Zeitungsdatenbanken: Lass uns das Ding drehn
Das Kürzel „GBI“ hatte die freie Journalistin Sybille Klein (Name von der Redaktion geändert) vor August 2005 noch nie gehört, aber was ein aufmerksamer Kollege ihr erzählt hatte, stimmte tatsächlich: Insgesamt 240 Artikel, die sie zumeist für die Frankfurter Rundschau geschrieben hatte, wurden auf der Website des Münchner Datenbankbetreibers zum kostenpflichtigen Download angeboten. Ohne, dass sie je einen Cent dafür gesehen hätte.
Sybille Klein schrieb einen Brief an die Firma und bat um Auskunft darüber, wie viel man an der Vermarktung ihrer Texte verdient habe, die sie nicht genehmigt hatte. Sie wollte eine Rechnung schicken. Business as usual. Nach zwei Wochen kam die Antwort. „GBI – the contentmachine“ erklärte sich für nicht zuständig: Sybille Klein solle sich an den Zeitungsverlag wenden. Der habe GBI das Recht eingeräumt, die Texte in der Datenbank anzubieten. Auch der Frankfurter Rundschau hatte Sybille Klein zwar nie erlaubt, ihre Artikel an Datenbanken weiterzuverkaufen. Aber um es sich als freie Autorin mit ihrem Brotgeber nicht zu verscherzen, verfolgte sie die Sache nicht weiter.
Wäre dies ein bedauerlicher Ausnahmefall, man könnte den Kopf darüber schütteln, Sybille Klein einen guten Anwalt empfehlen und die Sache ad acta legen. Tatsächlich verdienen aber alle großen Zeitungen, von der Taz über die Süddeutsche bis hin zur FAZ, tagtäglich Geld damit, dass sie fremde Artikel weiterverkaufen, ohne im Einzelfall zu kontrollieren, ob sie über die entsprechenden Rechte verfügen. Dass dabei gerade freie Autoren „durchrutschen“, die, aus welchen Gründen auch immer, entsprechende Verträge nie unterzeichnet haben, wird offenbar billigend in Kauf genommen.
Weil die Zeitungen genau wissen, dass sie das eigentlich nicht dürfen, berichten sie auch nicht darüber. Schließlich hätte es etwas Peinliches an sich, wenn allgemein bekannt würde, wie nachlässig die großen, kulturell tonangebenden Zeitungen mit den Werken ihrer Autoren umgehen. Durchaus auch mit dem ihrer bekannten Autoren.
Günter Grass und die Nobelpreisrede
„Meine Texte erscheinen doch nicht im Internet“, sagt Martin Walser leicht verunsichert am Telefon. Der über achtzigjährige Schriftsteller hat mit Datenbanken und Online-Archiven nichts am Hut. Sein Interesse daran, was aus einer seiner Reden oder Artikel wird, nachdem sie in der Zeitung abgedruckt sind, hält sich in Grenzen: Die Zeitungen zahlten ohnehin so schlecht, dass es sich nicht lohne, sich damit noch zu befassen. Um eine genaue Rechteklärung kümmert sich Walser nicht: „Diese Sachen werden ja meistens ohne jeden Vertrag gemacht.“
Tatsächlich verkaufen Spiegel, Süddeutsche Zeitung oder FAZ allesamt Beiträge von Martin Walser über Online-Datenbanken, zu Preisen von bis zu 3,45 Euro – immerhin mehr als eine ganze Zeitung am Kiosk kostet. Die FAZ bot in ihrem Archiv eine Zeit lang sogar die Nobelpreisrede von Günter Grass feil. Vor etwa einem Jahr zahlte Thierry Chervel, der Herausgeber des Internetmagazins Perlentaucher, per Kreditkarte 256 Euro für die Veröffentlichungsrechte an dieser Rede. Kurz darauf ließ die FAZ das Angebot klammheimlich aus ihrem Archiv verschwinden, vermutlich, um keinen Ärger mit Stockholm zu bekommen. Die Veröffentlichungsrechte für Nobelpreisreden liegen nämlich grundsätzlich bei der Nobel-Stiftung – ebenso natürlich die Syndikationsrechte.
