UN-Bericht plädiert für Ausnahmen im Urheberrecht und offene Lizenzen
Die UN-Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte, Farida Shaheed, betrachtet in dem Bericht die nationalen Regelungen zum Urheberrecht aus der Perspektive der Menschenrechte und des UN-Sozialpakts. Im Sozialpakt, einem 1966 verabschiedeten internationalen Vertrag, erkennen die Unterzeichnerstaaten das Recht zur Teilnahme am kulturellen Leben, zur Teilhabe „an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts“ und den Schutz der geistigen und materiellen Interessen von Urhebern an (Artikel 15, 1–3).
Aus dieser Perspektive stellt der Bericht zunächst bemerkenswert deutlich fest, dass der Schutz von Urhebern nicht mit einem Schutz der Verwerter zu verwechseln sei. Zwar spielten kommerzielle Rechteinhaber eine wesentliche Rolle in der Kulturwirtschaft, „nichtsdestotrotz aber genießen ihre ökonomischen Interessen nicht den Status von Menschenrechten“, heißt es. Das Urheberrecht müsse danach bewertet werden, ob es den Urhebern ebenso wie dem öffentlichen Interesse an kultureller Teilhabe diene.
Entsprechend benötigten Urheber „in mancher Hinsicht mehr, in anderer Hinsicht weniger von dem, was in den gegenwärtigen Urheberrechtgesetzen zu finden ist“. Hier spricht der Bericht zum Beispiel den Schutz vor aufgezwungenen, ungerechten Verträgen an. Auch die Persönlichkeitsrechte von Urhebern – also der Schutz etwa vor Entstellungen von Werken – müssten gewährleistet werden. Zugleich müssten sie aber mit der Freiheit ausbalanciert werden, neue Werke zu schaffen, Überliefertes neu zu interpretieren und „kreative Transformationen bestehender Werke“ zu ermöglichen.
Ausnahmeregelungen für Teilhabe
Gesetzliche Ausnahmeregelungen im Urheberrecht nennt der Bericht als wichtigstes Werkzeug für kulturelle Teilhabe. Solche Regelungen unterstützten neues Schaffen; „Schranken“ etwa zugunsten von Bildung und Wissenschaft brächten auch Vergütungsmöglichkeiten für Urheber, wenn entsprechende gesetzliche Ansprüche vorgesehen sind. Aber auch Ausnahmeregelungen ohne Vergütung seien nicht per se mit dem Schutz der Urheberschaft unvereinbar, wie er im Sozialpakt verankert sei.
Als positives Beispiel nennt der Bericht die Urheberrechtsreformen der letzten Jahre in Brasilien und Großbritannien. In internationaler Perspektive führt er auch Ausnahmeregelungen zugunsten von Entwicklungsländern an, die etwa Übersetzungen geschützter Werke erlauben. Bestehende internationale Vereinbarungen hätten sich hier aber als ineffizient und schwer umsetzbar erwiesen.
Offene Lizenzen und internationale Verträge
Neben gesetzlichen Ausnahmen nennt der Bericht offene Lizenzen wie Creative Commons oder die GNU GPL als „weiteres wesentliches Werkzeug, um kulturelle Teilhabe zu vergrößern“. Als Vorbilder gelten dem Bericht etwa Programme für Open Access in Mexiko, für freie Schulbücher in Südafrika oder Kinderbücher, die in Indien unter freien Lizenzen vertrieben werden. Die Verbreitung solcher Lizenzen soll daher gefördert werden.
Daneben macht der Bericht zahlreiche weitere Empfehlungen an Gesetzgeber. An erster Stelle steht hier die Aufforderung, internationale Vereinbarungen mit Urheberrechtsbezug „auf transparente Weise und mit öffentlicher Beteiligung“ zu verhandeln. Das bezieht sich deutlich auf Verträge wie das gescheiterte ACTA-Abkommen, aber auch laufende Verhandlungen wie etwa zum transpazifischen Freihandelsabkommen TPP. Internationale Vereinbarungen dürften nie das Recht der Staaten beschneiden, eigene Regelungen und Ausnahmen für kulturelle und wissenschaftliche Teilhabe einzuführen.
Konsultation mit Ungleichgewicht
Begleitend zum Bericht von Farida Shaheed lief beim Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) eine Konsultation und einige Expertentreffen. Interessanterweise greift der Bericht manche Positionen auf, die schon länger in der Access-to-Knowledge-Bewegung vertreten werden, obwohl entsprechende Organisationen in der Liste der Einsender zur Konsultation nahezu vollständig fehlen.
Dort fallen stattdessen Rechteinhaberverbände wie etwa IFPI und RIAA aus der Musikindustrie oder die US-Handelskammer ins Auge – Organisationen, die bislang gerade nicht als Verfechter kultureller Teilhabe im Urheberrecht auftraten. Man habe einige Vorschläge wie Internetsperren, Inhalte-Filter und verschärfte Haftungsregeln erhalten, nach Einschätzung der Berichterstatterin würden diese aber auf Ergebnisse hinauslaufen, die mit den Rechten auf Meinungsfreiheit und Teilhabe an Wissenschaft und Kultur „nicht kompatibel“ seien, hebt der Bericht hervor. Diese Vorschläge werden ausdrücklich zurückgewiesen.
Geduldiges, aber bemerkenswertes Papier
Trotz der Schieflage in der begleitenden Konsultation ist der Bericht bemerkenswert: Zwar wird seine praktische Wirkung – wie auch bei anderen Berichten von UN-Einrichtungen – recht überschaubar sein. Gerade im Vergleich mit den internationalen Verträgen zum Urheberrecht der letzten Jahrzehnte aber macht er deutlich, woran neue Regelungen anknüpfen können, wenn sie den Zugang zu Kultur und Wissen fördern wollen.
Der Bericht soll als nächstes im März dem UN-Menschenrechtsrat vorgestellt werden. Ein weiterer Bericht, der das Thema Patente behandelt, ist ebenfalls für dieses Jahr angekündigt. Die Pakistanerin Farida Shaheed hat seit 2009 das Amt einer „Unabhängigen Expertin im Bereich kulturelle Rechte“ inne. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hatte das Mandat mit der Aufgabe geschaffen, die Einhaltung kultureller Rechte zu beobachten.
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