Dissertation von Till Kreutzer veröffentlicht
„Das Modell des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen“ lautet der Titel des mehr als 500 Seiten starken Buches. Kreutzer beschreibt darin, dass das Urheberrecht sich zwar stetig wandelt. Etliche EU-Richtlinien wurden und werden seit dem Beginn des „digitalen Zeitalters“ entwickelt und auch ins deutsche Recht umgesetzt. Der Gesetzgeber sei also nicht untätig.
Dennoch habe sich, so Kreutzer, an den Grundstrukturen und -prinzipien nichts geändert. Das Modell des deutschen Urheberrechts habe nach wie vor vor allem die Interessen des Urhebers im Auge; seine materiellen und ideellen Interessen am Werk werden umfassend geschützt. Dem Urheber wird ein weit reichendes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, das nur in seltenen Ausnahmen und Sonderfällen eingeschränkt werden kann.
Die Regel ist zum Beispiel, dass jede Kopie eines Werkes eine Vervielfältigung ist. Zwar gibt es Ausnahmen, wie etwa die Erlaubnis, Kopien zum privaten Gebrauch zu machen. Diese Ausnahmen müssen aber immer sehr eingeschränkt angewendet werden und dürfen die Interessen des Urhebers nicht wesentlich beeinträchtigen.
Herkunft und Entwicklung des deutschen Urheberrechts
Kreutzer fragt, ob dieses und andere Grundprinzipien des Urheberrechts heute noch zu praktikablen Lösungen und einem angemessenen Interessenausgleich führen. Dabei geht es vor allem darum, wie der Werkbegriff, die Zuordnung von Werken, Umfang und Dauer des Schutzes im Urheberrecht geregelt werden.
Mit anderen Worten geht es darum, welche geistigen Erzeugnisse überhaupt durch das Urheberrecht geschützt werden sollen, wem dieses Schutzrecht im jeweiligen Fall zustehen soll, wie weit es gehen und wie lange es dauern soll.
All diese Aspekte beeinflussen den Ausgleich der durch das Urheberrecht betroffenen Interessen erheblich, was wiederum vom Gesetzgeber berücksichtigt werden muss. Denn je weiter das Urheberrecht geht, desto weniger dürfen Musiker samplen, dürfen Privatpersonen Filme kopieren oder Suchmaschinen Inhalte indexieren oder gar transportieren.
Auf diesen Überlegungen aufbauend stellt Kreutzer dar, auf welchen Grundgedanken das deutsche Urheberrecht basiert, welche rechtstheoretischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen dahinterstehen und wie es sich entwickelt hat. Diese Entwicklung vergleicht er mit der Entwicklung der Umstände, die das Urheberrecht regeln soll. Dabei spielt vor allem der technische Wandel eine Rolle.
Kreutzer kommt zu dem Ergebnis, dass die Funktion des Urheberrechts sich in der Wissensgesellschaft erheblich gewandelt hat. Aus einem Recht für Spezialisten sei ein Recht geworden, das mehr oder weniger alle Bürger betreffe. Aufgrund der (digital-)technologischen Entwicklung sei es heute annähernd jedem möglich, gleichzeitig Nutzer, Urheber und Produzent zu sein und seine Werke anderen zur Verfügung zu stellen. Diese Inhalte würden im Internet frei zugänglich gemacht, getauscht, neu gemixed, kopiert. All das widerspreche jedoch den Grundgedanken und den Regeln des geltenden Urheberrechts.
Fazit: Ist- und Soll-Zustand klaffen auseinander
Das sei ein Grund dafür, warum zwischen dem, was geregelt werden soll, und dem Gesetz eine große Lücke klafft, so Kreutzer. Es gebe einige grundlegende Fehlentwicklungen, etwa bei beim Schutz von technischen Maßnahmen oder bei den Schrankenbestimmungen, deren Auswirkungen gravierend sein werden. Beispielsweise gingen Rechte, die es verbieten, Kopierschutz- und DRM-Systeme zu umgehen so weit, dass Inhalte nicht so genutzt werden können, wie vom Gesetz eigentlich erlaubt. Auch das sein ein Grund dafür, warum der Interessensausgleich, für den das Urheberrecht sorgen soll, in ein erhebliches Ungleichgewicht gerate.
In einem konzeptionellen Teil entwirft Kreutzer Ansätze dazu, wie ein alternatives Regelungsmodell aussehen könnte. Unter anderem spricht er sich dafür aus, dass ein modernes Urheberrecht zunehmend auch die Interessen der Nutzer in den Blick nehmen müsse. Durch die herkömmliche, hierarchische Unterscheidung zwischen starken Ausschließlichkeitsrechten (die die Interessen der Rechteinhaber schützen) und einzelnen, auf Sonderfälle beschränkte Schrankenbestimmungen (die die Interessen der Allgemeinheit sichern sollen) sei unausweichlich, dass die Interessen ungleich vertreten würden.
Auch dieser Effekt zeigt sich am deutlichsten bei dem Spannungsfeld zwischen Schutz technischer Maßnahmen und Schrankenbestimmungen, in dem allein zugunsten der Interessen der Rechteinhaber entschieden worden sei. Solange Urheber- und Nutzerrechte nicht als gleichrangig anerkannt würden, sei ein angemessen ausgewogenes Urheberrecht nicht zu erwarten. Dies wiederum werde einer Gesellschaft nicht mehr gerecht, in der Urheber meist zugleich Nutzer sind und in der es die Voraussetzung für kulturellen Fortschritt und Innovationen sei, dass Menschen auf Inhalte zugreifen und sie nutzen können.
Bezugsquelle
Das Modell des deutschen Urheberrechts und Regelungsalternativen
Nomos Verlagsgesellschaft
Baden-Baden 2008
528 Seiten, broschiert
98 Euro
ISBN: 978-3-8329-3998-4
Rezensionsexemplare über Meike Brönneke (Nomos) oder Till Kreutzer.
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