Die zynischsten, räuberischsten, raffgierigsten Copyright-Regelungen des Universums
Rob Reids Roman „Galaxy Tunes“ ist letztes Jahr in den USA unter dem Titel „Year Zero“ erschienen, in diesem Herbst jetzt auf Deutsch. Es geht um Aliens, die die Erde zerstören wollen – soweit nicht außergewöhnlich für einen Science-Fiction-Roman. Und es geht um Urheberrechte, Anwälte und Musik. Der Roman befindet sich in der Tradition von Douglas Adams’ „Per Anhalter durch die Galaxis“ und ist ein wilder Ritt durch Alien-Kulturen, die auf Reality-TV und Popmusik stehen. iRights.info hat ein E-Mail-Interview mit dem Autor geführt.

Rob Reid ist Autor, Unternehmer und „Urheberrechtsmathematiker”. Seine Firma listen.com baute den Streamingdienst Rhapsody mit auf. Als Autor schreibt er unter anderem für Wired und veröffentlichte die Bücher „Architects of the Web” und „Year One”. Foto: (c) Jeff Lorch
iRights.info: Was war der Ausgangspunkt für das Buch? Wie kamen Sie darauf über Copyright und Lizenzen zu schreiben? Das ist nicht unbedingt ein naheliegendes Thema für einen Roman.
Rob Reid: Ich habe einen etwas ungewöhnlichen Hintergrund für einen Science-Fiction-Autor. In meiner Freizeit bin ich High-Tech-Unternehmer. Im Laufe der Jahre gründete ich eine Reihe von High-Tech-Firmen, in andere investierte ich Geld. Eine davon war Listen.com. Die habe ich 1999 in San Francisco gegründet und einige Jahre geleitet.
Wir brachten damals einen Dienst namens Rhapsody an den Start. Das war der erste Online-Service, der den gesamten Musikkatalog der großen Labels lizenziert hatte – zusätzlich zu hunderten von Independent-Labeln. In den USA ist Rhapsody neben Spotify einer der größeren Anbieter. Wir haben zehn Jahre vor Spotify angefangen – Spotify ist aber inzwischen mehr als zehn Mal so groß.
Durch meine Arbeit bei Listen.com kam ich in Kontakt mit der Welt der Plattenfirmen, und dadurch zum Thema Copyright und Lizenzen, und dem ganzen wahnsinnigen Lobbyismus, der auf den unterschiedlichen Regierungsebenen passiert.
iRights.info: Wieso haben Sie entschieden über dieses Thema einen Science-Fiction-Roman zu schreiben und nicht zum Beispiel eine Reihe von journalistischen Essays?
Rob Reid: Ich war als Kind ein großer Science-Fiction-Fan, und wie die meisten Kinder fand ich Außerirdische ziemlich cool. Aber in jeder Geschichte, die ich las, waren die Außerirdischen uns Menschen technisch und moralisch unendlich überlegen – sie benahmen sich uns gegenüber geringschätzig und waren nicht besonders an unserer Kultur interessiert. Entweder machten sie uns Vorhaltungen, wie grässlich zurückgeblieben wir waren oder sie kamen, um ihre schleimigen Tentakel auf unsere Bodenschätze oder ähnliches zu legen.
Ich dachte immer, wäre es nicht toll, wenn die Außerirdischen auch mal uns großartig finden würden? Aber womit könnten wir die Außerirdischen beeindrucken? Technik fällt aus, weil sie ja das Universum überquert hätten, um uns zu besuchen, während wir kaum über den Mond hinauskommen. Mode könnte es auch nicht sein – schauen Sie sich an, wie wir uns anziehen.
Schließlich – so vor zehn Jahren – kam es mir: Vernunftbegabte Außerirdische müssten unsere Musik lieben. Aber wozu Außerirdische in einem Roman auftauchen lassen, wenn sie nicht die Erde zerstören wollen? Ich war in einem Dilemma: Auf der einen Seite Außerirdische, die unsere Musik liebten, aber auf der anderen Seite über irgendetwas so sauer waren, dass sie unsere Zivilisation vernichten wollten.