Syndikation ist der Branchenbegriff für den Weiterverkauf von Rechten zum Verkauf fremder Artikel. Beim Archiv der FAZ ist das System automatisiert: „In der Volltextanzeige klicken Sie auf die Schaltfläche ‚Nutzungsrechte’. Sie gelangen zu einer Tabelle, in der Sie die Nutzungsart und die Konditionen auswählen. (…) Nach dem Download der ZIP-Datei klicken Sie auf den Button ‚Rechteerwerb beenden’“. Jetzt gehört der betreffende Text Ihnen – Sie dürfen ihn auf Ihre eigene Homepage stellen, vorausgesetzt, Sie zahlen der FAZ 60 Euro im ersten Monat für die ersten 50.000 Zugriffe. Ob Sie mit Ihrer Homepage Schreibwaren oder Handyklingeltöne verkaufen wollen, Militaria oder Weltanschauungen, scheint der FAZ egal zu sein.
Obwohl: Bei den Weltanschauungen gäbe es unter Umständen doch Ärger, denn in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des FAZ-Archivs sind Zweitveröffentlichungen in Medien mit „politisch oder religiös extremen (…) Inhalten“ untersagt. Wie das bei einem vollautomatisierten System kontrolliert werden soll, ist nicht ersichtlich. Darum müsste sich der Autor des betreffenden Artikels dann wohl selbst kümmern.
Dass ein Urheber sich beschwert, damit rechnet die FAZ allerdings jederzeit. Wenn ein Autor zufällig auf eine nicht genehmigte Veröffentlichung seines Textes stößt, wird er sich zunächst an den Verantwortlichen halten – ob dieser den Text selbst geklaut oder von der FAZ gekauft hat, kann ihm egal sein. In letzterem Fall soll der in Bedrängnis geratene Syndikationskunde schnell bei der Zeitung anrufen, heißt es sinngemäß in den AGB (Punkt II,9). Die FAZ wird dann zur „Abwehr derartiger Ansprüche“ tun, was sie kann.
Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, schließt die Zeitung vorsorglich jede Haftung aus: „Rechtsverteidigungskosten, die dem Kunden dadurch entstehen, dass Dritte (…) urheberrechtliche Ansprüche (…) geltend machen“, muss der Kunde der FAZ selbst tragen. Spätestens an diesem Punkt fragt man sich, warum man der Zeitung Geld dafür bezahlen sollte, dass sie einem Rechte einräumt, von denen sie offenkundig selbst nicht genau weiß, ob sie sie besitzt.
Bei der Süddeutschen Zeitung ist es dasselbe in Grün: Auch hier ist die Syndikation automatisiert und wird über das Dokumentations- und InformationsZentrum München, ein Tochterunternehmen des Süddeutschen Verlags, abgewickelt. Die AGB lesen sich ähnlich wie bei der FAZ. Die anderen Zeitungen, von der FR über die Zeit und die Welt bis hin zum Spiegel, führen nicht unbedingt alle eigene Online-Archive, verkaufen aber ihre Inhalte ebenfalls über diverse Datenbanken weiter.
Verbreitung ohne Erlaubnis des Autors
Die bekannteste ist die GENIOS German Business Information. Mehr als 300 Tages- und Wochenzeitungen speisen hier ihre Texte ein, außer der FAZ beispielsweise Handelsblatt, Wirtschaftswoche, Börsen-Zeitung, Financial Times Deutschland, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Die Zeit, Der Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau, Stuttgarter Zeitung, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Focus, der Spiegel, die Taz. GENIOS ist der größte Datenbankanbieter für tagesaktuelle Presse im deutschsprachigen Raum. Entstanden ist das Gemeinschaftsprojekt von FAZ und Verlagsgruppe Handelsblatt 2006 durch eine Fusion der beiden zuvor unabhängig am Markt aktiven Datenbankbetreiber Genios und GBI.
Die Unternehmensphilosophie in Sachen Urheberrecht verkündete GBI bereits 2005. Nachdem sich etliche freie Journalisten über die unerlaubte Vermarktung ihrer Texte beschwert hatten, belehrte man die Querulanten, man habe schließlich Verträge mit den Verlagen, und basta. „Die Zustimmung der einzelnen Urheber hierzu wird entsprechend den urheberrechtlichen Regelungen durch die Zustimmung des Verlages ersetzt.“ (zitiert nach einem Artikel der Verdi-Zeitschrift MMM).
