Alexander Alvaro (FDP): „ACTA ist nicht am Ende“
„Dass ACTA am Ende ist, würde ich nicht unterschreiben“, sagte der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro am Montag im Interview mit iRights.info. Er halte den aktuellen Vertragstext im Gegensatz zu früheren Versionen „rein sachlich nicht für schädlich“. Wenn ACTA nicht gegen EU-Recht verstößt und keine Gefahren für die Freiheit des Internets festgestellt werden, sieht Alvaro „keinen Grund, nicht zuzustimmen“.
Vergangene Woche hatte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, Joseph Daul, ACTA überraschend für gescheitert erklärt. Nach den unerwartet starken Protesten werde das EU-Parlament dem internationalen Handelsabkommen wohl nicht zustimmen. Inzwischen nahm Daul seine Äußerung zurück.
Die Liberalen im EU-Parlament fordern – wie EU-Justizkommissarin Vivian Reding, die Grünen und die Sozialdemokraten – eine Prüfung von ACTA durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). „Ich halte die Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof für ausgesprochen wichtig“, so Alvaro. „Es muss tatsächlich so sein, dass die Vertragsparteien – also die Mitgliedstaaten und die EU – durch das Abkommen nicht zu Gesetzänderungen gezwungen werden.“ Er rechne damit, dass der EuGH ACTA noch 2012 prüfen kann, sodass eine Abstimmung im EU-Parlament 2013 möglich wäre.
„Kritik nicht mehr aufrechtzuerhalten”
Das EU-Parlament hat laut Alvaro den anfänglichen Lobby-Einfluss einzelner Branchen auf die ACTA-Verhandlungen massiv zurückgedrängt. „Das erkennt man daran, dass der ursprüngliche Text von 2010 noch Formulierungen enthielt, die kein vernünftiger Mensch hätte unterschreiben können“, so Alvaro. „Der Text, den wir damals gesehen haben, legt den Schluss nahe, dass eine sehr hohe Einflussnahme aus der Wirtschaft gab.“
„Die Kritik der ,Netzgemeinde‘ deckt sich mit der Kritik der FDP im Europäischen Parlament aus dem Jahre 2010“, heißt es in einem „Faktencheck“, den Alvaro zu ACTA online gestellt hat. Auf der Basis des endgültigen Vertragstextes könne diese Kritik jedoch nicht mehr aufrechterhalten werden. Beispielsweise lasse sich aus dem aktuellen Vertragstext kein verpflichtendes „three strikes Modell“ mehr ableiten, also die Sperrung des Internetzugangs bei dreimaligem Copyrightverstoß.
Die Grünen schüren Ängste
Scharfe Kritik übt Alvaro an der Anti-ACTA-Position der Grünen. „Ich halte das Verhalten der Grünen für politisch unverantwortlich“, so der FDP-Politiker. „Ich sehe, dass dort Ängste geschürt werden, die sich am aktuellen ACTA-Text einfach nicht festmachen lassen.“
Der Grünen-Innenexperte Jan Philipp Albrecht (MdEP) hatte gewarnt, ACTA treibe eine repressive Rechtsdurchsetzung gegen Urheberrechtsverletzungen mittels der Internetprovider voran. „Wir sehen die Gefahr, dass es damit zu Filter- und Sperrmaßnahmen ohne faires rechtliches Verfahren und zu hohen Schadensersatzklagen auch bei Privatkopien kommt.“ ACTA müsse zu Fall gebracht werden. In einem Beschluss übt auch der Bundesvorstand der Grünen scharfe Kritik am ACTA-Vertrag. „Rechtsbegriffe bleiben im Abkommen unklar und undefiniert und können genauso wie unzureichende Datenschutzstandards zu einer Verletzung der EU-Grundrechte-Charta und der Europäischen Menschenrechtskonvention führen“, heißt es darin.
„Kein Sachzusammenhang zu ACTA“
Alvaro weist die Befürchtung zurück, durch ACTA drohten Filter- und Sperrmaßnahmen. „Natürlich müssen wir darauf achten, dass die Provider nicht verpflichtet werden, ihre Kunden zu überwachen oder zu sperren, und das tun wir auch.“ Aber da gebe es keinen Sachzusammenhang mit ACTA. Außerdem warf der Liberale den Grünen vor, sich im EU-Parlament nicht daran beteiligt zu haben, Transparenz über ACTA herzustellen und die Kritikpunkte abzuarbeiten. „Ich ärgere mich deshalb so sehr über diese populistische Trittbrettfahrerei, weil die Grünen die Chance nicht genutzt haben, sich in den Prozess einzubringen.“
Alvaro fordert, künftige Verhandlungen transparenter zu führen. „Nur Transparenz sorgt dafür, dass keine Legenden und Ängste entstehen.“ Den Verhandlungsprozess von ACTA hält Alvaro für „desaströs“.
Die „Deutsche Content Allianz”, ein Zusammenschluss von ARD, ZDF, der Gema und Interessenverbänden, forderte am Freitag die Bundesregierung auf, das ACTA-Abkommen „ohne weitere Verzögerung” zu unterzeichnen.
Der unabhängige Verein Lobbycontrol kritisiert den Einfluss der Unterhaltungs- und Softwareindustrie auf die ACTA-Verhandlungen. So seien Branchenvertreter im Gegensatz zur Öffentlichkeit über den Verhandlungsprozess unterrichtet worden.
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