GPL: Neue Lizenzen für eine neue Zeit
Wie sich die GPL zum Einsatz von Digital Rights Management Systemen (DRM) äußern soll, war und ist äußerst umstritten. Den ersten Entwurf für die GPL 3 hatten Richard Stallman und Eben Moglen, die „Erfinder“ der GNU-Lizenzen, Anfang des Jahres im Rahmen einer großen Konferenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT) vor (iRights berichtete, Link am Ende des Textes). Er sah eine klar ablehnende Haltung zu DRM vor. Durchgehend wurde DRM als Digital Restrictions Management bezeichnet. Schon in der Präambel hieß es: „DRM ist grundsätzlich unvereinbar mit dem Zweck der GPL, die Freiheit der Anwender zu schützen.“
In den folgenden Diskussionen wurde Ziffer 3, durch die der Einsatz von DRM-Systemen im Geiste dieser Grundhaltung stark eingeschränkt wurde, sehr kontrovers behandelt. Die FSF ist der Kritik in Teilen gefolgt und hat die rigorose Ablehnung von DRM abgeschwächt. Der Terminus „Digital Restrictions Management“ findet sich im zweiten Entwurf nicht mehr. Stattdessen weist die Präambel jetzt vor allem darauf hin, dass die Idee der Freien Software nicht vereinbar ist mit dem so genannten Trusted Computing, also Computersystemen, die es ihrem Besitzer nicht ohne weiteres erlauben, beliebig Software zu installieren und zu verwenden.
Dennoch soll die GPL 3 verhindern, dass die Nutzung von Software, die unter der GPL lizenziert sind, durch technische Schutzmaßnahmen eingeschränkt wird. DRM-Systeme, in denen GPL-Code enthalten ist, dürfen auch nach dem neuen Entwurf nicht dazu verwendet werden, die Befugnisse der Nutzer einzuschränken. Hierbei bedienen sich die Lizenz-Designer eines Tricks: Nach Ziffer 3 Absatz 2 soll ein DRM-System, das GPL-Software enthält, nicht als „wirksame technische Schutzmaßnahme“ gelten. Im Übrigen soll jeder, der in ein DRM-System GPL-Code integriert, auf sein Recht verzichten, gegen die Umgehung dieses Systems vorzugehen. Ob eine solche Klausel allerdings rechtlich wirksam wäre, darf bezweifelt werden. Denn diese richtet sich nur an die Software-Entwickler oder andere Rechteinhaber an den Programmen, nicht aber an die Content-Industrie, die DRM für ihre Produkte einsetzt. Nur diese kann jedoch gestatten, ihre Schutzmechanismen zu umgehen.
Softwarepatente und freie Software
Ein weiterer Streitpunkt im ersten Entwurf der GPL 3 war Ziffer 11, in der es um Softwarepatente geht. Hier wurde bestimmt, dass jeder Lizenzgeber, der Softwarepatente auf seine GPL-Software hält, den Lizenznehmern (also den Nutzern) neben der Urheberrechtslizenz auch eine Patentlizenz erteilt. Vor allem die IT-Wirtschaft hatte beanstandet, dass diese Patentlizenz unter Umständen sogar über die Befugnisse aus der Copyright-Lizenz hinausgehen könnte.
Der neue Entwurf sieht daher eine Änderung vor. Es sollen keine Patentlizenzen mehr erteilt werden. Vielmehr soll der Rechteinhaber nur noch darauf verzichten, Ansprüche aus seinem Patent gegen die Nutzer geltend zu machen. Die Änderung mag juristisch spitzfindig klingen, hat aber durchaus erhebliche praktische Bedeutung. Denn eine Patentlizenz bleibt auch dann bestehen, wenn der Inhaber des Patents dieses an einen Dritten veräußert. Ein Verzicht gilt dagegen nur zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien. Wird das Patent verkauft, ist der Erwerber nicht mehr an den Verzicht des ursprünglichen Inhabers gebunden und kann die Nutzer der GPL-Software – soweit Ansprüche gegeben sind – verklagen.