Irgendwann fiel es mir ein: Unsere Urheberrechtsgesetze! Genauer gesagt, ich ließ die Außerirdischen beschließen, dass wir die „zynischsten, räuberischsten, raffgierigsten Copyright-Regelungen, die je eine Gesellschaft sich gegeben hatte, im ganzen Universum seit Beginn unserer Zeit“ besaßen. Wenn Sie sich das so überlegen, ist es eigentlich schwer zu glauben, dass es nicht mehr Science-Fiction-Geschichten über die Copyright-Gesetze gibt, oder?
iRights.info: Copyright ist im Augenblick eine ziemlich umkämpfte Angelegenheit. Zugespitzt gibt es ja zwei Lager: Auf der einen Seite die Rechteinhaber, die alles urheberrechtlich schützen wollen, und auf der anderen Seite eine Netzcommunity, die alles frei im Netz zugänglich haben wollen. Auf welcher Seite stehen Sie?
Rob Reid: Ich wurde von Leuten auf beiden Seiten der Debatte als irre bezeichnet, was ein ziemlich gutes Zeichen dafür ist, dass ich zu den Gemäßigten gehöre. Ich glaube daran, dass Kreative für ihre Arbeit bezahlt werden sollten, und dass Künstler – egal in welchem Genre – Musik, Theater, bildende Kunst und so weiter – in eine wirtschaftliche Beziehung mit ihrem Publikum treten sollten, damit sie ihr Leben der kreativen Arbeit widmen können.
Aber ich glaube auch, dass die Rechteinhaber den Gesetzgebungsprozess in einem nicht mehr vertretbaren Ausmaß übernommen haben, was zu unhaltbaren gesetzlichen Regelungen und Urteilen geführt hat. Zum Beispiel: in den USA kann man, wenn man eine einzige Kopie eines Songs illegal ins Internet stellt, haftbar gemacht werden und zwar mit bis zu 150.000 US-Dollar. Das entsprechende Gesetz wurde vom US-Kongress einstimmig angenommen. Zum Vergleich: Im Bundesstaat Kalifornien, wo ich lebe, ist die Höchststrafe für Autofahren unter Alkoholeinfluss 1.000 Dollar. Das steht in keinem Verhältnis.
iRights.info: Viele Künstler sind – zu Recht, schaut man sich die Statistiken an – besorgt, wie sie in der digitalen Welt noch Geld verdienen können. Was würden Sie ihnen raten?
Rob Reid: Der beste Weg, um mit illegalen Angeboten zu konkurrieren, ist es ein tolles Produkt zu einem fairen Preis anzubieten und es in einer Umgebung anzubieten, die illegalen Angeboten überlegen ist. Das war unser Vorgehen bei Rhapsody. Wir geben Dir alle Musik der Welt, wann Du willst und wo du willst, für 10 Dollar im Monat. Man muss schon komplett pleite sein oder aus ideologischen Gründen illegal downloaden wollen, um unlizenzierte MP3 einzeln im offenen Internet zusammenklauben zu wollen.
Ich glaube, E-Book-Shops bieten einen ähnlichen Nutzwert an. Es ist unglaublich einfach, ein E-Book zu kaufen und auf einen Kindle, ein iPad oder ein anderes Gerät herunterzuladen. Der Preis beträgt normalerweise nur einen Bruchteil des physischen Buchs. Die meisten Leute haben gar keine Zeit und Lust, unautorisierte Dateien im Netz zu suchen und dann mit der schrecklichen Formatierung klar zu kommen. Was diejenigen angeht, die es sich wirklich nicht leisten können, E-Books zu kaufen oder Streaming-Dienste wie Rhapsody zu abonnieren – sie würden diese Inhalte auch sonst nicht kaufen. Das heißt, wenn sie weiterhin illegal downloaden, hat das meiner Meinung nach keinerlei Auswirkungen auf den Umsatz.
iRights.info: Die Musikindustrie war als erste von den Veränderungen der Digitalisierung betroffen. Können die anderen Kreativindustrien – also etwa Verlagswesen oder Filmindustrie – etwas von ihr lernen?
