„Immaterialgüterrecht“: Passende Alternative zum Begriff „geistiges Eigentum“
In der Diskussion um den Schutz immaterieller Güter hat sich der Oberbegriff „geistiges Eigentum“ eingebürgert. Als Oberbegriff deshalb, weil darunter nicht nur das Urheberrecht fällt, sondern auch das Patentrecht und das Markenrecht.
Der Öffentlichkeit dagegen weniger geläufig ist der Begriff „Immaterialgüterrecht“. Dieses bezeichnet die gleiche Oberkategorie wie das geistige Eigentum, beide Begriffe sind also synonym zueinander. Und doch macht es einen deutlichen Unterschied, welchen Begriff man verwendet.
Das Immaterialgüterrecht ist eine präzise Bezeichnung
Vom Immaterialgüterrecht zu sprechen ist präziser: Denn es geht um Rechte an immateriellen, also nicht-physischen Gütern. Das sind beispielsweise urheberrechtlich geschützte Kunstwerke (eine Oper, ein Roman), als Patente angemeldete Erfindungen oder schutzfähige Firmenlogos (wie der Coca-Cola-Schriftzug).
Es ist zwar richtig, dass sich Immaterialgüterrechte genauso wie Rechte an physischen Gütern (eine Immobilie, ein Auto, ein Möbelstück) vererben lassen. Auch gesteht etwa das Urheberrecht den Urheber*innen ein zeitlich beschränktes Nutzungsmonopol des Werkes zu.
Trotzdem verdeckt die Rede vom geistigen Eigentum, dass Immaterialgüter besondere Eigenschaften haben: Sie nutzen sich nicht ab (wie physische Güter) und ihr Gebrauch ist nicht-ausschließlich (wie beim Sacheigentum).
Immaterialgüter nutzen sich im Gebrauch nicht ab
Ein Beispiel mag das illustrieren: Ein Möbelstück, beispielsweise ein Sessel, unterliegt als materieller Gegenstand dem Eigentumsrecht. Die Eigentümerin hat das Recht, über den Sessel zu verfügen, ihn zu verkaufen, ihn beliebig zu nutzen, etc.: Eine andere Person ohne Eigentumsanspruch darf den Sessel nicht entwenden oder verändern.
Auch bietet der Sessel nur begrenzten Platz zur Nutzung. So kann etwa nur eine erwachsene Person gleichzeitig bequem darauf sitzen. In der Rechtswissenschaft hat sich für materielle Güter mit ausschließender Nutzung daher der Begriff „rival“ etabliert.
Immaterielle Güter verbreiten sich durch den Gebrauch
Immaterielle Güter hingegen haben die gegenteilige Eigenschaft: Sie sind „non-rival“ – sie können von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden: Eine Oper kann prinzipiell in allen Opernhäusern der Welt gleichzeitig aufgeführt werden.
Wer die Melodie der Oper singt oder spielt, nutzt sie nicht ab und sorgt auch nicht dafür, dass sie weniger wird. Im Gegenteil: Immaterielle Güter verbreiten sich durch den Gebrauch.
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Nicht nur Urheber*innen haben Rechte an Immaterialgütern
Die Wortwahl kann die Sichtweise auf den Schutzgegenstand beeinflussen: Die Formulierung „geistiges Eigentum“ betont, dass auf dem betroffenen Gegenstand ein bestimmter Schutz liegt und Nutzende um Erlaubnis bitten müssen. In vielen Fällen wird die Erlaubnis nur gegen Lizenzgebühren gestattet.
Der Begriff geistiges Eigentum suggeriert durch seine Analogie eine gewisse Nähe zum Sacheigentum und dessen Eigenschaften. Das ist natürlich nicht falsch, aber etwas einseitig. Und es beeinflusst die Wahrnehmung auf den Gegenstand.
Kein Schutz ohne Ausnahme
Wer dagegen von „Immaterialgüterrechten“ spricht, macht dabei auch klar, dass an dem betroffenen Gut mehrere Parteien Rechte haben können.
Im Urheberrecht etwa sind bestimmte Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz geregelt. Der Urheberrechtsschutz fällt dem Urheber an seinem Werk zu, aber er ist nicht ohne Ausnahme: Bekannt sind etwa das Zitatrecht, die Pastiche-Regelung oder das Recht auf Privatkopie. Entsprechende Nutzungen brauchen sich Werknutzende nicht genehmigen lassen.
Es handelt sich hier um Rechte, die die Allgemeinheit an urheberrechtlich geschützten Werken hat. Die Ausnahmen werden auch als „Schranken“ bezeichnet, weil sie den Urheberrechtsschutz der Urheber*innen zu Gunsten anderer Parteien einschränken.
Die Rede von „Immaterialgüterrechten“ setzt damit andere Akzente. Die auch im Plural eher gebräuchliche Bezeichnung stellt nicht den Ausschließlichkeits-Gedanken in den Vordergrund, sondern betont auch den Interessensausgleich zwischen den verschiedenen Parteien.
Sprache formt Wirklichkeit
Trotz seiner Vorteile hat sich das „Immaterialgüterrecht“ bisher nicht im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt. Gründe dafür gibt es verschiedene.
Der internationale Einfluss ist beachtlich. In den USA oder Großbritannien ist meist von „Intellectual Property Rights“ die Rede, also von geistigen Eigentumsrechten. Dazu kommt: Die größte Organisation in diesem Bereich ist die World Intellectual Propety Organization (WIPO), zu Deutsch übersetzt Weltorganisation für geistiges Eigentum. Sie hat auch den „Welttag des geistigen Eigentums“ ins Leben gerufen.
Große Branchenverbände aus der Unterhaltungs-Industrie bedienen sich ebenfalls regelmäßig der Vokabel des geistigen Eigentums. Oftmals verbunden mit der Feststellung, dass es gefährdet sei und geschützt oder verteidigt werden müsse.
Geistiges Eigentum vs. Immaterialgüterrecht: Wer gebraucht welche Bezeichnung?
Nicht zuletzt dürfte die Präferenz auch praktische Gründe haben: Geistiges Eigentum ist für viele besser zu verstehen und wegen seiner Analogie zum materiellen Eigentum intuitiver zu vermitteln. Demgegenüber ist das Wort Immaterialgüterrecht an sich etwas sperrig.
Trotzdem lohnt es sich, die eigene Wortwahl zu reflektieren. Die Akzente, die wir mit der Wahl des Begriffs setzen, können darüber entscheiden, wie unsere Botschaft insgesamt verstanden wird. Denn wie wir die Welt wahrnehmen, hat nicht zuletzt mit den Möglichkeiten zu tun, die uns die eigene Sprache gibt.
Wer von Immaterialgüterrechten spricht, markiert den Unterschied zum materiellen Objekten und führt sich – und anderen – die besondere Qualität immaterieller Güter vor Augen.
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