„Play Fair“-Siegel der Musikindustrie: Was heißt „fair” für Musiker?
„Play Fair. Pay Fair“ sagt das blaue Signet. Es soll Internet-Nutzern Orientierung im weiten Feld der Online-Musik-Anbieter bieten, damit sie die legalenn erkennen können. Denn verwenden dürfen das Zertifikat nur die Portale, Unternehmen und Dienstleister, die vom Branchenverband darauf hin geprüft wurden, ob sie die Musik lizenziert haben und damit legal anbieten dürfen. Gemeint sind Streaming-Dienste und Online-Radios, Download- und Tonträger-Verkäufer.
Eine solche Positiv-Kennzeichnung ist schon mal zeitgemäßer als frühere Warn- und Droh-Kampagnen, wie „Hometaping is killing music“ der Plattenfirmen oder „Raubkopierer sind Verbrecher“ der Filmindustrie. Und das am sportlichen „Fairplay“ orientierte „Play Fair“ mag durchaus als Entscheidungshilfe für deutsche Verbraucher dienen. Die stützen und verlassen sich ja gerne auf Prüfzeichen, Gütesiegel und Testurteile.
Der gute Wille ist erkennbar
Dass es sich bei „Play Fair“um eine gegenseitige Prüfung innerhalb der eigenen Branche handelt, riecht zwar etwas komisch, kann man aber für den Anfang vernachlässigen. Stattdessen zeigt das Siegel den Willen der Musikbranche, sich auf eine dieser – offenbar in der Digital-Wirtschaft gerade beliebten – „Selbstregulierungsmaßnahmen“ zu einigen. Zumal sie öffentlich überlegt, die Gültigkeit des Siegels auf Filme, E-Books oder Games zu erweitern.
Doch spätestens, wenn die Idee auf andere Teile der Kreativwirtschaft ausgeweitet würde, rückt eine Frage in den Vordergrund, die der Slogan mit der zweiten Hälfte „Pay Fair“ (bezahle angemessen) anspricht: Die Frage, wie „fair“ die Urheber vergütet und behandelt werden. Längst ist doch im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen, dass sich Musiker und Komponisten, Autoren und Schriftsteller mit schrumpfenden Tantiemen und Honoraren zufrieden geben sollen. Und das, während ihnen die Medienunternehmen gleichzeitig immer mehr Lizenz-, Nutzungs- und Verwertungsrechte an ihren Schöpfungen abknöpfen.
Urheber gehen an die Öffentlichkeit
Das berüchtigte Total Buy-out – der Ausverkauf aller Rechte für alle Nutzungsarten gegen eine Summe X – ist mittlerweile ebenso bekannt wie die Unsitten mieser Vertragsbedingungen für Urheber. Denn immer öfter wenden sich Künstler, Autoren, Urheber erfolgreich an die Öffentlichkeit: freiberufliche Fotografen, die gegen Mikro-Honorare und Knebel-Verträge auch vor Gericht zogen, freiberufliche Journalisten, die miserable Honorare transparent machen, freiberufliche Schauspieler und Musiker, die auf prekäre Situationen im Kulturbetrieb hinweisen, freiberufliche Designer und Illustratoren, die sich gegen Dumping-Honorare wehren, Spiele-Autoren, die um mehr Anerkennung für ihre Formate ringen – oder eben Musiker, die über das Dilemma mit heutiger Musikdistribution reden.
Die Phalanx der Urheber, die auf „faire Vergütung“ und „faire Behandlung“ pochen, wächst nahezu monatlich – und die Menge der Kunstinteressierten und Kultur rezipierenden Menschen, die sich damit auseinandersetzen, nimmt zu. Doch genau an dieser Stelle bleibt die „Play Fair. Pay Fair“-Kampagne stehen. In der Begründung heißt es: „Die konkrete Frage der Vergütungsgerechtigkeit zwischen Partnern ist bekanntermaßen in jedem Bereich wirtschaftlicher Betätigung sensibel – das verhält sich bei den Lizenzgeschäften nicht anders.“ Im Klartext: wie Verträge verhandelt werden, und wer dabei den Kürzeren zieht, dazu will „Play Fair“ keine Aussage machen.
Zu „Pay Fair“ gehört auch „Treat Fair“
Viele Verbraucher wollen bei Tee und Kaffee, Bananen, Baumwolle und Marmor, dass sie nicht nur unter fairen Bedingungen über den Globus gehandelt werden, sondern dass vor allem diejenigen fair behandelt werden, die die Arbeit machen. Was für den reuelosen Genuss von Tee (Kaffee, tropischen Früchten) die Gewissheit ist, mit den fernöstlichen Teebauern lief es gut, sollte für den reuelosen Konsum von Musik (Filmen, Büchern, Fotos, Comics, Zeitungen … ) die Gewissheit sein, die beteiligten Komponisten, Autoren, Fotografen, Illustratoren wurden fair vergütet und fair behandelt.
So gut die „Play Fair“-Kampagne der Musikindustrie gemeint ist: sie greift beim heutigen Stand der öffentlichen Diskussion über den Wert von Kreativleistungen zu kurz. Zwar mag ein „Play Fair“-zertifizierter Anbieter im doppelten Sinne legal „handeln“, also „Fair Trade“ praktizieren. Noch besser wäre jedoch ein „Fair Treat“-Beleg für die angemessene Behandlung der Urheber.
2 Kommentare
1 Stefan Herwig am 1. Oktober, 2013 um 18:46
Schade, dass es dem Autor nicht in den Sinn kommt, dass für viele Branchen in der Kreativwirtschaft eben Piraterie der primäre Grund sinkende Lizenzzahlungen an Künstler ist.
Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt.
SH
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