Filme länger in öffentlich-rechtlichen Mediatheken? Ja, aber die Urheber angemessen vergüten!
Nein, wir Dokumentarfilmer, Regisseure und Drehbuchautoren haben nichts dagegen, wenn unsere Werke in den öffentlich-rechtlichen Mediatheken zur Verfügung stehen, auch nicht für längere Zeit. Doch deren Nutzung, die für die Verbraucher ja kostenlos ist, beeinträchtigt oder verhindert andere Einnahmen, zum Beispiel aus dem DVD-Verkauf oder aus dem Lizenzverkauf an Schulen und Bildungseinrichtungen. Und für diese Verluste auf anderen Vertriebswegen wollen wir von den Sendern entschädigt werden.
Die gemeinsame Forderung war überfällig
Würde es sich bei unseren Werken um Bücher oder Musik handeln, die dinglich zur Verfügung gestellt werden, hätten wir wohl die Mehrheit der vernünftig denkenden Menschen hinter uns. Doch mit den Filmen, die für – oder besser mit – den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entstehen, ist es so eine Sache. Jeder denkt, dass sie von den üppig eingezogenen „Gebührengeldern“, neuerdings „Rundfunkabgabe“ genannt, fürstlich bezahlt würden und die Filme damit der Allgemeinheit der Zahler gehören müssten. Pustekuchen!
Denn die Zeiten, in denen die Sender als faire Partner der freien Urheber und Produzenten agierten, sind seit langem passé. Tatsächlich sind in den vergangenen Jahrzehnten die fixen Kosten der öffentlich-rechtlichen Systeme derart gestiegen, dass sich die zu Molochen angewachsenen Anstalten nun zu massivem Sparen gezwungen sehen. Und wo geht das besser als bei den Freien? Also bei jenen, die sich mit jedem Projekt neu bewerben müssen; bei jenen, die in Konkurrenz mit vielen anderen stehen, die auch einen der raren Sendeplätze ergattern wollen.
Es gibt im Film- und Fernsehgeschäft eine sehr große Masse an sehr unterschiedlichen Kreativen. Angesichts so vieler Anbieter kann das öffentlich-rechtliche System – das zwar über mehr als acht Milliarden Euro Jahresbudget verfügt, doch ein quasi monopolistischer Abnehmer und Anbieter solcher Werke ist – nicht nur herrlich die Preise drücken, sondern gleichzeitig immer mehr Auswertungsrechte für sich beanspruchen.
Aus diesen Gründen ist die gemeinsame Presseerklärung (PDF) der drei größten Urheber-Verbände der Filmbranche – Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), Bundesverband Regie (BVR) und Drehbuchautorenverband (VDD) – mit der Forderung nach einer angemessenen Vergütung der Mediatheken-Nutzung auch ein so wichtiges, überfälliges Signal. Die Politik sollte es nicht überhören, sofern sie nicht das in sie gesetzte Vertrauen verspielen will.
Verträge nach dem „so-oder-gar-nicht-Prinzip“
Bereits bei der Einführung der Sieben-Tage-Regelung, als die Nutzungszahlen aufgrund schlechter Bandbreiten und langsamer Rechner noch sehr überschaubar waren, verfuhren die Sendeanstalten nach dem „so-oder-gar-nicht-Prinzip“, das da meint: „Entweder, ‘lieber‘ Urheber oder Produzent, räumst Du uns diese ganzen Rechte unentgeltlich ein – oder wir können den Film leider nicht mit Dir machen“.
In einem nächsten Schritt wurde versucht, zum Beispiel bei Arte, eine zeitlich und räumlich erweiterte Mediatheken-Nutzung als Bedingung für den Vertragsabschluss durchzusetzen. Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass die Verträge mit solchen, an sich inakzeptablen Klauseln gerne erst nach Beendigung der Produktion zugestellt werden und dann „unverhandelbar“ sind, und dass zudem die Auszahlung der ersten Rate an die Unterschrift des Produzenten gekoppelt ist. Arte wurde übrigens genau deshalb als „Rammbock“ für dieses Vertragsgebahren ausersehen, weil dessen Mediathek in Frankreich betrieben wird und deshalb nicht der Siebe-Tage-Regelung unterworfen ist.
In einem Bericht über die Forderung der Filmemacher und Produzenten schreibt der Tagesspiegel: „Angesichts der steigenden Nutzung von Mediatheken befürchten die Verbände, dass im Fernsehen weniger wiederholt wird.“ Damit lässt der Autor der Meldung die Verbände wie Idioten aussehen, denn er unterschlägt die wichtige Information aus der Presseerklärung, dass es bisher zumindest im fiktionalen Bereich üblich war, dem Autor und dem Regisseur zumindest nach einer gewissen Anzahl von Sendewiederholungen ein Wiederholungshonorar zu zahlen. Für Dokumentarfilmer fielen diese für Urheber überaus wichtigen Einnahmen bereits vor Jahren vielfach dem Spardiktat zum Opfer. Zynische Begründung der Öffentlich-Rechtlichen: „Der organisatorische Aufwand ist zu groß.“
Sender nutzen ihre Marktmacht schamlos aus
Die Produzenten, insbesondere die von inhaltlich wie finanziell anspruchsvolleren Projekten, werden von den Sendern seit Jahren dazu gezwungen, sich Produktionsmittel zu besorgen, etwa bei Ko-Produzenten im Ausland, bei Sponsoren und bei den verschiedenen Filmförderungen. Bei Letzteren erhalten sie aber lediglich bedingt rückzahlbare Kredite, für die sie zudem nachweisen müssen, dass sie Eigenmittel in die Produktion stecken. Zudem müssen sie den Förderern eine sogenannte Einnahmeprognose vorlegen (Recoupmentplan). Denn eigentlich soll den Produzenten mit den Fördergeldern ermöglicht werden, auf einem reinen Käufermarkt Rückflüsse zu generieren, durch die sie unabhängiger werden.
