Warum DJs für Kopien bezahlen sollen
Die Protestwelle rollt. Mehr als 20.000 Menschen haben bereits eine Online-Petition gegen die sogenannte DJ-Abgabe (VR-Ö) unterzeichnet. Ab dem 1. April sollen DJs dafür an die GEMA zahlen, dass sie ein Set mit Musik-Kopien bestreiten, die sie von ihren legalen Downloads, CDs und Schallplatten angefertigt haben. „Unfassbar“ gehört noch zu den harmlosesten Kommentaren im Netz.
Tatsächlich stellt sich intuitiv die Frage: Warum? DJs zahlen bereits GEMA-Gebühren beim Erwerb von Musik. Außerdem führen sie Abgaben auf Geräte und Speichermedien wie Festplatten, CD-Rohlinge und USB-Sticks ab – auch an die GEMA. Schließlich zahlen auch die Clubs an die GEMA, wenn der DJ auflegt. Warum also auch noch die Kopiergebühr, wenn einfach nur die Urheber vergütet werden sollen, deren Musik im Club gespielt wird?
Laptop-Zuschlag wird zur DJ-Gebühr
Die GEMA kann zunächst für sich in Anspruch nehmen, dass sie Vorgaben ihrer Aufsichtsbehörde folgt, des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA). Das DPMA hatte vor Jahren gefordert, den Tarif-Dschungel bei Musikveranstaltungen zu entwirren. Bislang zahlten die Clubs und Diskotheken pauschal dafür, dass bei ihren Veranstaltungen Musikkopien verwendet werden. Die DJs hatten damit nichts zu tun. Doch der sogenannte Laptop- oder Digital-Zuschlag der Clubs fällt im Rahmen der GEMA-Tarifreform für Musikveranstalter weg. Darauf einigten sich die Beteiligten in den – noch laufenden – Verhandlungen. Die GEMA machte den Clubs im heftig geführten Streit um höhere Tarife also ein Zugeständnis.
Jetzt kommt die DJ-Gebühr ins Spiel. Denn im GEMA-Universum ist es selten, dass ein Zahlungsgrund einfach wegfällt. Die GEMA selbst spricht von einer „Lizenzierungslücke“, die sich auftue. Irgendwer muss für die Kopien zum Zweck der Veröffentlichung Lizenzgebühren abführen. Das sind jetzt die DJs.
Ganz einfach ist es nicht zu verstehen, warum es einen kostenpflichtigen Unterschied machen soll, wenn der DJ eine Kopie statt der „Originaldatei” abspielt. Musik ist Musik, könnte man meinen. „Diese Vorgehenswiese hat sich die GEMA nicht ausgedacht“, kontert eine Sprecherin gegenüber iRights.info. „Wir folgen hier nur dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz“.
Wie eine Privatkopie lizenzpflichtig wird
Das Urheberrechtsgesetz sagt: Wann immer ein Titel kopiert wird, erhalten die Urheber von den jeweiligen Nutzern eine Vergütung. Wenn es sich um eine Kopie für private Zwecke handelt, dann gibt es eine Vergütung über die sogenannten Privatkopie-Abgaben – also etwa über die Abgaben auf USB-Sticks und CD-Rohlinge. Voraussetzung für eine Privatkopie ist allerdings, dass sie nicht öffentlich genutzt wird.
Das führt zur Begründung der DJ-Gebühr. Der DJ spielt seine Musik-Kopie in Clubs und Diskotheken – eine sogenannte öffentliche Wiedergabe. Im System des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes findet also eine Verwandlung statt: aus der bereits abgegoltenen Privatkopie wird eine lizenzpflichtige Vervielfältigung, sobald der DJ die Kopie nutzen will.
Wie sieht der neue Tarif im Detail aus?
Ab dem 1. April 2013 müssen alle DJs 13 Cent für jedes Musikwerk zahlen, das sie zum Zweck der öffentlichen Wiedergabe kopiert haben. Die wichtigste Frage in dem Zusammenhang ist stets, wie die Datei auf die Festplatte gelangt ist. Zur Kasse wird man gebeten, wenn man den Inhalt zwecks öffentlicher Wiedergabe auf eine Festplatte, einen USB-Stick oder eine CD kopiert. Das gilt übrigens auch für Gast-DJs, die aus dem Ausland stammen, sofern die Kopien hierzulande angefertigt wurden.
Privatpartys weiterhin kostenlos
Im privaten Rahmen können DJs Kopien weiterhin kostenlos nutzen. Schließlich kommt es hier nicht zur sogenannten „öffentlichen Wiedergabe”. Die private Geburtstagsparty bleibt also beim Tarif „VR-Ö” außen vor.
