Oliver Castendyk: Auch kleine Reformen können große Wirkungen haben
1. Dass der Dritte Korb eine grundlegende Reform des Urheberrechts mit sich bringt, halte ich für eher wenig wahrscheinlich. Realistischer ist ein „piecemeal approach“. Dies liegt nicht nur an der rechtlich und technisch komplexen Materie, sondern auch daran, dass das deutsche Urheberrecht EU- und völkerrechtlichen Vorgaben beachten muss, die grundlegende Änderungen unmöglich machen. Allerdings können auch kleine Reformen große Wirkungen haben.
2. Verwaiste und vergriffene Werke: Im jetzigen System müssen die geringen Einnahmen aus der Online-Verwertung viele Kosten decken – die der Digitalisierung, der technischen Bereitstellung („Hosting“) und die des Nacherwerbs von Rechten (inkl. Recherche nach Rechteinhaber, Verhandlung, Vertragsschluss, Vertragsdurchführung und -überwachung).
Gerade bei wenig nachgefragten Büchern übersteigen die Kosten die Einnahmen deutlich. Folge: Sie werden digital nicht angeboten. Es ist deshalb sinnvoll, bei verwaisten und schon länger vergriffenen Werken eine kollektive Lizenzierung über Verwertungsgesellschaften einzuführen.
3. Online-Piraterie: Sie stellt eine wachsende Bedrohung für die Unternehmen und Kulturschaffenden in der Kreativwirtschaft und damit langfristig auch für die Gesellschaft insgesamt dar. Alle bisherigen Bemühungen, das Problem auf partnerschaftlicher Basis gemeinsam mit der Internetwirtschaft zu lösen, blieben erfolglos.
Ein Grund ist, dass der Gesetzgeber es versäumt hat, ausreichenden gesetzlichen Schutz zu gewähren und damit die Verfolgung von Rechtsverletzungen – mit allen finanziellen Risiken und zur Zeit damit verbundenen Imageschäden – allein den Rechteinhabern überlassen hat.
Die Internetpiraterie kann aber nur zurückgedrängt werden, wenn alle Marktteilnehmer gemeinsam in die Verantwortung genommen werden. Die dafür notwendigen Änderungen im Telekommunikationsgesetz sollten zügig auf den Weg gebracht werden. Anders als die Fama will, steht gibt es viele Lösungen, die mit dem Datenschutz vereinbar sind.
Zur Person
Prof. Dr. Oliver Castendyk, MSc. (London School of Econ.) ist Partner der Kanzlei Brehm & von Moers in Berlin. Er arbeitete von 1992–2000 als Leiter der Rechtsabteilung der ProSieben Media AG und berät seit 2001 Mandanten aus dem Bereich Filmproduktion, Rundfunk und Print. Er ist Gastprofessor an der Universität Potsdam und lehrt an der Bucerius Law School.
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