Rob Reid: Auf jeden Fall – und in vielen Fällen ist das auch passiert. Der größte Fehler, den die Musikindustrie gemacht hat, war dass sich die Labels geweigert haben, ihre Musik überhaupt online zu lizenzieren – nachdem es schon jahrelang illegale Angebote gab. Das heißt, dass die Leute, die die Vorteile digitaler Musik nutzen wollten, gar keine Alternative zu Raubkopien hatten. Fast vier Jahre lang haben Millionen von Nutzern gelernt, wie man schnell und einfach Raubkopien machen kann – und im Laufe dieser vier Jahre hat sich auch das schlechte Gewissen verflüchtigt. Man gewöhnt sich leichter dran, das Gesetz zu brechen, wenn das Produkt legal nicht erhältlich ist – und genau diese Situation hat die Musikindustrie selbst erzeugt.
Die Buchverlage und die Fernseh- und Filmindustrie haben daraus eine wichtige Lektion gelernt. Als die digitale Infrastruktur robust genug wurde, um E-Books und Video-on-Demand zu erlauben, sind sie auf den Markt gegangen – mit guten Produkten und zu fairen Preisen. In den meisten Fällen sind die Nutzungsumgebungen der legalen Shops sehr viel angenehmer als die illegalen Alternativen, so dass anspruchsvolle Kunden raubkopierte Angebote größtenteils ignorieren.
iRights.info: Was sind Ihre nächsten Pläne? Was wird das Thema Ihres nächsten Romans? Ein Spionagethriller über Abhörskandale vielleicht?
Rob Reid: Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe vor kurzem einen Filmvertrag für „Galaxy Tunes“ unterschrieben. Ich erwarte, dass das die nächsten Monate meines Lebens dominieren wird. Ich kann noch keine Einzelheiten erzählen, außer dass ich am Drehbuch mitschreiben werde, worüber ich mich sehr freue.
Rob Reid, Galaxy Tunes ist bei Random House/Heyne erschienen. Aus dem Englischen von Bernhard Kempen. Taschenbuch: 9,99 Euro, E-Book: 8,99 Euro.
3 Kommentare
1 Andreas Pohl am 6. November, 2013 um 15:53
Ich zitiere: “Der Preis [eines E-Books] beträgt normalerweise nur einen Bruchteil des physischen Buchs.” Falsch! Richtig: Der Preis eines E-Books ist zumeist um einen Bruchteil geringer als der des physischen Buchs. Beispiel siehe oben: “Galaxy Tunes” ist in der E-Variante gerade mal einen Euro günstiger. Nur weil der Preis der Print-Ausgabe mit knapp 10 Euro sicherlich nicht hoch ist, beträgt der Nachlass auf die E-Ausgabe immerhin 10 Prozent. Meiner Erfahrung nach sind E-Books aber in aller Regel nur unbedeutend günstiger zu haben als ihre gedruckten Pendants – was ich absolut nicht verstehe! Die Vervielfältigung eines E-Books ist null Aufwand! Das Drucken, Verpacken und Verteilen eines Printexemplars dagegen ist ungleich aufwändiger, der i.d.R. geringe Preisunterschied zwischen E- und Printausgabe eines Buchs wird dem nicht gerecht. Meine Meinung.
2 Valie Djordjevic am 6. November, 2013 um 20:21
Ich denke mal, er bezieht sich auf den amerikanischen Markt. Da sind die E-Book-Preise schon etwas niedriger, aber auch nicht immer. War etwas schwierig da nachzufragen, da das Interview per E-Mail durchgeführt wurde.
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