Worüber GEMA und Youtube streiten
Original-Musikinhalte sind hierzulande auf der Video-Plattform Youtube in der Regel gesperrt. Immer öfter lesen Nutzer den Satz: „Dieses Video ist in Deutschland leider nicht verfügbar.“ Hintergrund ist ein Streit der Google-Konzerntochter Youtube mit der Verwertungsgesellschaft GEMA, die Urheberrechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern vertritt. Im Kern geht es ums Geld. Was muss Youtube der GEMA zahlen, wenn es ihr Repertoire online verbreitet? Seit 2009 haben die Streitparteien keine Einigung gefunden.
Der jahrelange Zwist geht nicht nur Nutzern auf die Nerven, auch Musiker und Plattenfirmen regen sich auf. „Regelt euren Scheiß jetzt endlich mal“, ließ die Hiphop-Band Deichkind verlauten als ihr Musikvideo vorübergehend auf Youtube geblockt wurde. Die GEMA lizenziere Urheberrechte sehr restriktiv, kritisiert Edgar Berger, Chef von Sony Music International: „Uns gehen dadurch Millionenumsätze verloren.“ Die Macher eines Anonymous-Videos schlagen sich auf die Seite des US-Unternehmens, werfen der GEMA „überzogene Forderungen“ an Youtube vor und drohen ihr mit „weiteren Maßnahmen“.
Auf der anderen Seite greift der Rockmusiker Sven Regener („Element of Crime“) Youtube und die Konzernmutter Google an. „Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass diejenigen, die den Inhalt liefern, nichts bekommen, das ist kein Geschäftsmodell, das ist Scheiße“, wetterte Regener kürzlich im Interview mit dem Bayrischen Rundfunk.
GEMA kann Nutzungsrechte nicht verweigern
Wer versucht, den Konflikt zu durchschauen, gerät in einen von beiden Seiten trickreich geführten Rechtstreit. Youtube begründet Sperrungen damit, dass das Video „möglicherweise Musik enthält, für die die erforderlichen Musikrechte von der GEMA nicht eingeräumt wurden.“ Allerdings heißt das nicht, dass die GEMA die Rechte aktiv verweigert hat. Das darf die Verwertungsgesellschaft auch gar nicht. Der Gesetzgeber hat den De-Facto-Monopolisten dazu verpflichtet, erstmal jedem die Nutzungsrechte für GEMA-geschützte Inhalte einzuräumen – auch dann, wenn sich die Verwertungsgesellschaft mit dem Nutzer nicht über die Vergütung einigen konnte.
Normalerweise würde der Streit zwischen Youtube und der GEMA bei der zuständigen Schiedsstelle landen, angesiedelt beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Bis zu einer Entscheidung der Schiedsstelle könnte Youtube die Videos mit GEMA-geschützten Inhalten zeigen, müsste aber den unstrittigen Teil der Vergütung an die GEMA zahlen und den strittigen Teil beim DPMA hinterlegen. „Youtube kann alle GEMA-geschützten Inhalte anbieten, wenn es sich an den gesetzlichen Rahmen hält“, erklärt Alexander Wolf, Syndikus der GEMA für internationale Rechtsfragen, im Interview mit iRights.info. Wolf weist entsprechend alle Verantwortung für die Sperrungen zurück: „Die Sperrung vieler hunderttausender Videos wird durch die GEMA nicht veranlasst.“
Warum Youtube nicht zur Schiedsstelle geht
Die Sache hat allerdings einen Haken. Youtube ruft die Schiedsstelle nicht an. Zur Begründung erklärt Youtube, anders als von der GEMA dargestellt, sei man selbst kein Anbieter von Inhalten, also kein „Content-Provider“, sondern liefere nur die Infrastruktur zum Video-Hochladen, man sei also eine „Hosting-Plattform“, die keinen Einfluss auf die Inhalte nimmt. Deshalb sei die Schiedsstelle beim DPMA nicht zuständig. „Das Hinterlegungsverfahren, dass in einem solchen Fall den Betrieb eines Dienstes auch bei nichterfolgter Einigung mit der GEMA regelt, steht Hosting-Plattformen nicht offen“, sagt Mounira Latrache, Pressesprecherin von Youtube Deutschland, im Interview mit iRights.info.
GEMA-Vertreter Wolf widerspricht. „Unsere Position ist, dass Youtube nicht als Hosting-Plattform eingestuft werden kann.“ Youtube mache sich die gezeigten Inhalte zu Eigen. „Das Unternehmen schaltet gezielt je nach Inhalt der Clips Werbung, das heißt sie ‘arbeiten’ mit dem Reportoire.“ Youtube sei deshalb auch ein Content-Provider.
Warum Youtube so viele Videos sperrt
Deutsche Gerichte haben noch nicht abschließend geklärt, ob Youtube tatsächlich ein reiner Hosting-Service ist oder doch ein Content-Provider. Das ist ein Grund, warum die Streitparteien nicht vorankommen. Denn von dieser Frage hängt ab, ob sich Youtube prinzipiell auf das von GEMA vorgeschlagene Vergütungsmodell einlassen muss. Bislang lehnt Youtube die GEMA-Tarife für Content-Povider, in diesem Fall für Musik-Streaming-Dienste, ab. Sie sind Youtube schlichtweg zu hoch.
