Spielerisch Geld verdienen
Spiel und Arbeit, einen größeren Gegensatz gibt es nicht, könnte man meinen. Spiel ist Freizeit und Arbeit ist der Ernst des Lebens. Tatsächlich zeigt ein Blick in die Kulturgeschichte, dass bis zur Entstehung des heutigen Begriffs von Arbeit – und damit von Freizeit – Spielen eine überaus ernste Angelegenheit war (Huizinga 1939/2004). Spiele sind auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Dimensionen des Lebens bezogen. Nicht umsonst heißen die Steine im Schach König, Läufer, Bauer.
Wie beim Schach, Poker oder Roulette kann auch das Computerspielen zur Arbeit werden, wenn im „eSport“ Spieler in die A-Liga der hoch bezahlten Profis aufsteigen. Bei den World Cyber Games, den olympischen Spielen des eSport, traten im vergangenen Jahr mehr als 700 Spieler aus 74 Nationen um Preisgelder in Höhe von 448.000 US-Dollar an.
Zunehmend wird auch in Multiplayer-Online-Spielen selbst gearbeitet. Symptomatisch dafür sind die chinesischen Goldfarmer geworden, die virtuelle Güter wie Schätze, Waffen oder ganze Spielcharaktere erspielen, um sie dann gegen harte Währung an andere Spieler zu verkaufen. Und natürlich ist auch das Entwickeln und Produzieren von Spielen Arbeit in einem Wirtschaftssektor, dessen Umsatzvolumen zwar noch hinter dem von Musik und Filmen liegt, aber ungleich größere Zuwächse verzeichnet.
Die Untersuchung richtet sich auf die Arbeit in der Computerspieleindustrie, genauer auf diejenigen Tätigkeiten, die Schutzgegenstände im Sinne des Urheberrechts hervorbringen: die Software und die textuellen und audio-visuellen Inhalte von Spielen. Zum anderen wird sie sich mit dem beschäftigen, was mit einem neumodischen Wort „nutzergenerierte Inhalte“ genannt wird. Dass Spieler in Online-Games virtuelle Gegenstände, Texturen, Räume und ganze Level erstellen, ist kein neues Phänomen. Durch die Konvertierbarkeit von Spielgeld in echtes Geld in Systemen wie Second Life und den boomenden Handel mit Spieleobjekten auf eBay hat es jedoch eine neue Brisanz erhalten. Damit ist die Frage nach den urheberrechtlichen Besitzverhältnissen an diesen Werken zu einer ökonomischen geworden, die inzwischen auch vor Gericht ausgetragen wird.
Die Untersuchung beginnt mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Computerspiele, die so alt ist, wie der Computer selbst. Es zeigt sich, dass Spiele mit Wissenschaft, Militär und Industrie zu den wichtigsten Triebkräften bei der Entwicklung von Computer-Hard- und Software gehören. Die Plattformen (Spielhallengeräte, Konsolen, PC, Internet, Mobiltelefone) werden vorgestellt und ein Überblick über die Genres von Computerspielen wird gegeben.
Drei Firmen kontrollieren den Markt
Der Markt für Computerspiele ist hochgradig konzentriert, wie in allen Sektoren der Kreativwirtschaft. Die Innovation geht von Entwicklern aus, die typischerweise in Kleinunternehmen mit etwa 25 Mitarbeitern beschäftigt sind. In Europa liegt Deutschland mit 200 Entwicklungsstudios (Reichart o.J.) an zweiter Stelle hinter England. Die Spiele, die in den Entwicklungsstudios entstehen, werden dann von Spieleverlagen produziert und vermarktet. Der Weltmarkt wird von US-amerikanischen und japanischen Unternehmen dominiert (Vgl. Sheff 1993). Unter den Top-20 der Verlage finden sich nur drei französische (Ubi Soft, Infogrames, Vivendi) und eine britische (Eidos) Firma. Schließlich streben die die Anbieter der drei wichtigsten Plattformen (Microsoft, Sony und Nintendo) nach der Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette in diesem Markt (EU-Kommission 2006, S. 271).