Das ist so, als würde man sagen: Die Zustimmung eines Malers zur Verwendung seines Bildes für Werbezwecke wird durch die Zustimmung des Galeristen ersetzt. Dass dabei urheberrechtlich einiges im Argen liegt, weiß man bei GENIOS ganz gut. Für Presseanfragen wird man an den nächsten freien Mitarbeiter verwiesen. Seit etwa anderthalb Jahren gebe es „eine große Sensibilisierung“ für das Thema Urheberrecht, räumt dieser ein. Trotzdem komme es leider immer wieder vor, dass die „Contentlieferanten“ ihre Autoren nicht gefragt hätten. „Es gibt so ein paar Spezialisten unter den Verlagen, die müssen jeden zweiten Tag bei uns anrufen und nachträglich darum bitten, dass irgendein Artikel wieder gelöscht wird, weil sie die Rechte eben doch nicht haben.“ Bei dem Wort „nachträglich“ stöhnt der GENIOS-Mitarbeiter gequält. Eine lästige Sache, dieses Urheberrecht. Und das trotz des wunderschönen Wikipedia-Eintrags zu GBI-GENIOS, wo es heißt: „Die Nutzung der Daten findet (…), anders als bei mancher Internet-Nutzung, im rechtssicheren Raum statt, dem Urheberrecht wird Genüge getan. GBI-Genios führt einen Teil der Abgeltungssumme an die jeweiligen Urheber ab.“ Auf diesen Scheck warten viele Autoren seit Jahren.
Und die Zeitungsverlage? „Regelmäßig verfügen wir über die Nutzungsrechte an den von uns vermarkteten Artikeln“, teilt der Leiter des FAZ-Archivs, Franz-Josef Gasterich, schriftlich mit. Nicht ganz so sicher ist sich die Frankfurter Rundschau: „Soweit es möglich ist“, bemühe sich das Verlagshaus um schriftliche Verträge, gehe aber ansonsten davon aus, „dass ihm diese Rechte auch dann eingeräumt werden, wenn nur mündlich Abreden erfolgen, die eine genaue Nutzung nicht präzise festlegen“, erklärt Geschäftsführer Karlheinz Kroke in einem Schreiben. Die Online- und Archivnutzung sei den Mitarbeitern schließlich vor Auftragserteilung bekannt und „mittlerweile absolut branchenüblich“. Und fest angestellte Redakteure träten die entsprechenden Rechte nach dem Tarifvertrag schließlich auch ab.
Sebastian Berger, Pressesprecher des Süddeutschen Verlags, bei dem die Süddeutsche Zeitung erscheint, weiß sich ebenfalls auf der sicheren Seite: „Wir haben das alles seit Jahren vertraglich in trockenen Tüchern“, alle freien Mitarbeiter der SZ hätten entsprechende Verträge unterschrieben, erklärt er am Telefon. „Wir haben da sehr faire Regelungen, die auch dem Bayerischen Journalistenverband vorgelegt wurden, bevor wir die Unterschriften der freien Autoren eingeholt haben.“
Journalistenverbände warnen vor Total-Buy-Out
Frauke Ancker, Geschäftsführerin des Bayerischen Journalisten-Verbands (BJV), eines Landesverbands im bundesweiten Deutschen Journalistenverband, relativiert dieses harmonische Bild. „Die Gewerkschaften haben diese Praxis keineswegs so abgesegnet“, meint Ancker. Für sie ist der wesentliche Knackpunkt die Frage der Vergütung. Während der Zeitungskrise zwischen 2001 und 2005 verloren etliche festangestellte Journalisten ihren Job, und die Freien mussten zunehmend ums Überleben kämpfen. „Diese Medienkrise haben die Verlage dazu benutzt, freie Journalisten unter Druck zu setzen und sich all diese Rechte pauschal für dasselbe lausige Honorar einräumen zu lassen“, so Ancker.
Diesen Eindruck hat auch Ulrike Maercks-Franzen, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalisten Union (dju/ver.di). „Wir haben allen unseren Mitgliedern geraten, keine Total-Buy-Out-Verträge zu unterschreiben, sondern notfalls gewerkschaftlichen Rechtsschutz zu beantragen und nicht auf ihre Rechte zu verzichten.“ Aber in Zeiten wirtschaftlicher Not waren die Gewerkschaften in der schwächeren Position – besonders dort, wo sie die Interessen von Freiberuflern zu vertreten hatten, die jederzeit ersetzt werden konnten. „Wir können zur Vernetzung der Betroffenen beitragen, und das haben wir auch getan, aber letztlich müssen die Leute selbst entscheiden, ob sie so etwas unterschreiben oder nicht“, so Maercks-Franzen.