Zusätzlich zur Mischfinanzierung müssen die Filmemacher und Produzenten regionale Wirtschaftseffekte nachweisen, doch derlei Nachweise sind oft nicht einfach zu erbringen. Stattdessen machen solche Auflagen die Produktionen komplizierter, langwieriger, teurer und insgesamt noch riskanter.
Doch wenn die Sender für die Filme – trotz sinkender Beteiligung an deren Herstellungskosten – immer umfassendere Rechte beanspruchen und sie immer länger in ihre kostenlos nutzbaren Mediatheken stellen wollen, wird für die Produzenten die Refinanzierung dieser Investitionen durch weitere Verwertungen zur Makulatur. Das heißt: die öffentlich-rechtlichen Sender, als Großabnehmer der Filmemacher und Produzenten, hintertreiben deren Bemühungen um größere finanzielle Spielräume.
Es sei an dieser Stelle fairerweise erwähnt, das auch die privaten Sender hart verhandeln. Auch sie versuchen, die Internetrechte und alles, was irgendwie nutzbar erscheint, in Buyout-Verträgen an sich zu binden. Allerdings steht ihnen kein garantiertes, jährliches, milliardenschweres Gebührenaufkommen zur Verfügung.
Trend zum Crowdfunding erhöht den Druck auf die Filmemacher und Produzenten
Neuerdings wird immer häufiger das Mantra des Crowdfunding gebetet. Diese Finanzierung durch massenhafte Vorauszahlungen Einzelner erfordert viel Kommunikationsarbeit, und das meint, weitere Monate unbezahlter Arbeit in eine Produktion zu stecken, deren tatsächliche Realisierung – und vielmehr noch Refinanzierung – unsicher ist (siehe oben). Für die Sender heißt es hingegen, dass sie die fast immer bleibenden Finanzierungslücken am Ende mit noch kleineren Beträgen schließen können und noch weniger Risiko eingehen. Gleichwohl beanspruchen sie den gleichen Rechteumfang oder wollen ihn – wie sich jetzt bei den Mediatheken zeigt – sogar noch ausweiten.
Und genau das gelingt mitunter sogar. Denn wenn ein Produzent oder Filmemacher schon so weit gekommen ist, er also so viel kostenlose Vorarbeit für die (Re-)Finanzierung leistete und so viele moralische Verpflichtungen eingegangen ist, würde er wahrscheinlich dem Teufel seine Seele verkaufen, nur um das Projekt endlich durchführen und abschließen zu können.
Politik ist bereit, Interessen der Urheber zu opfern
Schon bei der Einführung der Sieben-Tage-Regelung gab es bei der Politik nicht einen Moment lang den Gedanken, die Urheber vor der Macht der öffentlich-rechtlichen Verwerter zu schützen. Vielmehr war es eine angedrohte Klage der privaten Rundfunkveranstalter und der Zeitungsverleger in Brüssel – die damit das gesamte Engagement der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet inklusive der Gebührenfinanzierung in Frage stellen wollten –, durch die sich Politiker und öffentlich-rechtliche Sender zur Zustimmung zum Sieben-Tage-Kompromiss veranlasst sahen. Die auch damals schon berechtigten Interessen der Urheber an einer Vergütung für die erweiterte Nutzung ihrer Rechte waren nicht einmal eine Fußnote wert.
Und auch jetzt entsteht wieder der Eindruck, dass Politik und Sender bereit sind, die Interessen der Urheber und Produzenten zu opfern – zu Gunsten einer populistischen Forderung nach längerer Verweildauer in den Mediatheken, die weder im Urheberrecht begründbar ist, noch die Realitäten der Finanzierung der Werke und der Honorierung der beteiligten Urheber widerspiegelt.
1 Kommentar
1 Jens Best am 4. August, 2014 um 17:29
Der völlig unprofessionelle Tritt gegen Crowdfunding entwertet den Artikel ein wenig.
Es entsteht so der Eindruck, dass Herr Wesnigk nur pauschal gegen alles tritt, was irgendwie “digital” ist.
Allein schon in der Wortwahl verrät Wesnigk seine unprofessionelle Haltung. Er spricht davon, dass “das Mantra des Crowdfunding gebetet” werden würde.
Man kann Herrn Wesnigk und anderen Engagierten nur raten, in Zukunft ein wenig differenzierter auf digitale Themen zu schauen – dann bekommen sie auch mehr Unterstützer für ihre richtigen zentralen Anliegen.
Was sagen Sie dazu?