OER und das ND-Modul „Keine Bearbeitung“
Eine der Lizenzkategorien bei Creative Commons sind Lizenzen mit ND-Modul. Hiernach darf das lizenzierte Material nur in unveränderter Form verwendet und vor allem geteilt werden. Für OER sind CC-Lizenzen mit ND-Modul ungeeignet. Warum das so ist und wie sich übliche Bedenken gegenüber ND entkräften lassen, erklärt der folgende Text.
Was sind Lizenzbeschränkungen?
ND heißt „no derivatives“ oder auf Deutsch „Keine Bearbeitung“. Wie auch das NC-Modul ist ND eine Lizenzbeschränkung, ein rechtlicher Vorbehalt: Der Rechteinhaber behält sich durch das Modul vor, bestimmte Nutzungen individuell zu erlauben (oder zu verbieten) und nimmt sie deshalb von der automatischen Lizenzierung aus. ND heißt also nicht, dass das Material in keinem Fall auch in veränderter Form eingesetzt und geteilt werden darf. Es bedeutet lediglich, dass der Lizenzgeber hierzu individuell um Erlaubnis gefragt werden muss und im Einzelfall entscheiden kann.
Was heißt „keine Bearbeitung“?
Bearbeitungen werden bei CC auch „abgewandeltes Material“ genannt (siehe Ziff. 1.a des Lizenztextes). Hiermit gemeint sind abgeleitete oder geänderte Fassungen des lizenzierten Inhalts wie Übersetzungen, Kürzungen oder Kombinationen mit anderen Werken. Näheres siehe in unserem Text über Bearbeitungen sowie den FAQ von Creative Commons Deutschland.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es ND-Lizenzen untersagen, Bearbeitungen des lizenzierten Inhalts herzustellen. Richtig ist, dass man zwar geänderte Fassungen herstellen, sie aber nicht veröffentlichen oder außerhalb der persönlichen Sphäre an Dritte weitergeben darf.
Sind ND-Lizenzen für OER sinnvoll?
Die Antwort lautet: Grundsätzlich nein! ND-Lizenzen führen zu Unsicherheiten und Komplexitäten bei der Nachnutzung. Sie schließen Nutzungen von der automatischen Rechteeinräumung aus, die gerade für offene Lehr- und Lernmaterialien sehr wichtig sind. Daher sind unter ND-lizenzierte Materialien nach den gängigen Definitionen auch keine OER.
Das unterstreicht auch die wohl wichtigste OER-Definition der UNESCO:
„Open Educational Resources (OER) sind Lern-, Lehr- und Forschungsmaterialien, in jedem Format und Medium, die gemeinfrei sind oder urheberrechtlich geschützt und unter einer offenen Lizenz veröffentlicht sind, wodurch kostenloser Zugang, Weiterverwendung, Nutzung zu beliebigen Zwecken, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere erlaubt wird.“
Diese Nachteile überwiegen etwaige Vorteile in aller Regel erheblich. Zudem basieren Vorstellungen über die Vorteile von ND-Lizenzen häufig auf Missverständnissen, wie wir in folgender Tabelle darstellen.
Argumente für und gegen ND-Lizenzen
Argumente für ND | Gegenargumente |
Mein Werk bleibt authentisch. | Bildungsmaterial dient der Vermittlung von Wissen. Um diesen Zweck zu erreichen, muss es in aller Regel inhaltlich oder didaktisch an den jeweiligen Kontext angepasst werden. ND behindert dies. |
Ich behalte die Kontrolle darüber, ob und welche geänderten Fassungen, Updates etc. in Umlauf gelangen.
Wenn ich vor Veröffentlichung von Weiterentwicklungen meines Materials gefragt werden muss, kann ich Einfluss auf deren Qualität nehmen.
|
1. Kontrollrechte zu haben heißt nicht, dass man die Nutzung auch faktisch kontrollieren kann. Inhalte online verfügbar zu machen, führt stets zu einem erheblichen Kontrollverlust. Rechtevorbehalte wie ND können diesen nicht kompensieren.
2. Wer geänderte Fassungen verwenden will, muss sich hierfür individuell eine Genehmigung einholen. Das ist aufwändig und konterkariert einen der wesentlichen Vorteile offener Lizenzen. 3. Aus der internationalen Perspektive liegt das Potenzial von OER gerade darin, dass Übersetzungen und didaktische Anpassungen des Materials möglich sind. Somit trägt das Konzept dazu bei, dass eine Allmende, ein Pool von frei verfügbaren Lernressourcen entstehen kann, den auch Menschen in weniger privilegierten Regionen der Welt nutzen können. Die Pflicht, für den Einsatz von Bearbeitungen eine individuelle Erlaubnis einholen zu müssen, schränkt diese Vorteile ganz erheblich ein. |
Ohne den Rechtevorbehalt kann ich nicht verhindern, dass mir minderwertige Fassungen zugeschrieben werden. | Die CC-Lizenzen schreiben ohnehin vor, dass Änderungen gekennzeichnet werden müssen. |
Nur mit einer ND-Lizenz kann ich verhindern, dass andere Personen mein Material aus dem Zusammenhang reißen oder zu mir unerwünschten Zwecken nutzen (beispielsweise für politisch motivierte Bildungspropaganda). | Entstellungen und andere urheberpersönlichkeitsrechtliche Eingriffe sind gesetzlich verboten. Hiergegen kann man vorgehen, auch wenn das Werk unter einer CC-Lizenz steht, ganz gleich welcher Lizenz. |
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo. Der Text stammt von Till Kreutzer, steht unter der Lizenz CC BY 4.0 und wurde zunächst bei OERinfo veröffentlicht.
Sie möchten iRights.info unterstützen?
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“. Alle Texte erscheinen kostenlos und offen lizenziert.
Wenn Sie mögen, können Sie uns über die gemeinnützige Spendenplattform Betterplace unterstützen und dafür eine Spendenbescheinigung erhalten. Betterplace akzeptiert PayPal, Bankeinzug, Kreditkarte, paydirekt oder Überweisung.
Besonders freuen wir uns über einen regelmäßigen Beitrag, beispielsweise als monatlicher Dauerauftrag. Für Ihre Unterstützung dankt Ihnen herzlich der gemeinnützige iRights e.V.!
DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/8apsq-hhs06 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
Was sagen Sie dazu?