Die Rede ist von Rahmenverträgen, die häufig sogar so formuliert sind, dass sie rückwirkend gelten: „Wie schon in der Vergangenheit benötigen wir all jene Rechte an den von Ihnen gelieferten Beiträgen, die für einen zeit- und wettbewerbsgemäßen Vertrieb der Inhalte unserer Zeitungen erforderlich sind“, hebt beispielsweise der Standardbrief der FAZ an, um dann die üblichen Total-Buy-out-Formeln abzuspulen: „zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkt“ soll man von umfangreichen Printrechten „in Zeitungen, Zeitschriften, (Hör-)Büchern und sonstigen Druckwerken aller Art” über Datenbank- bis hin zu SMS-Rechten alle nur denkbaren Nutzungsrechte einräumen, und am Ende heißt es lapidar: „Mit der Zahlung des Honorars ist immer auch die Einräumung und Nutzung der vorstehend genannten Rechte pauschal abgegolten.“
Es geht ums Geld
Dieses Honorar bewegt sich zwischen 50 Cent pro Zeile bei der Taz und 2,00 Euro pro Zeile bei der FAZ – aber dann muss es schon eine Literaturrezension in der Wochenendbeilage sein. FR und Süddeutsche liegen irgendwo dazwischen, nur Fachzeitschriften und große Magazine zahlen mehr. Stellen Sie sich vor, der freie Journalist schreibt eine Filmkritik. 100 Zeilen werden ihm zugestanden. Sich den Film anzusehen, dauert inklusive Anfahrt drei Stunden. Vielleicht sieht er sich als gewissenhafter Autor noch den vorigen Film des Regisseurs auf Video an und liest ein bisschen Literatur – das macht noch einmal sieben Stunden. Dann schreibt er seine Kritik. Dafür braucht er fünf Stunden, inklusive Telefonat mit dem Redakteur und Kampf um die eigenen Formulierungen, falls der Redakteur fair genug ist, sich darauf einzulassen. Macht bei 1,50 Euro pro Zeile fünfzehn Stunden für 150 Euro. Wenn er Pech hat, wird sein Artikel auf 80 Zeilen gekürzt, und er bekommt dafür 120 Euro.
Das ist besonders bitter, weil das Gesamthonoraraufkommen der Verlage in den letzten Jahren nicht gestiegen ist, aber immer mehr freie Journalisten auf dem freien Markt miteinander konkurrieren. Obwohl also gerade freie Journalisten davon leben, dass sie ihre Artikel nicht nur einmal, sondern nach Möglichkeit mehrfach verkaufen, unterschreiben viele Freie am Ende zähneknirschend doch Rahmenbedingungen, mit denen sie alle Rechte pauschal abtreten. Oder sie weigern sich und lassen die Briefe der Verlage stillschweigend in den Papierkorb wandern. Oft fällt das gar nicht auf, aber dann fließen die Texte eben auch weiterhin in die Online-Archive und Datenbanken ein. Das ändert sich erst, wenn die Autoren sich beschweren. Tun sie das, bekommen sie in aller Regel zukünftig keine Aufträge mehr.
Nicht nur bei den Großen ist das so. Auf die Beschwerde eines Autors hinsichtlich unerlaubter Datenbanknutzung antwortet etwa der Bonner Generalanzeiger: „Da wir einerseits davon ausgehen müssen, dass Sie auch künftig nicht mit der Weitergabe solcher Daten einverstanden sein werden, wir aber andererseits nicht in der Lage sind, entsprechende Einschränkungen durch freie Autoren (…) zu berücksichtigen, sehen wir uns leider gezwungen, in Zukunft auf Ihre Beiträge zu verzichten. Die Redaktion wurde entsprechend informiert.“ Im Vorfeld zu recherchieren, wer ihnen die entsprechenden Rechte eingeräumt hat und wer nicht, käme die Zeitungen teuer. Da riskieren sie lieber eine Klage und ziehen den Kopf, bevor es ernst wird, mit einer außergerichtlichen Einigung aus der Schlinge.