Die GEMA versucht derweil, Youtube vor Gericht als Content-Provider darzustellen, aktuell in einem laufenden Verfahren vor dem Landgericht Hamburg. Zwar geht es konkret nur um die Sperrung von 12 GEMA-geschützten Musikvideos, allerdings fürchtet Youtube einen Präzedenzfall. „Die GEMA führt dieses Verfahren als Musterverfahren, so dass die Entscheidung Auswirkungen auf alle von der GEMA vertretenen Werke auf Youtube haben kann“, erklärt Latrache. Weil Youtube nicht absehen kann, ob es eventuell doch als Content-Provider an die GEMA zu zahlen hat, sperrt es prophylaktisch Videos. „Der GEMA-Tarif für werbefinanziertes Musikstreaming stellt im Zusammenhang mit dem laufenden GEMA-Rechtsstreit ein unvertretbar hohes finanzielles Risiko dar und orientiert sich nicht an den Realitäten des Marktes“, begründet Latrache die Sperrungen.
Der Kampf um die Mindestvergütung pro Stream
Außenstehende mögen sich fragen, warum GEMA und Youtube den Streit um die Vergütungen über Umwege vor Gericht austragen. Hört man die Youtube-Sprecherin Mounira Latrache, könnte man meinen, eine außergerichtliche Einigung wäre gar nicht so schwer. „Wir sind bei der Regelvergütung sehr nahe beieinander.“ Problematisch ist Latrache zufolge allerdings die Abrechnungsmethode. Die GEMA will Mindestvergütungen pro Stream. Das heißt, jedes Mal, wenn ein Nutzer sich ein Youtube-Video mit GEMA-geschützten Musikinhalten anschaut, müsste YouTube dafür eine Gebühr an die GEMA abführen.
Youtube argumentiert, diese Abrechnungsmethode passe nicht zum eigenen Geschäftsmodell, da nicht mit jedem Videos Werbeeinnahmen erzielt werden. Man will von der GEMA anders behandelt werden als die Online-Shops Itunes oder Amazon, die an jedem einzelnen Musik-Download feste Beträge verdienen. „Die GEMA beharrt weiterhin auf einer abrufbezogenen Mindestvergütung, einem Konstrukt, welches aus dem Paid-Download-Bereich kommt und mit der Realität von werbefinanzierten Services nichts zu tun hat“, erklärt Latrache.
Ein Ausweg wäre, dass Youtube die Videos, die ihre GEMA-Gebühren nicht über Werbung wieder reinholen, aus dem Angebot entfernt. Auf eine solche Angebotsbeschränkung will sich das Unternehmen aber nicht einlassen. Stattdessen möchte Youtube die GEMA prozentual an den Werbeeinnahmen beteiligen. Diese Abrechnungsmethode praktiziert das Unternehmen mit 24 anderen Verwertungsgesellschaften weltweit.
GEMA: Einnahmen im Ausland „erschreckend niedrig“
Die GEMA ist damit allerdings nicht zufrieden. „Wir sehen, wie erschreckend niedrig die Einnahmen der Künstler in Ländern wie Großbritannien und Italien aus den Verträgen mit Youtube sind“, sagt GEMA-Vertreter Wolf. „Das bestätigt uns darin, dass wir die Youtube-Vorschläge nicht akzeptieren können.“
Die GEMA argumentiert, dass Youtube nicht nur im direkten Umfeld der Musikvideos Geld verdient. Entscheidend seien die Gesamteinnahmen des Unternehmens. Youtube beziehungsweise der Mutterkonzern Google verdiene auch mit den Nutzerdaten. „Googles Schatz sind die Daten, die das Unternehmen wiederum für andere Angebote nutzen kann, auch für gezielte Werbung an anderer Stelle“, erklärt Wolf. Wegen dieser Daten sei Google mit einem Marktwert von mehreren 100 Milliarden Dollar eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. „Man kann die Google-Tochter Youtube nicht isoliert sehen, sondern nur im Verbund mit dem Gesamtkonzern.“ Youtube und Google generierten mit Musik Milliardenumsätze.
Die GEMA sieht in Punkto „Mindestvergütung pro View“ keinen Verhandlungsspielraum. „Von der Mindestvergütung pro Stream abzurücken, wäre mit einer enormen Vergütungsabsenkung verbunden“, so Wolf.
Die GEMA will kämpfen
Um welche Größenordnungen gerungen wird, ist schwer nachzuvollziehen. Beide Parteien haben Verschwiegenheit über die Details ihrer Verhandlungen vereinbart. Allerdings hat der Blogger Johnny Haeusler Vergleichszahlen recherchiert. Ein deutscher Musikverlag, der international tätige Urheber vertritt, hat ihm Einblick in seine Youtube-Abrechnungen aus Großbritannien gewährt. Demnach erhält der Verlag dort für eine Million Streams im Durchschnitt 190 Euro.
Ob der verfahrene Streit nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg am 20. April schnell zu klären ist, bleibt fraglich. Auch wenn die Richter Youtube nicht als Content-Provider einstufen, will sich die GEMA noch nicht geschlagen geben. „Die GEMA wird auch weiterhin um eine angemessene Vergütung kämpfen und sich nicht mit extrem niedrigen Vergütungen abspeisen lassen“, erklärt Wolf.
1 Kommentar
1 Nico am 8. April, 2014 um 12:37
Ich finde, man sollte Musik online sehen dürfen, so lange man sich die Musiktitel nicht herunter lädt.
Was sagen Sie dazu?