VG Wort: Seitenbetreiber trickste Vergütungssystem aus

Die VG Wort hat einen Webseitenbetreiber abgemahnt, dem sie einen Missbrauch ihres Vergütungssystems vorwirft. Er soll nun unter anderem rund 70.000 Euro an die Verwertungsgesellschaft zurückzahlen. Die Ausschüttungen soll er sich durch manipulierte Webseiten erschlichen haben. Darauf weist die Kanzlei Heidicker, die den Seitenbetreiber vertritt, in einem Posting auf der Anwaltswerbeplattform anwalt.de hin.
Die Rechtsabteilung der VG Wort bestätigte das Vorgehen auf Anfrage von iRights.info. Demnach habe der Seitenbetreiber Texte nur deshalb generiert und veröffentlicht, um Vergütungen der Verwertungsgesellschaft zu erhalten, die ihm nicht zugestanden hätten. Die VG Wort bietet Seitenbetreibern die Möglichkeit, sogenannte Zählpixel zu verwenden. Werden die Texte häufiger aufgerufen, erhalten Autoren anteilige Ausschüttungen aus Kopiervergütungen, unter Umständen auch Verlage.
Verwertungsgesellschaften
Verwertungsgesellschaften verwalten Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche an den Werken von Urhebern. Werden die Werke wirtschaftlich genutzt, sammeln sie meist pauschale Abgaben ein, zum Beispiel die „Bibliothekstantieme“ für das Verleihen von Büchern oder die „Leermedienabgabe“ für privates Kopieren. Die Einnahmen schütten sie an Urheber und zum Teil an andere Rechteinhaber aus. Bekannte Einrichtungen sind etwa die GEMA, die VG Bild-Kunst oder die VG Wort. Mehr zum Thema.
Auf welche Weise der Seitenbetreiber genau vorgegangen ist, wollte die VG Wort unter Verweis auf mögliche Nachahmer nicht sagen. Es handele sich um eine Variante des „Text-Spinnings“. Die Methode ist aus der Suchmaschinen-Optimierung bekannt. Dabei werden Texte mittels Software oder von menschlichen Autoren mehr oder weniger stark variiert, um viele, scheinbar einzigartige Inhalte zu erzeugen. Auch seien die Texte des Seitenbetreibers nicht dazu bestimmt gewesen, von echten Nutzern abgerufen zu werden, so die VG Wort.
Schon länger war in Autorenkreisen die Sorge geäußert worden, das Zählpixel-System der VG Wort sei anfällig für Manipulationen. Von möglichen weiteren Versuchen ist bislang nichts bekannt. Die VG Wort betonte, sie entwickele ihr System zur Betrugserkennung „ständig weiter“ und gehe verdächtigen Fällen nach. Bei der Abmahnung handele es sich um ein gezieltes Vorgehen im Einzelfall, nicht um massenhaft verschickte Schreiben, wie sie aus anderen Bereichen bekannt sind, etwa bei Abmahnungen an Filesharing-Nutzer.
3 Kommentare
1 Ilja Braun am 5. April, 2018 um 21:41
Das wird spannend. Weder ist die “hinreichende Kopierwahrscheinlichkeit“, die die VG WORT für METIS-Meldungen verlangt, von 53 UrhG gedeckt, noch gibt es irgendeine weitere Voraussetzung für ihren Nachweis als das Erreichen der Mindestzugriffszahl.
2 David Pachali am 6. April, 2018 um 10:26
Die VG Wort beruft sich nach meinem Verständnis eher auf die grundsätzlichen Voraussetzungen: Es muss sich um ein Werk, also eine persönliche geistige Schöpfung handeln, die Nutzung muss urheberrechtlich relevant und nicht – wie hier womöglich – nur simuliert sein.
3 Schmunzelkunst am 7. April, 2018 um 17:32
Das Pixelzählen kann nur grobe Schätzwerte für die Ausschüttung liefern, wenn man bedenkt, dass durch das bloße Lesen eines Textes am Bildschirm noch keine Privatkopie im Sinne des Urheberrechts entsteht. Vergütungssrelevante Kopien entstehen i.d.R. erst, wenn abgespeichert oder ausgedruckt wird. Dass Texte, die viel gelesen auch viel kopiert werden, ist keineswegs sicher.
Aber auch die VG-Bildkunst hat m. E. keine bessere Lösung. Die hat das Internet quasi abgeschafft.
http://www.bildkunst.de/vg-bild-kunst/news/detailansicht/article/meldungen-kunstpraesentationen.html
“Im Sommer 2017 hatte die Mitgliederversammlung den Verteilungsplan modernisiert und die herkömmliche Webseiten-Meldung durch eine neue „Kopiervergütung Kunstausstellung“ ersetzt.”
Aufgrund kritischer Einwände soll zwar jetzt der Begriff der Kunstausstellung durch den Begriff der Kunstpräsentation ersetzt werden. Aber ich fürchte, dass die Präsentationen auf Webseiten im Gegensatz zur bisherigen Praxis nicht mehr hierunter fallen (“Die bisher notwendige und aufwändige Meldung von Abbildungen in Büchern und auf Websites entfällt.” http://www.bildkunst.de/vg-bild-kunst/meldungen/meldeverfahren-bg-i.html). Im Kern steht, laut Aussage in den Erläuterungen zur Tagesordnung der nächsten Versammlung der Berufsgruppe 1 – Bildende Künstler am 2. Mai 2018, dass jede Kunstpräsentation ein mediales Echo im Netz findet, das zu Privatkopien Anlass gibt.
Die Urheberrechtsexperten sind mit dem Internet nach wie vor hoffnungslos überfordert. Das zeigt auch die Wahl des Begriffs „Kopiervergütung Kunstausstellung“. Denn eine Ausstellungsvergütung sieht das deutsche Urheberrechtsgesetz nicht vor.
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