Rettung der Space Night: Ende gut, bitterer Nachgeschmack
Anfang des Jahres hieß es „Rettet die Space Night!”. Der Bayerische Rundfunk hatte angekündigt, diese zu später Nachtzeit laufende Sendung – bestehend aus Weltraumaufnahmen unterlegt mit Musik – aus Kostengründen einzustellen. Auslöser waren laut BR Tariferhöhungen der GEMA. Fans der Sendung wandten aber schnell ein, dass alternativ doch frei nutzbare Musik unter Creative-Commons-Lizenzen verfügbar sei, wodurch das Kostenargument wegfiele. Es wurde eine Facebook-Gruppe für den Protest eingerichtet und ein Wiki, in das Interessierte frei lizenzierte Tracks mit genauen Daten eintragen und so für eine Verwendung bei der Space Night vorschlagen können.
Und nun hat sich der Bayerische Rundfunk bewegt, zeigt sich erfreut über die aktive und vor allem konstruktive Fangemeinde und kündigt an, sowohl alte Folgen der Space Night mit Creative-Commons-Musik nachzuvertonen als auch neue Folgen nur noch mit solcher Musik zu produzieren. Doch wer glaubt, dass damit alles ein gutes Ende gefunden habe, der irrt.
1. GEMA-Vermutung schlägt Wiki-Sammlung
Zum einen kann sich der Bayerische Rundfunk nicht einfach ohne Weiteres auf Creative-Commons-Musik verlegen und im selben Umfang automatisch GEMA-Gebühren sparen. Die sogenannte GEMA-Vermutung führt nach deutschem Recht dazu, dass der Nutzer – hier also der Bayerische Runfunk – beweisen muss, dass ein genutztes Musikstück nicht zum GEMA-Repertoire gehört und er deshalb nichts an die GEMA bezahlen muss. Ein offenes Wiki mit gesammelten Angaben dürfte für diesen Negativbeweis kaum ausreichen. Der übliche und letztlich sehr umständliche Weg ist vielmehr, eine Bestätigung von der GEMA einzuholen, dass das betreffende Musikstück tatsächlich keine Rechte von GEMA-Mitgliedern enthält. Dazu müssen für jedes Stück Angaben über alle Mitwirkenden übermittelt und deren Antwort abgewartet werden. Erst dann kann davon die Rede sein, die Musik sei sicher „GEMA-frei”. Es ist nicht ausgeschlossen, dass allein dieser Klärungsaufwand die eingesparten Kosten des Bayerischen Rundfunks wieder auffrisst.
Hinzu kommt, dass die angegebenen Creative-Commons-Lizenzen keinerlei Garantie enthalten. Falls ein Urheber eine solche Lizenz vergeben hat, obwohl er das – möglicherweise ohne es zu wissen – gar nicht konnte, hat die Lizenz keine schützende Wirkung. Ein Beispiel wäre, dass eine fremde Komposition neuartig eingespielt wurde und die oder der Einspielende glaubt, jetzt selbst alleiniger Rechteinhaber der neuen Einspielung zu sein. Geht dann später der Komponist/ die Komponistin des Stücks gegen Nutzer vor, die das Stück aufgrund der freien Lizenz nutzen, können diese sich nicht auf einen „gutgläubigen Erwerb” von Nutzungsrechten berufen. Mit anderen Worten: Den Letzten beißen die Hunde.
Dass entsprechende Garantien fehlen, ist eines der größten praktischen Minenfelder rund um viele der freien Lizenzmodelle. Es gibt aber gute Gründe dafür und in Rechtsordnungen mit Regelungen nach dem Modell des Fair use entstehen dadurch auch weniger Probleme. Nach deutschem Urheberrecht dagegen entstehen Probleme: Besonders für kommerzielle Nutzer, bei denen „viel zu holen ist”, was beim Bayerischen Rundfunk zweifellos der Fall ist. Also muss der BR letztlich doch wieder bei allen in Frage kommenden Künstlern, die Creative-Commons-Lizenzen einsetzen, nachfragen. Um sicher gehen zu können, wie Rechtsabteilungen das immer tun. Damit entfällt einer der Hauptvorteile von Standardlizenzen wie denen von Creative Commons und das Ganze wird ein wenig zum Gimmick.