Das ist jedenfalls die Erfahrung von Andreas Singler. Der Sportjournalist und Doping-Experte hat zunächst mit Unterstützung von ver.di gegen GBI-Genios geklagt – und vor dem Landgericht Frankenthal verloren, weil die Richter der Argumentation des Betreibers folgten, Singler habe sich an die Verlage zu halten. Bei der Süddeutschen Zeitung hatte er mehrere Dutzend, bei der FAZ Hunderte von Artikeln aus seiner Feder in verschiedenen Datenbanken entdeckt. Gegen die Frankfurter Rundschau prozessiert er noch immer, mittlerweile vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken. „Inzwischen beträgt mein Verdienstausfall ein Mehrfaches der strittigen Summe“, erklärt der Journalist. Mit der FAZ und der Süddeutschen hat er sich schließlich außergerichtlich geeinigt. Über die Summe ist Stillschweigen vereinbart worden.
Singler ist kein Einzelfall. Der Europa-Fachpresse-Verlag, ein Tochterunternehmen des Süddeutschen Verlags, hat einmal einer Autorin 10.000 Euro für den unerlaubten Weiterverkauf ihrer Artikel über das Dokumentations- und InformationsZentrum München gezahlt. Eine Summe, die die tatsächlichen Erlöse womöglich sogar übersteigt. Und die großen Tageszeitungen haben offenbar in mehreren Fällen ebenfalls fünfstellige Beträge an Autoren gezahlt, die andernfalls eine Klage durchgezogen hätten. Sie alle dürfen jedoch nicht darüber sprechen.
Steigende Einnahmen bei den Verlagen
Wie viel die Verlage daran verdienen, dass sie Texte ihrer Autoren weiterverkaufen, ohne dafür ein zusätzliches Honorar zu zahlen, bleibt meist Geheimnis. Die taz teilt auf Anfrage mit, dass sie 2007 durch die Verwertung ihrer Texte in Datenbanken (Lexis-Nexis, GBI/Genios, ZDF, Presse-Monitor, Reuters und anderen) 228.019 Euro eingenommen hat. Tendenz steigend.
Von der FAZ weiß man immerhin bereits seit 2003, dass „durch die Ausdifferenzierung der Angebotspalette an Archiv-/Informationsprodukten“ bei einem wachsenden Erlösanteil „nicht zu vernachlässigende Deckungsbeiträge“ erzielt werden, wie eine Studie der Universität München darlegt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die FAZ sich gerade durch verschiedene Formen von Mehrfachnutzung aus der Zeitungskrise von 2001 retten konnte. Und GENIOS, dessen Website 550.000 Besuche im Monat verzeichnet, erwartet für 2008 einen Umsatz von 3,5 Millionen Euro.
Dass den Autoren der Einfluss darauf verwehrt wird, wo und wie ihre Texte weiterverwertet werden, ist also nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist durchaus ökonomischer Natur. Angesichts der genannten Zahlen mag es manchen freien Autor in den Fingern jucken, es genauso zu machen wie Andreas Singler. Seit der Reform des Urhebervertragsrechts von 2002 kann nämlich jeder freie Journalist eine „angemessene Vergütung“ seiner urheberrechtlich geschützten Leistung einklagen – und dass es nicht angemessen sein kann, wenn überhaupt keine zusätzliche Honorierung stattfindet, dürfte jeden Richter überzeugen.
Allerdings nur so lange, wie es in den Verhandlungen zwischen Verlegern und Gewerkschaften darüber, was unter „angemessen“ zu verstehen sei, zu keiner Einigung gekommen ist. Diese wird nun für Ende 2008 erwartet, und danach wird jedes Gericht auf das Ergebnis dieser Verhandlungen zurückgreifen. Dass dabei ausgerechnet für Mehrfachnutzungen und Lizensierungen erheblich höhere Honorare herausspringen werden, glaubt eigentlich niemand mehr.
Ilja Braun
lebt und arbeitet als freier Journalist in Köln. Eine erste Fassung dieses Artikels erschien am 28.07.2007 im Perlentaucher. Der Text steht unter der Lizenz CC-by-nc-nd 3.0 de.
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