„Wenn mein Bild ungefragt irgendwo auftaucht, entgeht mir die Kontrolle über den inhaltlichen Zusammenhang“ [Update]

Im Streit um die ungefragte Veröffentlichung eines Fotos auf Twitter durch den Journalisten Jan Böhmermann, für die er vom Urheber abgemahnt wurde, weist der betreffende Hamburger Fotograf Martin Langer auch auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht hin.
Die Abmahnung bezog sich auf Böhmermanns Twittern eines Fotos von Langer, das einen eingenässten Mann beim Hitlergruß zeigte, als „Zuschauer während der Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen im August 1992“ (Titel des Fotos). In einem weiteren Tweet machte Böhmermann, der unter anderem für’s ZDF, den rbb und andere Medien tätig ist, seinen rund 159.000 Followern die Abmahnung samt ihrer Höhe von knapp 1.000 Euro bekannt.
Weil sich daraufhin zahlreiche Diskussionen auf Twitter und im Web entwickelten, mit viel Kritik an Böhmermanns Vorgehen, aber auch zahlreichen Schmähungen des Fotografen, erläutert dieser nun als Gastautor des Blogs Kwerfeldein seine Position, und schreibt unter anderem:
„Dieses Foto wurde in den Medien als weltweit bekannt beschrieben und es wurde wegen seiner besonderen Symbolkraft immer wieder für Veröffentlichungen eingekauft. Mich kontaktieren seit 20 Jahren viele fremde Menschen und bitten darum, das Bild für ihre Initiative, für eine Demo gegen Rechts und ähnliche Veranstaltungen und Zwecke benutzen zu dürfen. Ich lasse mir diese Anliegen in der Regel schriftlich geben und gebe das Bild dann für die skizzierte Nutzung frei; häufig kostenlos, manchmal gegen geringe Schutzgebühren.
Nicht einverstanden bin ich als der Fotograf allerdings damit, wenn mein Bild ungefragt irgendwo auftaucht und verbreitet wird. Dann entgeht mir das Honorar und (was mir bei diesem Motiv besonders wichtig ist) die Kontrolle über den inhaltlichen Zusammenhang. Denn – und diese Haltung will ich mir leisten – ich verkaufe meine Bilder nicht an jeden.“
Diese Kontrolle über den inhaltlichen Zusammenhang, in dem ein Werk erscheint oder erscheinen soll, steht im übrigen jedem Urheber gesetzlich zu, geregelt durch die Paragrafen 12 bis 14 des Urheberrechtsgesetzes, die auch als Urheberpersönlichkeitsrecht bezeichnet werden.
Wie er durch regelmäßige Bildersuchanfragen im Netz immer wieder festgestellt habe, so Langer, würden seine Fotos darüber hinaus ungefragt im Netz genutzt, und zwar im Laufe der Jahre so häufig, dass ihm die individuelle Klärung zu viel wurde:
„Früher habe ich dann oft persönlich nachgefragt, ich habe E-Mails geschrieben und/oder angerufen und nach dem Hintergrund gefragt, warum mein Bild einfach ohne Rücksprache verwendet wurde. Das war auf die Dauer aber so nicht mehr machbar, weder zeitlich noch nervlich. Die „Entschuldigungen“ bzw. Erklärungen für den Bilderklau könnten ein ganzes Buch füllen, ich habe sehr viel Zeit investiert und meine Einnahmen als Fotograf blieben aus. Deshalb gebe ich diese Urheberrechts-Verletzungen inzwischen an einen Rechtsbeistand weiter. “
Auch dieser Blog-Eintrag Langers löste eine lange und teils leidenschaftlich geführte Diskussion aus (in den Kommentaren auf Kwerfeldein, an denen sich auch Böhmermann beteiligt). Ähnliche Resonanz erzeugte ein Facebookpost Böhmermanns, den dieser zwei Tage nach seinem Abmahnungs-Tweet absetzte, um seine Haltung dazu etwas ausführlicher zu erläutern.
Darin gibt der TV-Journalist zwar zu, den Fotografen nicht um Erlaubnis gefragt, die entsprechende Unterlassungserklärung unterschrieben und die Abmahnkosten bezahlt zu haben. Zugleich stellt er jedoch sinngemäß in den Raum, dass beim Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material in sozialen Netzwerken die Grenzen zwischen privat, professionell und kommerziell fliessend seien und Abmahnungen wie diese überholt, überzogen beziehungsweise beliebig seien, und dass diesbezüglich neue Regelungen her müssten.
Fotograf Martin Langer fragt indes, wer eigentlich Grund habe sich aufzuregen: die Internetnutzer, der Fernsehmoderator, der ungefragt sein Bild verwende, oder er, der durch Böhmermanns Vorgehen in der Öffentlichkeit nun am Pranger stehe:
Auf Twitter, auf Facebook, im halben Internet bin ich die „Kapitalistendrecksau“. Meine Adresse wurde veröffentlicht mit Aufrufen zur Gewalt („Hier, wer ihn mal besuchen will, hier ist seine Adresse …“), ich bekomme nächtliche Anrufe („Wollen Sie sich von PEGIDA distanzieren?“) und E-Mails von wildfremden Personen („natürlich ist das, was Sie machen, totaler Unsinn und meiner Meinung nach geldgieriger Mist“). Selbst meine 14-jährige Tochter wird von Mitschülern in der Schule inzwischen blöde angelabert. Radiosendungen und andere Medien tragen Falschmeldungen immer weiter, immer in Verbindung mit meinem Namen. Noch einmal: Ich lasse keine Re-Tweets, Shares und keine Verlinkungen abmahnen.
Nicht zuletzt frage er sich auch, weshalb sich das ZDF, dass Böhmermanns Sendungen ausstrahlt, sich nicht gegen seinen Moderator wende. [Update: Der Fotograf Sasha Rheker nimmt auf der Website von Freelens e.V., Berufsverband für Fotojournalisten und Fotografen, Stellung zu der Auseinandersetzung]
Update [31.1.2015]: Es gibt eine weitere Stellungnahme Böhmermanns auf seiner Facebook-Seite, in der er sich für das Anprangern des Fotografen entschuldigt und sein Anliegen verteidigt, urheberrechtliche Alltagsprobleme zu thematisieren. Siehe dazu ein Kommentar auf taz.de.
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