Ist die Einzelabrechnung nicht viel zu kompliziert?
Man fragt sich natürlich, wie praktikabel es ist, wenn der DJ all seine Kopien durchzählt und der GEMA meldet, welches Lied er wie oft auf seinem Laptop, seinen USB-Sticks und seinen CD-Rohlingen hat. Die GEMA bietet deshalb eine Pauschale. Im Fall einer „Komplettlizenzierung“ des bestehenden Repertoires an Kopien werden 125 Euro fällig. Dann hat der DJ vor der GEMA seine Ruhe. Es sei denn, seine Computer und seine Speichermedien geben den Geist auf und er muss neu kopieren. Dann muss er auch neu lizenzieren.
Ab 2014 kann die Lizenzierung dann nur für eine einmalige Pauschale von 50 Euro für bis zu 500 Werke vorgenommen werden, die im Jahr 2015 auf 55 Euro ansteigt. Alternativ ist immer die Lizenzierung zum Stückpreis für 13 Cent pro Werk möglich.
Wer will das kontrollieren?
Wie man kontrollieren will, ob das GEMA-Repertoire lizenziert wurde, bleibt fraglich. Wollte die GEMA etwa den Laptop und die USB-Sticks des DJs durchsuchen, müsste dieser erst vertraglich einem „Kontrollrecht“ der GEMA zugestimmt haben. Doch was ist, wenn sich die DJs einfach weigern, einen „Kontrollvertrag“ zu unterschreiben? „Wenn sich DJs verweigern sollten, bleibt der GEMA letztendlich nur der Weg, Auskunft auf juristischem Wege zu erlangen“, so die Sprecherin.
Die GEMA müsste also Beweise sammeln und im Extremfall Anzeige erstatten, um eine Laptop-Kontrolle durchzusetzen. Wie die GEMA den Kontrollaufwand personell leisten soll, ist ebenfalls offen. Sollte ein DJ seine Kopien nicht der GEMA melden und wird erwischt, drohen ihm Schadensersatzforderungen. In ähnlichen Fällen hat der Bundesgerichtshof einen Straf-Zuschlag von 100 Prozent der nicht gezahlten Gebühr als angemessen erachtet.
Was passiert mit Promo-Musik?
Ein häufiger angesprochenes Problem sind auch Promotion-CDs und -Downloads, die Plattenlabels vielen DJs kostenlos zuschicken. In diesem Fall übernehmen die Labels die Lizenzierung. Eine Vereinbarung zur Kompensation der GEMA steht derzeit noch aus. Hier sind die Plattenlabels am Zug, nicht die DJs.
Wem nützt der ganze Aufwand?
Auch wenn sich die GEMA die DJ-Gebühr nicht „ausgedacht“ hat, sie erschließt sich mit den DJs eine völlig neue Gruppe von Lizenzgebührenzahlern. Doch ist noch völlig unklar, ob am Ende die GEMA-Musiker tatsächlich profitieren. Die GEMA-Sprecherin lässt schon einmal durchblicken, dass die DJ-Gebühr die Einnahmen aus der früheren Laptop-Abgabe der Clubs nicht kompensieren wird, im Gegenteil. Rein auf dem Papier mache die GEMA ein Minus.
Hinzu kommen Unsicherheiten: Wie hoch sind die zusätzlichen Verwaltungskosten, wenn nun Tausende DJs mit der GEMA Verträge schließen und Meldung machen? Was kostet es, die Zahlungen der Gebühr zu kontrollieren oder gar auf juristischem Weg durchzusetzen? Was passiert, wenn viele DJs nur noch mit „Original”-CDs, -Downloads und Streaming-Angeboten arbeiten, um sich den ganzen Stress mit den Kopierlizenzen zu sparen?
Trotz der Unwägbarkeiten und des Unmuts hält es die GEMA für richtig, die DJs statt der Clubs zur Kasse zu bitten. „Weil es aus unserer Sicht gerecht ist, dass die Lizenzierung der Vervielfältigungen künftig über denjenigen erfolgt, der sie vorgenommen oder beauftragt hat“, sagt die Sprecherin. Es sei „nicht denkbar”, die Gebühr wieder in den Veranstaltungstarif zu integrieren, heißt es kategorisch in einer Erläuterung zum neuen Tarif.
Wem schadet der ganze Aufwand?
Ganz klar der GEMA. Wie die Reaktionen im Netz zeigen, kann kaum einer die DJ-Gebühr nachvollziehen. Ein neues Kommunikations- und Image-Desaster für die GEMA. Daneben trifft die Abgabe natürlich die DJs. Speziell für die weniger bekannten sind 125 Euro viel.
