Landgericht Hamburg: Forumsbetreiber haften für ihre Teilnehmer
Immer wieder kommt es vor, dass die Teilnehmer in Online-Foren sich rechtswidrig verhalten. Häufig geht es in solchen Fällen um Beleidigungen von anderen Personen oder um Aufrufe, fremde Webseiten zu attackieren.
Worum ging es im „Heise-Fall“?
So auch im Heise-Fall. In seinem Newsticker hatte der Verlag im August 2005 einen Artikel über dubiose Geschäftspraktiken eines Anbieters veröffentlicht, dem Domain-Grabbing von versehentlich freigegebenen URLs vorgeworfen wurde. Im Forum zum Artikel ging es anschließend hoch her. Mehrere Forumsteilnehmer riefen dazu auf, die Webseite des kritisierten Anbieters durch massive Zugriffe zu attackieren und so den Server in die Knie zu zwingen.
Der Heise-Verlag wurde daraufhin vom Anbieter der Webseite abgemahnt und aufgefordert, die Forumseinträge zu löschen und zu verhindern, dass es in Zukunft erneut zu solchen Aufrufen kommt. Der Verlag löschte die Beiträge unverzüglich, weigerte sich jedoch, die geforderte Verpflichtungserklärung abzugeben, solche Beitrage zukünftig vorab zu verhindern. Denn hierdurch hätte Heise sich verpflichtet, fortan jeden Forumsbeitrag auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, bevor er online gestellt wird.
Kann und muss ein Forumsbetreiber alle Einträge kontrollieren, bevor sie online gehen?
Es geht also nicht um die Frage, ob widerrechtliche Beiträge gelöscht werden müssen, nachdem ein Forumsbetreiber vom Verletzten auf sie aufmerksam gemacht wurde. Dass eine solche Pflicht besteht, war nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Gestritten wird im Heise-Fall vielmehr um die wesentlich weiter gehende Pflicht, rechtswidrige Handlungen vorab zu vermeiden. Eine solche Verpflichtung könnte – im Falle eines Forums – nur dadurch erfüllt werden, dass jeder Eintrag der Nutzer von einem Mitarbeiter individuell auf seine Rechtmäßigkeit geprüft und – je nach Ergebnis der Prüfung – online gestellt oder abgelehnt würde. Denn die rechtswidrige Handlung (zum Beispiel der Aufruf, die Server eines Unternehmens zu sabotieren), ist in dem Moment erfolgt, in dem der Beitrag im Forum erscheint.
Hierzu wurde der Heise-Verlag durch das Urteil tatsächlich verpflichtet. Zur Begründung ihrer Entscheidung tragen die Richter vor, dass der Anbieter eines Forums verpflichtet sei, unzulässige Äußerungen der Teilnehmer zu verhindern. Der Heise-Verlag wandte ein, dafür müssten sämtliche Postings – nach eigener Angabe über 200.000 im Monat – kontrolliert werden, was weder technisch noch „manuell“ zu realisieren sei. Das ließ das Gericht nicht gelten. Im Urteil heißt es: „Technisch ist ihr (der Antragsgegnerin, also dem Heise-Verlag, Anm. der Redaktion) eine solche Einflussnahme im Grundsatz ohne weiteres möglich, da sie ihr Forum in der Weise einrichten kann, dass die Einträge vor ihrer Freischaltung auf die rechtliche Zulässigkeit ihres jeweiligen Inhalts geprüft werden. Zu einer solchen Prüfung der Inhalte, die sie über ihren Internetauftritt verbreitet, ist die Antragsgegnerin auch verpflichtet.“
Zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung beruft sich das Landgericht auf zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH). Eines der Urteile (aus dem Jahr 1980) beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Verlag vor der Veröffentlichung eines besonders kritischen Sachbuchs verpflichtet ist, dies eigenhändig auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu überprüfen. In dem anderen Urteil des BGH (aus dem Jahr 1962) hatte das oberste Zivilgericht entschieden, dass ein Rundfunkbetreiber bestimmte Vorkehrungen treffen muss, bevor er eine Modesendung ausstrahlt. Dabei ging es darum, dass Markenschilder abgeklebt werden mussten, um einem unsachlichen Vergleich von Modeartikeln vorzubeugen.
Foren betreiben = „Unterhaltung einer Gefahrenquelle“
Das Landgericht vertritt weiter die Ansicht, dass der Betrieb eines Forums eine erhebliche Gefahrenquelle eröffne, da hierüber viele Äußerungen der Nutzer verbreitet würden. Derjenige, der solche „besonders gefährlichen Einrichtungen“ unterhält, unterliege einer verschärften Haftung, führen die Richter aus und verweisen dabei zum Vergleich auf das Straßenverkehrs- und das Arzneimittelrecht.
Aufgrund dieser verschärften Haftung müsse der Forumsbetreiber dafür sorgen, dass keine rechtswidrigen Beiträge gepostet werden. Er sei daher verpflichtet, entweder genügend Personal einzustellen oder technische Mittel einzusetzen, damit die Forumsbeiträge auf ihre Rechtmäßigkeit hin geprüft werden können, bevor sie online gehen. Eine solche Prüfung hätte vor allem in dem Fall stattfinden müssen, um den sich der Streit drehte. Denn „aufgrund der in ihrem (der Antragsgegnerin, also dem Heise-Verlag, Anm. der Redaktion) eigenen Beitrag geübten harten Kritik an dem Verhalten der Antragsteller musste sie jedenfalls damit rechnen, dass Nutzer, die Beiträge in dieses Forum einstellen würden, dabei ‚über die Stränge schlagen’“.
Was bedeutet das nun für die Forumsbetreiber?
Durch diese Einschränkung lässt das Landgericht letztlich offen, ob ein Forumsbetreiber tatsächlich alle Einträge überprüfen muss oder nur solche, die im Zusammenhang mit besonders kritischen Artikeln gepostet werden. „Jedenfalls dann, wenn […] der Verbreiter damit rechnen muss, dass das von ihm den Nutzern zur Verfügung gestellte Angebot missbraucht werden wird, muss er wirksamen Vorkehrungen treffen, um einen solchen Missbrauch zu vermeiden“, heißt es in dem Urteil.
Was sagt der Heise-Verlag dazu?
Der Heise Zeitschriften Verlag hat bereits angekündigt, das Urteil nicht hinzunehmen und Berufung einzulegen. “Eine Vorabkontrolle von Nutzerbeiträgen würde das Ende der gewachsenen Forenkultur in Deutschland bedeuten. Unserer Ansicht nach handelt es sich um ein grobes Fehlurteil. Es hätte gravierende Folgen für alle Betreiber von Foren, wenn die Entscheidung Bestand haben sollte.”, wird Verlagsjustiziar Joerg Heidrich in einer Meldung des Heise-Newstickers zitiert.
Was sagen Sie dazu?