neue musikzeitung: Schwerpunkt zum Urheberrecht
“…die Interessen der Rechteinhaber in den Mittelpunkt von Gesetzesänderungen im Urheberrecht zu stellen…”
In der Juni-Ausgabe der neuen musikzeitung (die schreiben sich tatsächlich klein!) gibt es einen Schwerpunkt zum Urheberrecht, insbesondere zu den Empfehlungen zum Urheberrecht der Enquete-Kommission “Kultur in Deutschland”. Folgende Artikel enthält der Schwerpunkt:
- Die Idee des geistigen Eigentums als bürgerliches Relikt — Als Allgemeingut im Netz: die Werke Gustavo Becerra-Schmidts sind „open score“ · Von Wolfgang Martin Stroh
- Neues aus dem Grand-Tokio-Hotel-Abgrund — Urheberrecht als musikalische Warenkunde · Von Martin Hufner
- Transparenz und kulturelle Verantwortung — Die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zum Urheberrecht
- Offenlegung versus Wettbewerbsnachteil — Die Position der GVL zu den Empfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
- Chancengleichheit ist gefragt — Stellungnahme der VG Bild-Kunst zum Enquete-Bericht
- Die Aufsichtsbehörde stärken — Die VG Musikedition zum Schlussbericht der Enquete
- Eine Zweiklassengesellschaft verhindern — Kommentar der VG Wort zu den Empfehlungen der Enquete-Kommission
Den 512-Seiten-Bericht der Enquete-Kommission gibt es als PDF online.
Der Bericht befaßt sich in Abschnitt 4.3.3 mit den Urheber- und Leistungsschutzrechten. Abschnitt 4.3.4 ist der Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten gewidmet.
Bei den Handlungsempfehlungen heißt es auf Seite 266f.:
“1. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag, die Interessen der Rechteinhaber in den Mittelpunkt von Gesetzesänderungen im Urheberrecht zu stellen. Das Urheberrecht soll ihnen die verfassungsmäßig garantierte angemessene Vergütung ermöglichen. Dieses Recht darf durch die Interessen von anderen Wirtschaftszweigen, wie der Geräteindustrie, nicht außer Kraft gesetzt werden.
2. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, erneut zu prüfen, mit welchen Regelungen und Maßnahmen im
Urhebervertragsrecht eine angemessene, an die wirtschaftlichen Verhältnisse angepasste Vergütung für alle Urheber und ausübenden Künstler erreicht werden
kann, da die bisherigen Regelungen im Urhebervertragsgesetz unzureichend sind.3. Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Deutschen Bundestag, in § 59 Absatz 1 Urhebergesetz eine Vergütungspflicht für die Abbildung von Werken – ausgenommen Bauwerken – im öffentlichen Raum einzuführen, die dann eintritt, wenn die Abbildung gewerblich verwertet wird und die Darstellungsabsicht sich auf das jeweilige Werk richtet.”
In Punkt 1 sticht mir insbesondere die undifferenzierte Empfehlung ins Auge. Weder wird auf die Bedürfnisse der Urheber noch auf die der Allgemeinheit ausdrücklich eingegangen. Stattdessen wird den Wünschen der Rechteinhaber — und das sind in der Praxis Verwerter wie Verlage, Filmstudios, Plattenfirmen usw. — undifferenziert nachgekommen. Von einer Güterabwägung findet sich keine Spur. Man könnte den Eindruck gewinnen, für die Enquete-Kommission reduziert sich Kultur auf die materiellen Bedürfnisse der Verwerter.
Ich zweifle stark daran, daß dem Anliegen der Kulturförderung auf diese Weise angemessen Rechnung getragen wird.
Was sagen Sie dazu?