Daten als Wirtschaftsgut?
Während es für uns im offline-Alltag selbstverständlich ist, für Dinge und Dienstleistungen mit Geld zu bezahlen, hat sich in bestimmten Bereichen der online-Welt eine Kostenloskultur manifestiert. So wäre die Mehrzahl der Google- oder Facebook-Nutzer*innen sicherlich überrascht, wenn ab sofort für jede Suchanfrage oder jedes Posting ein Entgelt zu entrichten wäre.
Dabei stellt sich die Frage, wie es diesen weltführenden und marktmächtigen Unternehmen möglich ist, ihre Dienste kostenlos anzubieten und dennoch Umsätze in Milliardenhöhe zu generieren.
Vertragsparteien steht es frei, auf welchen Güteraustausch sie sich einigen
„In der digitalen Realität wird mit Daten gehandelt und es wird ihnen ein wirtschaftlicher Wert beigemessen“, sagt Anne Riechert, Professorin für Datenschutzrecht und Recht in der Informationsverarbeitung an der Frankfurt University of Applied Sciences, im Interview. Konzerne wie Google und Facebook sammeln Nutzer*innendaten und erstellen daraus Persönlichkeitsprofile.
Die Unternehmen kennen ihre Nutzer*innen damit so gut, dass sie Werbetreibenden personalisierte Werbung ermöglichen – die es wahrscheinlicher macht, dass Nutzer*innen die beworbenen Produkte erwerben. Für den größeren Werbeerfolg sind Werbekunden bereit, hohe Summen zu bezahlen.
Grundsätzlich steht es Vertragsparteien – hier Diensteanbieter wie Facebook oder Google auf der einen Seite und deren Nutzer*innen auf der anderen — sehr wohl frei, auf welchen Güteraustausch sie sich einigen. Keinesfalls ist Voraussetzung ist, dass eine Seite ihre Gegenleistung mit Geld erbringen muss. Nutzer*innen können solche Unternehmen also auch mit Daten bezahlen.
EU-Gesetze erkennen Daten als Gegenleistung an
Auf das Phänomen, dass Daten damit faktisch eine Art Wirtschaftsgut sind, reagierte auch der europäische Gesetzgeber. 2019 verabschiedete die EU ihre „Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen“.
Mit dieser Richtlinie will die Europäische Union den Verbraucherschutz in den Mitgliedsstaaten stärken. So sollen Verbraucher*innen, die anstelle einer Geldleistung ihre Daten zur Verfügung stellen, ebenfalls Anspruch auf vertragliche Rechtsbehelfe haben.
Damit erkennt der Gesetzgeber an, dass es sich bei den Daten um eine Gegenleistung beziehungsweise ein Entgelt handelt.
Personenbezogene Daten sind kein Handelsobjekt
Aus Sicht von Datenschutz und Datenethik können Daten jedoch keinesfalls als reines Wirtschaftsgut betrachtet werden.
Personenbezogene Daten, wie Name, Alter, Beruf und Interessen, bilden einen individuellen Steckbrief und definieren Persönlichkeit – anders als Geldmünzen und Geldscheine.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber schrieb im Rahmen eines Tätigkeitsberichtes seines Hauses: „Personenbezogene Daten sind […] kein beliebiges Handelsobjekt, sondern stets Teil einer bestimmten natürlichen Person, deren Menschenwürde unveräußerlich ist.“
Die Datenethikkommission der Bundesregierung, welche ethische Leitlinien für den Schutz des Einzelnen und der Gesellschaft im Informationszeitalter entwickelt, bewertet personenbezogene Daten als sensibel. Sie plädiert in ihrem Gutachten vom Oktober 2019 dafür, den Begriff „Daten als Gegenleistung“ zu vermeiden.
Was besagt die DSGVO?
Welche Vorgaben beim Umgang mit personenbezogenen Daten zwingend einzuhalten sind – also auch, wenn mit ihnen gehandelt wird – ist in der Europäischen Union durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geregelt. Sie gilt seit dem 25. Mai 2018.
Der Verordnung liegen allgemeine Grundsätze zugrunde (Artikel 5 DSGVO), beispielsweise der zur Datenminimierung und der zur Zweckbindung.