Mit der wirtschaftlichen Bedeutung hat sich die Branche zunehmend institutionalisiert. Dazu gehören Branchenverbände (G.A.M.E.-Bundesverband, Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware), Entwicklerverbände (European Games Developer Federation), Industrie- und Publikumsmessen (Games Convention, Quo Vadis – die Entwicklerkonferenz), Fach- und Publikumsmedien (Game Zone, Game Face etc.), Ausbildungseinrichtungen (Games Academy Berlin), öffentliche Förderung (EU-Programm „Support for the development of on and off-line interactive works“). Auch die wissenschaftliche Forschung, die sich noch bis in die 1990er vor allem auf die Frage richtete, ob Gewalt in Spielen zu Nachahmung oder Katharsis führe, hat sich inzwischen ausdifferenziert (GamesScience.de, gametheory.ch).
An der Entwicklung und Produktion von Computerspielen sind eine Fülle von Berufsgruppen beteiligt (Konzepter, Skript- und Dialog-Autoren, Dramaturgen, Illustratoren, Charakter-Designer und Animateure, Sprecher und Tontechniker, Komponisten und Musiker, Physiker und Programmierer, Tester). Sie ist somit noch komplexer als die Filmproduktion. Nicht selten arbeiten mehrere hundert Personen daran mit, ein neues Spiel zu erstellen.
Das Urheberrecht kennt keine Computerspiele
Aus der Art der kreativen Tätigkeiten ergeben sich auch die Urheberrechte, die dabei entstehen. Einige Komponenten fallen unter den Schutz für Werke der Literatur, Kunst und Wissenschaft, also der drei Basiskategorien des Urheberrechtsgesetzes. Die Software-Anteile sind seit 1985 als „Programme für die Datenverarbeitung“, bzw. seit 1993 als „Computerprogramme“ geschützt. Der urheberrechtliche Status eines gesamten Computerspiels als komplexes multimediales Werk ist jedoch bis heute ungeklärt. Das Urheberrechtsgesetz führt es nicht als eigenständige Werkart auf.
Die Vorschriften für Computerprogramme und die für Bild und Musik weisen erhebliche Unterschiede auf, etwa in Bezug auf die Schrankenbestimmungen und den Schutz technischer Schutzmaßnahmen (Kreutzer 2007). Umstritten ist, ob sich der Programmbegriff auch auf die generierte Programmausgabe erstreckt. Für die audiovisuellen Elemente, die der Spieler über Bildschirm und Lautsprecher wahrnimmt, ist ein Schutz als filmähnliches Werk vorgeschlagen worden (Lambrecht 2006; Dreier/Schulze 2004: § 2 Rndn. 200). Spielkonzepte sind im Unterschied zu anderen Ländern nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz nicht geschützt.
Durch die virtuellen Gegenstände, die Spieler in Online-Umgebungen erstellen, wird die Lage noch komplizierter. Viele Betreiber von Online-Spiele beanspruchen die Rechte für die Objekte und Spielfiguren, die in diesen Umgebungen entstehen, und versuchen, den blühenden Handel damit – etwa auf eBay – zu unterbinden. Linden Lab, der Betreiber von Second Life, hat als erster die Konvertierung von Spielgeld in echtes Geld zugelassen und in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Urheberrechte seiner Nutzer ausdrücklich anerkannt. Auch das führt vermehrt zu Rechtsstreitigkeiten (z.B. LG Köln 2008).
Arbeitsplatz Online-Spiel
Die Konflikte nehmen in dem Maße zu, in dem Menschen Spielumgebungen zu ihrem Arbeitsplatz machen. Kann man seinen Lebensunterhalt verdienen, indem man mit virtuelle Objekte herstellt und verkauft? Der Journalist und Autor Julian Dibbell ist dieser Frage in einem einjährigen Selbstexperiment nachgegangen. Ja, war die Antwort, wenn man 80 Stunden pro Woche dafür arbeitet. Dibbell hat mit dem Verkauf von Goldstücken, Rüstungen, Waffen, Häusern und anderen Artefakten aus Ultima Online im letzten Monat des Experiments 3.917 US-Dollar verdient. Im Jahr wären das 47.000 US-Dollar – mehr als das Durchschnittseinkommen von Museumskuratoren, Feuerwehrleuten und Lehrern in den USA (Dibbell 2006). Millionenbeträge werden heute mit Traumschlössern, Schwertern und Gold aus Bits umgesetzt. Die Hauptgewinner sind die Betreiberunternehmen.