Problem: Lizenz(in)kompatibilität
Das Problem inkompatibler offener Lizenzen hat sich zu einer Bedrohung für die freie Nutzung von Open Source Software und Open Content entwickelt. So suchen etwa die Creative-Commons-Initiatoren (allen voran Lawrence Lessig) derzeit nach Lösungen. Sind Lizenzen inkompatibel, heißt das, dass die darunter lizenzierten Inhalte nicht kombiniert werden können. So hat sich etwa herausgestellt, dass freie Inhalte aus der Wikipedia (die unter der GNU Free Documentation Licence stehen) nicht mit Inhalten kombiniert werden können, die unter bestimmten Fassungen der Creative-Commons-Lizenzen vertrieben werden.
Auch die FSF hat dieses Problem in Bezug auf die GPL erkannt. Die Lizenz besagt, dass Kombinationen mit anderem Software-Code nur verbreitet werden dürfen, wenn diese wiederum unter die GPL gestellt werden (so genannter Copyleft-Effekt). Andere Lizenzen enthalten derartige Klauseln auch. Wenn sich die Lizenzbestimmungen der kombinierten Softwarebestandteile jedoch unterscheiden, kann nur eine der Copyleft-Regeln eingehalten werden, während gegen die andere automatisch verstoßen wird.
Um dieses Problem zu lösen, sieht die GPL 3 Öffnungsklauseln vor, die es erlauben, in Bezug auf bestimmte Aspekte von den Regeln der GPL abzuweichen (Ziffer 7). So darf der Bearbeiter eines GPL-Programms (zum Beispiel ein Entwickler, der GPL-Code mit anders lizenziertem Code verbindet) bestimmte zusätzliche Rechte erteilen oder zusätzliche Pflichten vorsehen. So dürfen etwa andere Haftungsregelungen oder Beschränkungen bezüglich der Nutzung von Markenrechten eingefügt werden. Zudem wird klargestellt, dass auch solche Regelungen „kompatibel“ sind, die den gleichen Inhalt wie Bestimmungen aus der GPL haben, jedoch anders formuliert sind.
Begrifflichkeiten
Bei einem Lizenztext, der nur in englischer Sprache existiert und der trotzdem auf der ganzen Welt funktionieren soll, stellt sich das Problem der Auslegung von Begriffen. So war in der deutschen Rechtsliteratur umstritten, ob der englische Begriff „distribute“ auch erlaubt, GPL-Software im Internet zugänglich zu machen. In der GPL 3 soll dieses Problem nun dadurch vermieden werden, dass auf rechtlich feststehende Begriffe wie „verbreiten“ (distribute) verzichtet wird und stattdessen eigene Termini verwendet werden. So nennt der neue Lizenztext jegliche Nutzung „to propagate“ (verbreiten, vermehren), die verschiedenen Vertriebsformen werden mit dem Terminus „to convey“ (transportieren, übermitteln) umschrieben.
Auch der problematische Begriff „derivative work“, der in der GPL 2 Bearbeitungen von GPL-Code bezeichnet, wurde aus dem neuesten Entwurf weit gehend verbannt. Statt dessen ist hier die Rede von „modified work“ oder „work based on the program“.
Änderungen an der LGPL
Die Lesser General Public Licence ist eine Lizenz, die speziell für den Einsatz für Software-Bibliotheken entwickelt wurde. Sie zeichnet sich gegenüber der GPL durch eine abgeschwächte Copyleft-Regelung aus, die ermöglichen soll, dass unter der GPL stehende Bibliotheken mit proprietärer Software kombiniert und gemeinsam vertrieben werden können.
Der Entwurf für eine LGPL 3 wurde vor allem in sprachlicher Hinsicht überarbeitet. Der Text verweist nunmehr in wesentlichen Teilen auf die GPL, wodurch die LGPL wesentlich kürzer geworden ist. Zudem wurden deren Regelungen an die neuere Entwicklung angepasst. Während die LGPL 2 noch sehr stark auf den Vertrieb von Bibliotheken und Applikationen in einer ausführbaren Datei (Executable) fokussiert, wird nun auch die objektorientierte Programmierung stärker berücksichtigt.
Wie geht’s weiter?
Nach weiteren Diskussionen soll im Herbst 2006 soll ein dritter Entwurf der neuen GPL vorgelegt werden. Die FSF hofft, dass die endgültige Fassung Anfang 2007 präsentiert und in Umlauf gebracht werden kann.
Was sagen Sie dazu?