema offenes Regierung- und Verwaltungshandeln umgesetzt werden kann.
Im Herbst hatte sich dann der IT-Planungsrat sich einem Eckpunktepapier „Offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln (Open Government)“ gewidmet. Es soll als Richtschnur für die „E-Government-Strategie“ in Deutschland dienen; ein klares Bekenntnis zu wirklichen offenen Lizenzen fehlt darin genauso wie eine Veröffentlichungspflicht für behördliche Informationen und Daten. Erster wichtiger Schritt der Strategie soll das Open Data Portal des Bundes werden, das Anfang 2013 starten soll.
Digitale Infrastruktur für Behörden oder Mehr Partizipation für den Bürger
Ironie der Geschichte oder eher typisch: Die Anregungen aus einem Konsultationsprozess – mit etwa 140 Teilnehmenden – der einen Teil der Entstehungsphase des Eckepunktepapiers begleitete, fanden de facto keine Berücksichtigung durch die zuständige Arbeitsgruppe des IT-Planungsrat. Dazu passt der Kommentar der Journalistin Christiane Schulzki-Haddouti zum Thema Open Government in Deutschland: „,Digitale Infrastruktur für Behörden‘ ist dabei der aktuelle Claim, nicht ,Mehr Partizipation‘ für den Bürger.“
Tatsächlich tummeln sich immer mehr Firmen und Forschungseinrichtungen in dem Sektor. Fraunhofer Fokus etwa steckt hinter der oben genannte Studie; die Firma hat schon das Datenportal für Berlin umgesetzt und entwickelt auch das Portal des Bundes. Anfang Dezember richtete das Institut dann auch den ersten „Open Data Dialog“ aus, der auch eher business-orientiert war.
Überhaupt ist ein Umschwung festzustellen; die Szene der Aktivisten, die das Thema in Deutschland 2009 auf die Agenda gehoben haben, hat sich verändert. Einige sind verloren gegangen; andere haben sich professionalisiert. Aber die Szene ist nach wie vor überschaubar. Das Open Data Network existiert de facto nicht mehr; nicht zuletzt wegen vereinsrechtlicher Probleme. Das einstmals recht aktive „Government 2.0“-Netzwerk tritt ebenfalls kaum noch in Erscheinung. Einzig der deutsche Zweig der Open Knowledge Foundation prosperiert, widmet sich aber als Bestandteil eines internationalen Netzwerks auch der europäischen Ebene und darüber hinaus.
Selbstverständlich hat auch die Piratenpartei ihre Finger im Thema Transparenz. Nicht zuletzt half sie mit, das politische Klima zu schaffen, das es einigen NGOs ermöglichte, in Hamburg ein bislang auf Landesebene einmaliges Gesetz durchzusetzen. Das Transparenzgesetz wurde im Juni von der Bürgerschaft der Hansestadt beschlossen (die damit einem Bürgerbegehren zuvor kam).
Neben der Einrichtung eines Informationsregisters schreibt es eine weitgehende Veröffentlichungspflicht vor und grenzt Ausnahmen davon stark ein; einzig in Bremen gibt es ein vergleichbare Regelung. In anderen Bundesländern dagegen, auch dort, wo Grüne und SPD regieren, die in Wahlprogrammen vollmundige Ankündigungen zum Thema Open Government machten, ist wenig passiert.
Ein paar Vorzeigeprojekte, aber keine Kontinuität
Schaut man auf Open Data im Jahr 2012 in Deutschland, bleiben gemischte Gefühle zurück: Perlen wie das bereits 2011 gestartete Portal FragDenStaat.de haben sich etabliert. Es unterstützt Bürger dabei, Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Ein anderes Vorzeigeprojekt ist der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der zwar zögernd, aber recht konsequent daran arbeitet, seine Fahrplandaten offenzulegen und deswegen auch Ende November unter dem Namen „Apps & The City“ eine Art Hackday unterstützte.
Man muss auch feststellen: Das Privatunternehmen Deutsche Bahn im hundertprozentigen Staatsbesitz schenkt zwar seine Fahrplandaten Google, will aber von Open Data nichts wissen. Das Bundesfinanzministerium unterstützt bestehende Projekte wie den Offenen Haushalt lieber nicht, sondern lässt sich eine weniger offene Variante einer Haushaltsvisualisierung fabrizieren. Eine Strategie, auf die Regierende bei Open Data und Open Government immer wieder zurückgreifen: Show- statt Transparenzeffekt.
Lorenz Matzat ist Journalist und Unternehmer in Berlin. Er schreibt das Blog datenjournalist.de, engagiert sich im Digitale Gesellschaft e.V. für Open Data, betreibt mit zwei Partnern die Datenjournalismusagentur OpenDataCity und ist Gründer von Lokaler, einem Anbieter von Geoinformationssystemen.
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