Digitalisierungen für Bibliotheken lohnen sich nicht
OLG Frankfurt schränkt den Paragraph 52b weiter ein
Ein viel disktutiertes Thema in den wissenschaftlichen Gemeinschaften und Bibliotheken in den letzten zwei Wochen war das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt im Fall Ulmer Verlag gegen die Landes- und Universitätsbibliothek Darmstadt, das am 24. November gefallen ist. Das Thema wird sicherlich weiter relevant bleiben, geht es doch um den Zugang zu Wissen, der ja immer noch großtenteils über Bibliotheken geschieht, jedenfalls wenn es um das kodifizierte wissenschaftliche Wissen geht.
Digitale Bücher sollen nach Willen des OLG Frankfurt und des Ulmer Verlages genauso funktionieren wie die aus Papier: Man setzt sich vor den Bildschirm und liest. Notizen macht man sich auf einem Blatt Papier neben der Tastatur. Es geht dabei um die Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt, die Bücher aus ihrem Bestand digitalisiert und für die Studenten zur Verfügung gestellt hat. Sie konnten ursprünglich die Bücher ausdrucken, kopieren und sogar auf ihrem USB-Stick mit nach Hause nehmen. Sie bezog sich dabei auf den Paragraphen 52a des Urheberrechtsgesetzes, der Bibliotheken und Archiven das Recht gibt, ihre Werke zu digitalisieren und in ihren Räumen zugänglich zu machen.
Dagegen legte der Ulmer-Verlag eine einstweilige Verfügung ein, über die zunächst das Landesgericht und danach in der Berufung das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zu entscheiden hatte. Am 24. November fiel das Urteil vor dem Oberlandesgericht; Anfang Dezember wurde die dazugehörige Urteilsbegründung veröffentlicht. Das Landesgericht hatte zwar zunächst die Praxis der Bibliothek eingeschränkt, aber immer noch erlaubt, dass Teile der Werke ausgedruckt werden dürften. Nun soll nicht einmal das möglich sein: Das OLG untersagte sowohl den teilweisen Ausdruck, als auch das Kopieren (auch von Teilen) auf eigene Datenträger.
Was ist ein Leseplatz?
Das Urteil des Oberlandesgerichts dreht sich zentral um den Begriff des „Leseplatzes“: An denen soll man nur lesen können; kopieren und markieren, kurz zeitgemäß mit einem Text arbeiten, gehört nicht dazu. Gabriele Beger vom Deutschen Bibliothekenverband nennt dies eine Rückkehr zum Stand mittelalterlicher Schreibstuben. Diese Auslegung des Begriffs „Leseplatz“ sei keineswegs zwingend, meint Eric Steinhauer in seinem Blog Bibliotheksrecht, und zöge nicht zwangsläufig ein Kopierverbot nach sich.
Geistiges Eigentum und Umsonstkultur
Der Börsenverein des deutschen Buchhandels begrüßte das Urteil. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipsis sieht das geistige Eigentum gestärkt: „Das Recht am eigenen Werk ist das Fundament der Arbeit von Autoren und Verlagen und garantiert ein vielfältiges Bildungs- und Wissensangebot.“ Damit sich die Unis dieses Angebot leisten könnten, sei die Bildungspolitik gefragt, die das notwendige Geld zur Verfügung stellen muss.
In der gleichen Pressemitteilung sieht Matthias Ulmer, Geschäftsführer des klagenden Verlags, die Verlage als Opfer einer Kostenlos-Kultur, der durch das Urteil eine Absage erteilt wurde: „Das Gericht hat klargestellt, dass die Beschränkung von Urheberrechten nicht zu exzessiven Nutzungen führen darf.“
Von den Interessen der Verlage, Nutzer und Urheber
Im Netethics-Blog gibt es gleich zwei Einträge von Rainer Kuhlen (Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft): „Sie tun, was sie meinen zu müssen, aber nicht, was sie sollen“ vom 25. November 2009, einen Tag nach der Urteilsverkündung einer der ersten Reaktionen zum Urteil, und am 6. Dezember unter „Gibt es so etwas wie eine scholastische Satire? Und spielen die Bibliotheken das Spiel mit?“ ein Kommentar der Urteilsbegründung.
Das Urteil engt den Spielraum, den der Gesetzgeber im Paragraphen 52a den Bibliotheken eingeräumt hat, sehr stark ein, schreibt er als erste Reaktion. Nun sei es natürlich Auslegungssache, wie ein Gesetz interpretiert wird und natürlich hat ein Verlag (in diesem Fall der Ulmer-Verlag) andere Interessen als eine Bibliothek, deren Aufgabe es ist Informationen für ihre Nutzer zur Verfügung zu stellen, aber das Urteil ist nicht das erste, dass Rechte der Allgemeinheit zugunsten von Privatinteressen einschränkt.
Kuhlen stellt die Frage, in wessen Namen denn solche Entscheidungen fallen und kommt zu dem Schluss, dass es wohl nicht im Namen oder im Interesse des Volkes wäre. Jedenfalls sollte das Urteil ein weiterer Ansporn sein, dass Wissenschaftler ihre Werke frei im Internet veröffentlichen. Interessant ist auch die Diskussion in den Kommentaren zwischen dem Autor und Matthias Ulmer, der Kuhlen ein eigenartiges Demokratieverständnis bescheinigt, aber auch seine Sicht auf das Urteil darstellt.
Bibliotheksarbeit eingeschränkt
Im zweiten Eintrag kommentiert Kuhlen die Urteilsbegründung, die in der Zwischenzeit veröffentlicht wurde, und bezeichnet sie als „Realsatire“. Im Prinzip sei es schon erlaubt, sich Privatkopien von Büchern zu machen, die von den Bibliotheken rechtmäßig digitalisiert worden seien (und diese Rechtmäßigkeit wurde auch vom Gericht anerkannt), jedoch nicht als Kopie auf dem Rechner, der ein reiner „Leseplatz“ sein muss, ohne Druckeranschluss und mit zugekleistertem USB-Anschluss. Man könne ja noch Handyfotos vom Bildschirm machen oder diesen gleich auf den Kopierer zu legen, gibt Kuhlen die Vorschläge der Internetgemeinde wieder, die das Urteil gleichfalls als absurd wahrgenommen hätte.
Einige Tage später schlägt das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft in seiner Presseerklärung zum Urteil scharfe Töne an: Es „kann das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) in Sachen § 52b UrhG nicht als angemessen oder gar zukunftsweisend akzeptieren“. Durch das Urteil ist das Recht der Bibliotheken auf die Digitalisierung ihrer eigenen Werke nicht gesichert und auch die Nutzer werden in ihrem Recht auf Privatkopie (nach Paragraph 53) weiter eingeschränkt.
Bisher ist noch nicht bekannt, ob das Verfahren weitergeht – die UB Darmstadt hat jedenfalls ihr digitales Angebot eingestellt. Die Studenten seien nun zum Abschreiben mit der Hand verurteilt: „In Zeiten elektronischer Medien, des Internets und der e-science ist das ein Anachronismus“ schreibt die UB in einer Pressemeldung zum Urteil. Aufgrund der Einschränkungen macht es jedoch keinen Sinn mehr digitale Werke anzubieten.
4 Kommentare
1 domingos am 17. Dezember, 2009 um 07:58
Ein Stück Realsatire. Vielleicht sollte man sich einen Mönch engagieren, der einem wichtige Zitate vom Bildschirm abschreibt.
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