Wie könnte die GEMA jetzt punkten?
Sie könnte zumindest auf den viel gehörten Vorwurf eingehen, dass die Gebühren gar nicht bei den Musikern landen, die in den Clubs gespielt werden. Dazu rät zumindest der Kölner DJ und Rechtsanwalt Stephan Benn. Speziell die Macher elektronischer Musik beziehen nur geringe GEMA-Tantiemen. Bei einer Maxi-Schallplatte sind es oftmals nicht mehr als 50 bis 100 Euro. Elektronische Musik wird auch selten im Radio gespielt, was die Ausschüttungen weiter drosselt.
Außerdem werden mittlerweile viele Downloads über Downloadshops abgewickelt, die die Lizenzierung im Ausland durchführen und zumeist nicht über die GEMA an die Urheber abgerechnet werden. Laut Benn müsse man im Clubbereich deshalb weg von der pauschalen hin zu einer nutzungsbezogenen Ausschüttung. Eine solche Verteilung könne nur auf einem automatisierten Monitoring der tatsächlichen Musik-Wiedergabe in den Clubs fußen. Derzeit würden solche Monitoringsysteme erprobt, beispielsweise auf Basis einer verifizierten Datenbank mit Fingerprints.
Die GEMA selbst scheint bei der Verteilungsgerechtigkeit keinen Handlungsbedarf zu sehen. Man verteidigt das bisherige System, in ausgewählten „Diskotheken” Stichproben zu machen, um abzuschätzen, welche Musik gespielt wird. „Im Bereich der Diskotheken wird heute nach einem statistisch abgesicherten Monitoring-Verfahren verteilt”, so die Sprecherin. „Somit ist die Verteilung aus Sicht der GEMA-Mitglieder auch leistungsgerecht.”
Foto: audiotecna, CC BY.
5 Kommentare
1 Martino am 28. März, 2013 um 14:58
Einfache Sache!
Damit fällt das kaufen, spielen, und kopieren von GEMA Musik einfach mal weg.
Das kann sich nur noch der EdelClub leisten mit hörenden Eintrittsgeldern.
Es braucht sowas dringend die c3s ( http://www.c-3-s.eu/ )als GEMA alternative!
2 Horst am 28. März, 2013 um 18:17
Wir sollten die DJs abschaffen…. Die Clubs haben doch schon die Anlage und die CD Player gekauft – warum sollte man noch einen vollkommen überbezahlten Knöpfchendrücker bezahlen. Die Leute kommen schliesslich wegen der Musik und die kann man ja auch vorher zusammenstellen und nur noch einlegen – genauso wie Martino GEMAfreie Hits spielen will. Viel Spass bei dem Versuch…. ;-) Da wird der Laden ja brummen gell. :-)))))
H
3 Lukas am 28. März, 2013 um 18:21
@Martino: Aber Dir ist schon kar, dass die C3S diese Rechte auch wahrnehmen muss/sollte/wird und eine Alternative zur GEMA, die den Künstlern weniger Einnahmen beschehrt, eine denkbar schlechte Alternative wäre. Michalke und Kollegen geht es ja auch um eine bessere Vergütung von Komponisten und Textern….
CC heißt nicht “umsonst”!!!
4 sven am 2. April, 2013 um 22:29
Nicht umsonst. Aber fair… ;-)
5 michael vrbatka am 16. November, 2014 um 11:41
hallo an alle!
so ´nen Blödsinn wie von Horst hab´ ich schon lange nicht mehr gelesen. Knöpfchendrücker? Du hast keine Ahnung vom auflegen. Die Idee von vorgefertigten Playlists, zusammengestellten Titeln wird nicht funktionieren da man auf die Laune/Stimmung der Leute eingehen muss und ihre Wünsche. In Wien gab es einen Club der dieses probierte und megamäßig scheiterte. Soviel mal dazu. Meine Wenigkeit spielt Titel außerhalb des Mainstreams, da kannste einpacken mit vorgefertigten Playlists da Du auf die Stimmung achten musst. Nur Hits? da laufen Dir die Leute davon. Außerdem lege ich NICHT mit Laptop auf, nur Vinyl oder CD. Und jeder der auflegen ERLERNT hat weiß das es NICHT einfach ist. Software reagiert NICHT auf Wünsche, Stimmung oder Stile. Also braucht man UNS Knöpfchendrücker. Es gibt nicht nur DJ´s die Songs mit identischen BPM spielen. in dem Sinne. lg aus Wien
Was sagen Sie dazu?