Die Filmwirtschaft und die “unscharfe Lehre” vom Urheberrecht
Die Zukunft Kino Marketing GmbH (“eine Tochtergesellschaft des HDF KINO e.V., des Multiplexverbandes Cineropa und des Verbandes der Filmverleiher e.V.”) will — genau wie Microsoft — deutschen Schülern ab Klasse 3 das Urheberrecht beibringen. Dazu wird im Rahmen der Initiative RESPE©T COPYRIGHTS im Internet Unterrichtsmaterial kostenlos zur Verfügung gestellt.
Genau wie Microsoft hat aber auch die Zukunft Kino Marketing GmbH ganz offensichtlich erhebliche Schwierigkeiten mit dem Urheberrechtsverständnis.
Beispielsweise beinhaltet das Lehrerblatt B2 eine Art Quizz, in dem nach dem Schema “erlaubt/verboten” das Schülerwissen abgefragt wird. Eine der Fragen lautet, ob es erlaubt oder verboten sei,
“Urheberrechtlich geschützte Inhalte in Peer-to-Peer-Netzwerken zur Verfügung stellen”
Die korrekte Antwort laut Lehrerblatt B2?
“Verboten”
@Zukunft Kino Marketing GmbH: Leider ist die Antwort so nicht richtig.
Es kommt in erster Linie nicht darauf, ob die Inhalte, die man in einem Peer-to-Peer-Inhalte zur Verfügung stellen will, urheberrechtlich geschützt sind, oder nicht; es kommt vielmehr in erster Linie darauf an, ob man eine Genehmigung dazu hat, oder nicht. Das betrifft heutzutage nicht zuletzt die stetig wachsende Menge urheberrechtlich geschützter Inhalte, die unter einer Creative-Commons-Lizenz verfügbar sind und mit Genehmigung daherkommen. Wenn ich die Erlaubnis (“Lizenz”) dazu habe, dann darf ich selbstverständlich “[u]rheberrechtlich geschützte Inhalte in Peer-to-Peer-Netzwerken zur Verfügung stellen”. Nur, wenn ich eine solche Erlaubnis nicht habe, und auch keine gesetzliche Ausnahmebestimmung dafür existiert, dann ist es mir verboten. So kompliziert ist das in der Praxis.
Zum “Unterrichtsmaterial” gehören unter anderem auch Plakate und Spots aus der Kampagne „Hart, aber gerecht!“. Zur Begründung wird in Lehrerblatt B4 angeführt:
“Laut eines Schreibens der Initiatoren der Kampagne „Hart, aber gerecht!“ sollen „die provokativ-humorvollen Spots dazu anregen, illegale Filmkopien kritisch zu hinterfragen.”
Nicht überall kamen diese Spots aber gut an. Der virtuelle Ortsverein (VOV) der SPD befand (via Golem.de) angesichts eines der “provokativ-humorvollen” Filmspots — in dem der Eindruck erweckt wird, daß zwei ins Gefängnis eingelieferten, jugendlichen “Raubkopierern” die unmittelbare Vergewaltigung durch ältere Häftlinge drohen würde –:
“Mit ihrer Kampagne ‘Hart aber gerecht’ zeigt die Filmindustrie ein menschenverachtendes Weltbild!”
Solche Spots als Lehrmaterial ab Klasse 3 an deutschen Schulen?
Und überhaupt die Wortwahl…
Auf dem schon erwähnten Lehrerblatt B4 wird ausgeführt:
“Bis zu 5 Jahre Haft und zivilrechtliche Forderungen sind in Raubkopierfällen möglich.”
@Zukunft Kino Marketing GmbH: Leider ist die Aussage so nicht richtig.
Auf Lehrerblatt B5b heißt es weiter zu einer vorgeschlagenen Diskussion:
“Es sollte im Laufe der Diskussion deutlich werden, dass Raubkopierer zu bis zu fünf Jahren Haft bzw. bis zu 50.000 Euro Strafe verurteilt werden können.”
Frage @Zukunft Kino Marketing GmbH: Hier sollen die Lehrer also unmittelbar dazu angehalten werden, Falschinformationen der Filmindustrie als Unterrichtszweck zu verbreiten?
Weder im deutschen Straf- noch im Zivilrecht gibt es den Tatbestand des “Raubkopierens”, folglich kann auch niemand als “Raubkopierer” verurteilt werden. Eine solche Aussage in “Lehrmaterial” unterzubringen, untergräbt die Glaubwürdigkeit des Themas Urheberrecht und trägt ganz sicher nicht dazu bei, echtes Verständnis zu vermitteln. “Respect” für das “Copyright” wird man auf Dauer mit Desinformation nicht erreichen.
Wenn gemeint ist, daß Urheberrechtsverletzungen zivil- und strafrechtlich verfolgt werden können, dann sollte das auch so gesagt werden. Formulierungsvorschlag:
“In Fällen von Urheberrechtsverletzungen drohen zivil- und strafrechtliche Sanktionen.”
Auf Schülerblatt B1 geht es um die GEMA. Dort steht unter anderem:
“Die GEMA nimmt durch Lizenzgebühren Gelder ein und verteilt sie an Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Sparten.”
@Zukunft Kino Marketing GmbH: Die Aussage ist nicht ganz falsch, aber auch nicht wirklich richtig.
Was sagt die GEMA selbst?
“Wir schützen und fördern die Urheber von Musik, vertreten die Interessen der Komponisten, Textdichter und ihrer Verleger weltweit und begleiten aktiv die Musikmärkte.”
Es geht also bei der GEMA nicht einfach nur um “Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Sparten”, sondern um “Komponisten, Textdichter und [ihre] Verleger”.
“Künstlerinnen und Künstler” sind im Bereich der Musik im üblichen Sprachgebrauch diejenigen, die Musik “aufführen” oder “vorführen” — die “ausübenden” Künstlerinnen und Künstler. Diese sind keineswegs automatisch gleichzusetzen mit den Urhebern der Musik, den “Komponisten” und “Textdichter[n]”.
Künstlerinnen und Künstler erhalten für ihre musikalischen Darbietungen Geld von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL):
“Die GVL ist die urheberrechtliche Vertretung der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller. Ihre Träger sind die Deutsche Orchestervereinigung e.V. (DOV) und der Bundesverband Musikindustrie e.V..
Ausübende Künstler sind Musiker, Sänger, Tänzer, Schauspieler und alle sonstigen Werkinterpreten. Tonträgerhersteller sind Schallplatten- bzw. CD-Firmen und sonstige Tonträger-Produzenten mit eigenem Label.”
So kompliziert ist die Sache mit der GEMA und der GVL, den Textdichtern, Komponisten, Musikern, Musikverlagen und Plattenfirmen. In einem Satz läßt sich das ganz sicher nicht darstellen.
Ich spare mir an dieser Stelle, das Unterrichtsmaterial der Filmwirtschaft noch weiter zu prüfen. Mein Fazit: Durchgefallen!
An Lehrer und Schüler geht mein Rat: Finger weg von solchem Unterrichtsmaterial.
Mein Rat @Zukunft Kino Marketing GmbH: RESPE©T COPYRIGHT!
(Allem Anschein nach hat man bei der Zukunft Kino Marketing GmbH ja noch einigen Nachholbedarf in Sachen Urheberrecht…)
Was sagen Sie dazu?