Texte zitieren: Meine Worte, Deine Worte
Eine wichtige Einschränkung des Urheberrechts (eine sogenannte Schrankenbestimmung) ist das Recht, andere Werke ganz oder teilweise zitieren zu dürfen. Die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Teilen eines Werkes – gegebenenfalls sogar von einzelnen vollständigen Werken – in einem anderen selbständigen Werk ist ohne Einwilligung und Vergütung des Urhebers erlaubt, soweit dies für den so genannten Zitatzweck gerechtfertigt ist.
Dem Zitatrecht liegt der Gedanke zugrunde, dass der Urheber bei seinem Schaffen praktisch immer auf den kulturellen Leistungen seiner Vorgänger aufbaut. Daher wird von ihm im Interesse der Allgemeinheit erwartet, dass er diesen relativ geringen Eingriff in sein ausschließliches Verwertungsrecht hinzunehmen hat, wenn dies dem allgemeinen kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt dient.
Kleinzitat und Großzitat
Grundsätzlich muss zwischen dem Klein- und dem Großzitat unterscheiden werden. Unter einem Kleinzitat versteht man das auszugsweise Zitieren aus einem fremden Werk. Wörtlich heißt es im Gesetz, „Stellen eines Werkes“ dürfen zitiert werden, also jeweils nur kleine Ausschnitte. Dabei kann man sich an folgende Faustformel halten: Aus umfangreichen Werken darf mehr, aus weniger umfangreichen entsprechend weniger zitiert werden. Voraussetzung ist stets, dass die auszugsweise zitierten Werke bereits mit Zustimmung des Berechtigten – in der Regel dem Urheber – veröffentlicht wurden. Aus unveröffentlichten Werken darf dagegen nur zitiert werden, wenn der Urheber dies gestattet hat.
Neben dem Kleinzitat besteht auch die Möglichkeit einzelne Werke nicht nur teilweise, sondern insgesamt zu zitieren. Nach dem Wortlaut des Gesetzes darf dieses so genannte Großzitat allerdings nur für wissenschaftliche Werke „zur Erläuterung des Inhalts“ in Anspruch genommen werden. Als wissenschaftliche Werke gelten in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur methodisch angelegte Werke wie Forschungsarbeiten oder Dissertationen, sondern auch populärwissenschaftliche Literatur, die der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnis dient.
Um das Großzitat in Anspruch nehmen zu können, müssen höhere Voraussetzungen als beim Kleinzitat erfüllt sein. Das zitierte Werk muss nicht nur veröffentlicht, sondern auch erschienen sein. Dazu müssen mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke nach ihrer Herstellung in „genügender Anzahl“ der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sein, zum Beispiel durch die Verfügbarkeit des Werkes im Buchhandel.
Neben dem im Gesetz ausdrücklich geregelten Großzitat gestatten die Gerichte in ständiger Rechtsprechung auch das so genannte „kleine Großzitat“ (oder „große Kleinzitat“). Dem Zitatrecht wird hiernach eine so große Bedeutung zuerkannt, dass es auch möglich sein soll, ganze Werke in nicht-wissenschaftlichen Publikationen zu zitieren. Hiermit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass manche Werkarten zum Zitieren in kleinen Teilen nicht geeignet sind. Dies gilt insbesondere für Fotos oder Werke der bildenden Kunst (zum Beispiel Skulpturen). Ein Foto sagt im Regelfall nur dann etwas aus, wenn man es im Ganzen betrachten kann. Soweit ein Zitatzweck – was das ist, wird im nächsten Abschnitt erklärt – vorliegt, ist es also zum Beispiel möglich, ein Foto in einem Prosa-Text zu zitieren.
Voraussetzungen zum Zitieren
Um das Zitatrecht in Anspruch nehmen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen unbedingt erfüllt sein. Grundsätzlich gilt: Es muss immer eine innere Verbindung zwischen dem eigenem und dem zitierten Werk bestehen. Im Einzelnen:
• Jedes Zitat muss einen Zweck erfüllen.
Diese Bestimmung hat folgenden Hintergrund: Für die Zulässigkeit eines Zitates genügt es nicht, wenn man hiermit nur eigene Ausführungen sparen oder das eigene Werk auszuschmücken will. Dieser Grundsatz gilt für alle Arten von Zitaten, also sowohl für das Klein-, das Groß- als auch das kleine Großzitat. Im Übrigen werden bei den einzelnen Zitatarten unterschiedliche Anforderungen an den Zitatzweck gestellt. Um dies nicht unnötig zu verkomplizieren, hier nur zum Wesentlichen: zulässig ist ein Zitat nur, wenn es die eigenen Ausführungen unterstützt oder der „geistigen Auseinandersetzung“ mit dem zitierten Werk dient und es einen inneren Zusammenhang mit dem eigenen Werk aufweist.
• Das Zitat muss als solches kenntlich gemacht und der übernommene Inhalt darf nicht verändert werden.
Jedes Zitat muss als Übernahme aus einem fremden Werk deutlich kenntlich gemacht werden. Bei Sprachwerken kann dies zum Beispiel durch Hervorhebungen (etwa Anführungszeichen oder Fettdruck) geschehen. Immer muss außerdem die Quelle angegeben werden. Es ist generell nicht gestattet, die zitierte Stelle zu verändern. Zitate in Texten müssen daher im Regelfall wortwörtlich erfolgen. Kürzungen oder Übersetzungen sind nur erlaubt, wenn diese nicht „Sinn entstellend“ wirken.
• Das Zitat darf über den durch den Zweck gebotenen Umfang nicht hinausgehen
Eine strikte Grenze des zulässigen Zitatumfangs gibt es nicht. Jedenfalls ist der Zitierende nicht verpflichtet, sich nur auf das notwendige Minimum zu beschränken. Zulässig sind Zitate vielmehr in einem sachgerechten, vernünftigen Umfang. Dieses Maß ist dann auf jeden Fall überschritten, wenn die Nutzung des zitierten Werkes durch das Zitat beeinträchtigt oder gar ersetzt wird. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und dabei vor allem von dem Umfang des zitierten und des zitierenden Werkes.
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