Doch die Spieler erstellen nicht nur Gegenstände und Charaktere, sondern ganze Spiele-Levels (so genannte Mods oder Modifikationen) und selbst die dafür notwendigen Entwicklungswerkzeuge. Apogee, der Anbieter von Duke Nukem (1990), war unter den ersten, die mit Verblüffen feststellten, welche kreative Arbeit ihre Spieler in die Weiterentwicklung ihres Produkt steckten und damit dessen Lebenszeit am Markt erheblich verlängerten. Wolfenstein 3D, Doom, Quake – immer wieder zeigte sich dieser Effekt, durchaus vergleichbar mit der freien Software. Die Firmen erkannten das Innovationspotential und begannen, die „Modder“ zu unterstützen. Einige der besten stellten sie ein, andere gründeten selbst Firmen, um im Online-Markt, dem mit Zuwachsraten von über hundert Prozent am schnellsten expandierenden Games-Segment, mit zu verdienen. Die meisten von ihnen bekommen jedoch im besten Falle Anerkennung (Au 2002).
Diese Verschiebung von Produktivität von den Mitarbeitern eines Medienunternehmens zu den Nutzern einer Online-Umgebung wirft auch Fragen nach neuen Arbeitsverhältnissen auf. Für diese Art von produktiver Freizeit hat Julian Kücklich den Begriff „Precarious Playbour“ geprägt (Kücklich 2005).
Der Schwerpunkt der Untersuchung wird auf den urheberrechtliche Konfliktlinien (Verträge, Plagiate, Urheberpersönlichkeitsrechte) und den neu entstehenden Arbeitsverhältnissen liegen. Abschließend wird sie sich mit dem befassen, was von Computerspielen bleibt. Die Branche ist noch zu jung, als dass es gemeinfreie Werke geben könnte, doch unzählige verwaiste Werke können nicht in öffentlichen Archiven zugänglich gemacht werden, um Spielspaß und sekundäre Kreativität zu speisen. Das Urheberrecht verhindert das.
Quellen
Au, Wagner James, Triumph of the mod. Player-created additions to comuter games aren`t a hobby any more – they`re the lifeblood of the industry, Salon Magazine, 16. April 2002, dir.salon.com/story/tech/feature/2002/04/16/modding/index.html
Dibbell, Julian, Play Money. Or, How I Quit my Day Job and Made Millions Trading Virtual Loot, Basic Books, New York 2006; s.a. www.juliandibbell.com/playmoney/
Dreier, Thomas und Gernot Schulze, Urheberrechtsgesetz. Kommentar, Beck, München 2004
EU Commission, Economy of Culture in Europe, 2006, ec.europa.eu/culture/eac/sources_info/studies/economy_en.html
Kreutzer, Till, Computerspiele im System des deutschen Urheberrechts. Computer und Recht 2007, S. 1 ff.
Kücklich, Julian, Precarious Playbour: Modders and the Digital Games Industry, Fiberculture, issue 5, September 2005, journal.fibreculture.org/issue5/kucklich.html
Lambrecht, Arne, Der urheberrechtliche Schutz von Bildschirmspielen, Nomos, Baden-Baden 2006.
LG Köln, Urteil vom 21.04.2008, 28 O 124/08, www.jurpc.de/rechtspr/20080077.htm
Huizinga, Johan, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel (Orig. Amsterdam 1939), Rowohlt, Reinbek 2004
Reichart, Stephan, Die Spielebranche. Eine Übersicht, G.A.M.E. Bundesverband der Entwickler von Computerspielen, o.J., www.game-bundesverband.de/reloaded/spielebranche.pdf
Sheff, David, Game Over. How Nintendo Zapped an American Industry, Captured your Dollars and Enslaved your Children, Random House, New York, 1993
1 Kommentar
1 Jasmin Föhles am 4. Mai, 2013 um 20:15
es ist sehr detailiert erklärt, aber meistens nicht für z.B. Kinder nachvollziehbar
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