Dem Grundsatz der Datenminimierung zufolge dürfen nur solche Daten erhoben werden, die für die vereinbarte Leistung erforderlich sind. Aufgrund des Zweckbindungs-Grundatzes dürfen die erhobenen Daten nur sehr eingeschränkt verwendet werden, nämlich nur für den mit dem Nutzer konkret vereinbarten Zweck.
Beim Versenden einer Nachricht über einen Messengerdienst beispielsweise würde das bedeuten, dass der Anbieter des Dienstes lediglich den Sender und den Empfänger sowie die zu übermittelnde Nachricht handhaben dürfte, nicht aber Informationen über den Standort von Personen. Außerdem dürfte er diese Informationen ausschließlich zum Übermitteln der Nachricht nutzen.
Doch damit ein Unternehmen möglichst viel Geld mit den Nutzer*innendaten erwirtschaftet, möchte es möglichst viele oder sogar alle Daten, auf die es zugreifen kann, sowohl speichern als auch uneingeschränkt verwenden.
Sind Daten nun Wirtschaftsgut – oder nicht?
Wie sind die unterschiedlichen Sichtweisen auf die „Gegenleistung mit Daten“ nun zu bewerten?
Die Rechtswissenschaftlerin Anne Riechert stimmt dem Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber darin zu, dass Daten kein beliebiges Handelsobjekt seien. Allerdings weist sie auch darauf hin, dass „im Gutachten der Datenethikkommission, an dem Herr Kelber mitgewirkt hat, betont [wird], dass die DSGVO bereits heute in vielfacher Weise die wirtschaftliche Verwertung personenbezogener Daten erlaubt und neben die Einwilligung (Artikel 6 Absatz 1 lit. a DSGVO) fünf weitere Rechtfertigungstatbestände treten, die teils explizit auf wirtschaftliche Interessen und Bedürfnisse zugeschnitten sind.“
Auch die Datenschutzgrundverordnung steht einer wirtschaftlichen Verwertung von Daten nicht grundsätzlich entgegen.
In den Erwägungsgründen zur Richtlinie, die auf bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen eingehen, heißt es, dass in einem Konfliktfall der Datenschutz vorzugehen hat.
Fazit
Im Informationszeitalter sind Daten zu einem wichtigen Wirtschaftsgut geworden. Bei personenbezogenen Daten gilt es jedoch, neben ihrem wirtschaftlichen Wert insbesondere und zuerst ihre persönlichkeitsrechtliche Komponente zu beachten. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, beides in einen praktikablen Einklang zu bringen.
Die „EU-Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen“ ist hierbei ein weiterer Schritt, weil sie Verbraucher*innen, die mit ihren ihre Daten bezahlen, umfassende Rechte zuspricht.
Über die Autorinnen: Miriam Bindel studiert Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin, Annika Langhorst studiert Jura an der Universität Passau, Jana Schmidberger studiert Jura an der Freien Universität Berlin. Alle drei absolvierten beinahe zeitgleich ein Praktikum bei iRights.Law.
2 Kommentare
1 RA Heyers am 14. März, 2020 um 19:02
Auch wenn Daten wirtschaftlich wertvoll sind, hat die Rechtsordnung sie meines erachtens noch nicht als fungibles Rechtsgut (an-)erkannt. Das würde bedeuteten, dass es ein Gewährleistungsrecht geben würde und das im deutschen Recht bestehende Synallagma hierauf irgendwie reagieren müsste.
Allerdings übersieht der Artikel, dass die DSGVO konkrete Vorgaben/ Informationen für die Nutzung vorsieht. Google und Facebook halten sich aber nicht an diese Regeln, so dass die Nutzung schon von Anfang an rechtswidrig ist. Die Grundlage für das “Tauschgeschäft Digitalgut” ist damit schon nicht gesetzt.
PH
2 Heiner am 26. März, 2020 um 16:12
Wenn die Bezahlung mit Daten möglich ist, müsste zusätzlich zu deren Wert eigentlich jeweils durch die empfangenden Unternehmen 19 % USt für den Staat verlangt werden.
Bezahle ich für ein Buch 119 €, will der Staat auch 19 € davon haben.
Wieso “verzichtet” der Staat zugunsten der Datenkraken darauf.
Was sagen Sie dazu?