2. Preisverfall: Steilvorlage für CC-Kritiker
Der Fall Space Night taugt – zumindest mit etwas Argumentationsgeschick – als Musterbeispiel dafür, dass CC-lizenzierte Musik ein Mittel zum Preis-Dumping bei Musiktantiemen sein kann. Gerade im Bereich der unaufdringlichen Hintergrundbeschallung, der sogenannten Muzak, hat sich viel geändert. Früher gab es schlicht keinen nennenswerten Pool an Musikstücken, die außerhalb der rigiden Verwertungsgesellschaftsmechanik verfügbar waren. Es musste wohl oder übel auch für solche Hintergrundmusik ein nicht ganz billiger GEMA-Tarif bezahlt werden.
Der Rationalisierungsdruck in wirtschaftlichen Kreisläufen führt seit einigen Jahren zwangsläufig dazu, dass Muzak-Anbieter mehr und mehr auf GEMA-freie Stücke umsteigen, weil diese eben verfügbar sind. Das ist für sich genommen nicht verwerflich, es passiert ebenso im Bereich der Stock-Fotografie und anderen Gebieten. Man sollte dieses Problem aber nicht ausblenden, wenn man ernsthaft für freie Inhalte eintritt. Beim Bayerischen Rundfunk wie auch anderswo wird ganz offen darauf hingearbeitet, mittels Creative-Commons-Inhalten die Kosten zu drücken. Denkt man sich den Fall der Space Night tausendfach skaliert, entsteht gegenüber dem unentrinnbaren alten GEMA-System ganz klar ein Preisverfall bei den Tantiemen.
Nun ist der Bayerische Rundfunk aber kein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere, sondern eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Sie muss nicht am Markt bestehen und dazu die besten möglichen Preise bieten können. Vielmehr zahlen wir alle über den Rundfunkbeitrag astronomische Summen auch an den BR. Und dieser Beitrag wird keineswegs geringer, wenn der Sender es wirklich schaffen sollte, sich in Zukunft die GEMA-Gebühren für die Space Night zu sparen. Das Geld dafür war und ist da. Es wird in Zukunft nur woanders hinfließen, im Zweifel in die Taschen von Künstlern, die ihre Werke nicht freigegeben haben. Ist das ein Grund zum Feiern?
3. Die GEMA leistet Beihilfe zur Entsolidarisierung
In Äußerungen der GEMA wird aus diesem Punkt die Argumentation, Creative-Commons-Musik sei verschenkte Musik und zerstöre die gewachsenen solidarischen Strukturen, in denen Künstler ihre Beteiligung durchsetzen können. Das könnte man fast glauben, wäre es nicht die GEMA selbst, die durch eine strikte Verweigerung gegenüber alternativen Lizenzmodellen das Wachstum externer Angebote befeuert. Nimmt man gewisse Äußerungen hinzu, die GEMA-Vertreter auf öffentlichen Podien gemacht haben, entsteht der Eindruck, dass die GEMA eine Spaltung der Musikschaffenden zumindest wohlwollend geschehen lässt. Auf einem vom Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) veranstalteten Panel hatte schon 2009 ein GEMA-Vertreter gesagt, dass man die „Kaninchenzüchter” unter den GEMA-Mitgliedern gerne loswerden würde. Dazu aber müsse man wohl leider den ganzen Verein auflösen und mit den „Richtigen” neu gründen.
Nicht nur durch ihre strikte Weigerung, ihren Mitgliedern wenigstens nichtkommerzielle Creative-Commons-Lizenzen zu erlauben, schreckt die GEMA viele Kreative ab. Sie verharren dann im Nicht-Organisiertsein, was wohl erst durch eine neue und anders funktionierende Verwertungsgesellschaft behoben werden kann. Auch die hierarchischen Strukturen der GEMA, in der wenige dominieren, tun zusammen mit der kaum noch zeitgemäßen Verteilungsbürokratie ihren Teil. Solange dieser Zustand anhält, wird es für viele Haushälter ein Leichtes sein, zu sagen „Tut uns leid, wir können uns dies und jenes nicht mehr leisten. Es sei denn, wir verwenden kostenlose GEMA-freie Musik”. Dass das nicht der Weg sein sollte, um die Space Night zu retten, wird leider viel zu selten betont.
Foto: A. Diez Herrero, CC BY-NC-SA.
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