Gesetzgeber und Lobbyisten streiten über neues Gesetz
Annähernd zwei Jahre, nachdem die Umsetzungsfrist der so genannten EU-Durchsetzungsrichtlinie (2004/48/EG) abgelaufen ist, hat der Bundestag einen Termin für die zweite und die dritte Lesung anberaumt.
Nicht immer werden Richtlinien innerhalb des von der EU gegebenen Zeitrahmens umgesetzt. Eine Verzögerung von deutlich über zwei Jahren ist aber auch in diesem Zusammenhang außergewöhnlich.
Es gibt keine offiziellen Stellungnahmen dazu, warum sich der deutsche Gesetzgeber mit der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie so schwer tut. Offenbar waren sich die Experten aus dem Rechtsausschuss im Bundestag über den Gesetzesentwurf in einigen Punkten so uneinig, dass die Verhandlungen in diesem Fachgremium mittlerweile schon annähernd ein Jahr laufen. Die erste Lesung, in der das Gesetz dem Rechtsausschuss zur Beratung übergeben wurde, fand im April 2007 statt. Wahrscheinlich ist angesichts der extremen Verzögerungen, dass diese Differenzen nicht nur zwischen Opposition und Koalition, sondern auch innerhalb der großen Koalition bestanden haben.
Was ist ein „gewerbliches Ausmaß“?
Ein erheblicher Streitpunkt war bereits, wie die neuen Vorschriften angewendet werden sollen. Die Durchsetzungsrichtlinie selbst bezieht sich nur auf Fälle, in denen (zum Beispiel) Urheber-, Patent- oder Markenrechtsverletzungen „im gewerblichen Ausmaß“ begangen werden – insbesondere in Bezug auf den sehr umstrittenen Auskunftsanspruch gegen Online-Provider.
„Gewerbliches Ausmaß“ ist ein dehnbarer Begriff, den man verschieden interpretieren kann. Daher bestehen bei der Umsetzung in das deutsche Recht Spielräume.
Man könnte sie so ausgestalten, dass alle Rechtsverletzungen, die allein im privaten Umfeld begangen werden (mit denen also „niemand Geld verdient“) nicht darunter fallen. Man könnte auch sagen, dass alle Rechtsverletzungen dann ein Recht auf Auskunft begründen, wenn sie für den Inhaber der Rechte nicht unerhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben. Der Unterschied – und das zeigen die zähen Verhandlungen – ist von wesentlicher Bedeutung.
Denn: Will man den Auskunftsanspruch für die zivilrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen einsetzen, muss man die letzte Lesart anwenden. Denn Tauschbörsennutzer handeln in aller Regel aus rein privater Motivation und nicht um damit Geld zu verdienen. Also waren die Politiker, die der Unterhaltungsindustrie (zum Beispiel der Musik- oder Filmindustrie) den Auskunftsanspruch an die Hand geben wollen, mit dem Vorschlag der Bundesregierung im Regierungsentwurf nicht zufrieden.
Denn im Paragrafen 101a des Urheberrechtsgesetzes stand, dass sich der Auskunftsanspruch nur auf Rechtsverletzungen „in gewerblichem Ausmaß“ beziehen soll. Nach der Gesetzesbegründung sollte das in der Regel nur auf Nutzungen zutreffen, die über das hinausgehen, was einer Nutzung zum privaten Gebrauch entspricht. Nach einem Beitrag in „Das Parlament“ soll dies in der Beschlussfassung geändert und mehr auf die Schadenshöhe abgestellt werden, die beim Verletzten entsteht.
Das würde heißen, dass auch zu rein privaten Zwecken vorgenommene Nutzungen einen Auskunftsanspruch auslösen können, wenn nur der hiermit entstehende Schaden nicht unbeträchtlich ist. Das wiederum würde heißen, dass man sich in den nächsten Jahren darüber streiten wird, ob und welche Schäden etwa durch eine Musikdatei entstehen, die ein Nutzer ohne Erlaubnis online stellt. Eine Frage, über die in der Vergangenheit viele Behauptungen aufgestellt, aber wenig belastbare Daten dargelegt wurden.
Bekommen Musik- und Filmindustrie Nutzerdaten demnächst direkt vom Internet-Provider
Eine weitere Frage ist, ob ein Musikunternehmen, das IP-Adressen von Tauschbörsennutzern gesammelt hat, direkt zum Provider gehen und die persönlichen Daten verlangen darf – oder ob vorher ein Richter über die Datenherausgabe entscheiden muss. Der Regierungsentwurf enthielt einen so genannten Richtervorbehalt. Danach ist es erst mit einem richterlichen Beschluss möglich, die Daten zu bekommen. Dieser Vorbehalt war im Rechtsausschuss sehr umstritten.
Auch hier liegen die Argumente auf der Hand: Können die Rechtsinhaber die Daten unmittelbar verlangen, werden die Verfahren im Zweifel erheblich vereinfacht und beschleunigt. Müssen Richter entscheiden, dauert es länger und es wird teurer. Außerdem wird die Rechtsprechung im Zweifel extrem belastet. Auch diesbezüglich soll sich der Rechtsausschuss mittlerweile geeinigt haben. Der Richtervorbehalt bleibt, so schreibt es jedenfalls „Das Parlament“ und beruft sich auf Insider-Informationen.
Kommt Zypries damit durch, die Abmahngebühren zu deckeln?
Viel Aufsehen hatte Bundesjustizministerin Zypries erregt, die sich im Regierungsentwurf dafür stark macht, die Anwaltsgebühr für eine erste Abmahnung bei Bagatellverletzungen auf 50 Euro zu beschränken, weil sie in der Regel unwissentlich und aus rein privaten Beweggründen resultieren. Damit wollte die Bundesregierung die so genannten Abmahnwellen stoppen, die zum Teil absonderliche Ausmaße annehmen.
Nicht nur Verbände der Rechtsanwälte, sondern auch die Lobbyvereinigungen der Medienwirtschaft protestierten heftig gegen diesen Vorschlag. Zypries setze ein falsches Signal und würde die Wertschätzung für geistiges Eigentum in der Bevölkerung weiter verringern, so die Gegner. Nun hat sich der Rechtsausschuss darauf geeinigt, die Abmahngebühren auf 100 statt 50 Euro zu begrenzen, so Zypries bei Abgeordnetenwatch.de. Es ist zweifelhaft, dass die Gegner sich damit zufrieden geben werden.
Was sagen Sie dazu?