Creative Commons in der ARD: Fragen und Antworten
Vorbemerkung: Dieser Artikel gibt keine offizielle Position der ARD wieder. Die Kernaussagen des Berichts (PDF) hat Leonhard Dobusch hier vorgestellt und eingeschätzt.
Warum gibt es diesen Vorstoß?
Täglich produziert die ARD viele Stunden Programm, viele Perlen sind dabei. Trotzdem verliert sie Nutzer, vor allem junge. Ein Grund für diese Entwicklung ist der Medienwandel: Die Leute sind nicht da, wo die ARD-Inhalte sind – viele verzichten etwa auf einen Fernseher. Auch Mediatheksangebote lösen das Problem nicht. Creative Commons kann hier helfen. Nutzer können derart lizenzierte Inhalte unkompliziert und legal im Netz verbreiten, solange sie sich an die Bedingungen der jeweiligen Lizenz halten.
Letztendlich ist es unwichtig, auf welche Weise die Menschen öffentlich-rechtliche Inhalte konsumieren: ob sie klassisch das TV oder das Radio einschalten, eine öffentlich-rechtliche Webseite ansurfen oder ob sie in einem privaten Blog auf einen öffentlich-rechtlichen Beitrag aufmerksam geworden sind. Je leichter die Beiträge verfügbar sind, desto mehr werden auch die Beiträge für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk akzeptiert. Creative Commons nutzt der ARD.
Gibt es weitere Gründe?
Viele ARD-Redaktionen sind auf Plattformen wie Facebook oder Youtube aktiv. Diese Anbieter lassen sich gerne als Grundbedingung umfassende Rechte an den Inhalten einräumen, die dort eingestellt werden. Es ist schwer zu vermitteln, dass die ARD Mark Zuckerberg und Co. mehr Rechte einräumt als den eigenen Beitragszahlern. Außerdem nutzen viele ARD-Redaktionen fremdes Material unter Creative-Commons-Lizenzen. Wer nimmt, muss auch geben.
Auch Bildungseinrichtungen können profitieren, die ARD hat einen Bildunsgauftrag. Für Lehrer beispielsweise ist es mühevoll, Schülern legal zu ermöglichen, kreative Inhalte zu erstellen und sie anschließend wieder ins Netz zu stellen. Wenn ARD-Material legal genutzt werden könnte, wäre viel gewonnen.
Warum stellt die ARD nicht ihr komplettes Programm unter Creative Commons?
Unter Creative Commons kann man nur Inhalte stellen, an denen man alle Rechte besitzt, inklusive Musikrechten. Häufig verwenden Beiträge aber auch Agenturmaterial – eine Creative-Commons-Lizenzierung wird dann unmöglich, weil die Rechteklärung zu aufwändig wird. Es gibt auch Verträge und Interessen von Produktionsfirmen, die die ARD berücksichtigen wird. Zusammengefasst: Rechtesachen sind wahnsinnig kompliziert.
Welche Creative-Commons-Lizenzen will die ARD einsetzen?
Der ARD-Bericht beschreibt die Lizenz „Namensnennung – Nicht-kommerziell – keine Bearbeitung“ (BY-NC-ND) als „rechtlich am einfachsten umzusetzen“. Diese Lizenz untersagt die Bearbeitung sowie die kommerzielle Nutzung. Andere Lizenztypen können aber ebenfalls von der ARD genutzt werden. Sehr wahrscheinlich wird die Lizenz „CC BY-NC-ND“ dennoch am häufigsten eingesetzt werden, denn Institutionen wie die ARD sind immer auf größtmögliche Rechtssicherheit aus. Es besteht zum Beispiel die Befürchtung, dass das Risiko für juristische Streitigkeiten steigen könnte, wenn die Bearbeitung frei gegeben würde. Man kann sich darüber ärgern oder es als einen Anfang betrachten. Öffentlich-rechtliche Sender sind große Institutionen, sie brauchen Zeit, bis sie neue Ideen und Workflows adaptieren.
Über Lizenzen, die die kommerziellen Rechte abgeben, wird viel gestritten. Kritiker sagen, dies bedeute den Ausverkauf der Inhalte.
Die ARD besitzt Inhalte, die kommerziell interessant sind, „Tatort“-Folgen beispielsweise. Diese haben keine Chance auf eine Creative-Commons-Lizenzierung. Die ARD produziert aber auch Inhalte, für die es keinen Markt gibt. Würde man für diese ausgewählten Inhalte eine Lizenz wählen, die auch die kommerziellen Rechte freigibt, hat das Vorteile. „Kommerzielle Nutzung” lässt viele befürchten, jeder Konzern könnte kommen und zum Beispiel Bilder für einen Werbespot nutzen. Faktisch aber sorgen Lizenzen, die die kommerziellen Rechte nicht freigeben, dafür, dass die Inhalte von vielen Privatpersonen nicht genutzt werden dürfen. Jeder Blogger, der mit Google-Ads kleines Geld einnimmt, kann in die Kategorie „kommerzieller Nutzer“ fallen; Juristen streiten darüber, wo die Grenzen liegen. Eine Definition lautet: Überall, wo Geld fließt, liegt eine kommerzielle Nutzung vor.
Auch die Wikipedia fällt bei nichtkommerziellen Lizenzen aus dem Kreis derjenigen heraus, die öffentlich-rechtliche Inhalte weiterverwenden könnten. Sie steht unter einer Creative-Commons-Lizenz, die die kommerziellen Rechte freigibt und kann auch nur solche Inhalte aufnehmen. Die Wikipedia wäre aber ein idealer Partner der öffentlich-rechtlichen Anstalten: Die ARD hat einen Bildungsauftrag und produziert Wissen und Information, die Wikipedia ist ein großartiger Wissensspeicher. Wäre es nicht naheliegend, wenn die beiden kooperieren?
Andere mögen einwenden: Creative Commons – das ist Enteignung der Autoren.
Es gibt Lizenzen, die es dem Rechte-Inhaber ermöglichen, die kommerziellen Rechte zu behalten und die Bearbeitung zu untersagen. Bei der im Bericht als „am leichtesten umsetzbar“ bezeichneten Lizenz „BY NC-ND“ ist genau das der Fall. Es wird auch die Angst geäußert, dass Creative-Commons-Lizenzen als verkapptes Sparprogramm genutzt werden könnten. Sender könnten untereinander Creative-Commons-Inhalte nutzen und Mehrfachvergütungen für die Autoren sparen. Das wäre eine missbräuchliche Anwendung.
Und was passiert jetzt?
Bisher gibt es nur den Bericht, der den Einsatz von Creative-Commons-Lizenzen für ARD-Inhalte empfiehlt. Jetzt braucht es Projekte, die die Ideen umsetzen.
Meike Richter war Teil der Arbeitsgruppe, die den Bericht „Creative Commons in der ARD“ erarbeitet hat. In diesem Text gibt sie ausschließlich ihre private Meinung wieder.
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