Kommentar: Kein Grund zur Depression wegen des Leistungsschutzrechts
Ausgehend von einer Diskussion bei Facebook, hier nun noch einmal mein nun leicht ergänzter Kommentar zu Reaktionen auf die Bundesratsentscheidung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger:
Warum gibt es keinen Grund zur Depression?
Das was die Verlage, die das LSR so vehement vorangetrieben haben, am Ende bekommen werden, wird aus nichts außer Ärger, Anwaltskosten in Millionenhöhe, Einbruch der Reichweite und schlechter Stimmung ihrer Leser oder potentiellen Leser bestehen. Mit gewaltigen Kollateralschäden für Suchmaschinen, wie auch immer geartete Aggregatoren und alle die diese Dienste nutzen. Für alle Seiten nach wie vor ein miserables unkalkulierbares Gesetz.
Die -wenn man sie so bezeichnen kann und will- Netzgemeinde hat jedoch ihren Teil dazu beigetragen, dass aus den Forderungen am Anfang, am Ende faktisch nur noch eine leere Hülle, ein Lex Garnichts geworden ist. Wer sich in der Netzgemeinde für alleinverantwortlich in Fragen von technischem Avantgardismus und Durchsetzung bzw. Verhinderung von gesetzlichen Maßnahmen hält, der mag bemängeln, dass nicht alles gelungen ist, was auf den Fahnen stand. Es ist jedoch falsch, hier eine Niederlage daraus zu konstruieren.
Die Grenzen zwischen Netzszene und anderen Playern in der Gesellschaft sind inzwischen fließend. Es gibt nicht das eine Biotop das aktiv wird. Vielmehr sind es viele Faktoren die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Diejenigen, die sich seit Jahren auf den unterschiedlichsten Ebenen mit dem Leistungsschutzrecht auseinandersetzen und dagegen argumentieren und arbeiten, können sich vielmehr auf die Schulter klopfen. Auf der anderen Seite stand die “mächtigste Lobby Deutschlands” (Eigenbezeichnung eines führenden Verlagsvertreters. Mit allen Tricks und einer kampagnenartigen Berichterstattung, die mehr als grenzwertig war, haben sie es nicht geschafft, das zu bekommen was sie gefordert haben. Auch weil es die vielen unterschiedlichen, stärkeren und schwächeren Stimmen der Netzgemeinde gab, die bis zuletzt argumentiert haben, anstatt mit miesen Tricks zu arbeiten.
Das ist ein Verdienst, mag es teilweise am Ende ein stückweit auch ein Fehler sein. Die Auseinandersetzung mit Argumenten ist aber ein hohes Gut. Ich habe nicht das Gefühl, dass hier irgendeine Form der Depression angebracht wäre. Man sollte die letzten fehlenden fünf bis zehn Prozent sportlich nehmen und beim nächsten Mal überlegen, ob man neben den Argumenten auch stärker politisch agiert. Dies sollte aber gut abgewogen werden.
Zudem ist aktuell noch völlig offen ob das Gesetz jemals das Licht der Welt erblickt. Weder hat der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnet, das von vielen bereits im Vorfeld als verfassungswidrig bezeichnet worden war, noch wurde ein aus meiner Sicht zwingendes Notifizierungsverfahren bei der Europäischen Kommission durchgeführt. Wer jetzt den Kopf in den Sand steckt, macht es wie manche Presseverleger, die auf Teufel komm raus irgendwas haben wollten, damit sie zumindest in ihren Kreisen behaupten können, sie hätten gewonnen. Hochmut kommt vor dem Fall, und der Abgrund liegt direkt vor ihnen.
Schluß also mit der um sich greifenden Depression, den Schuldzuweisungen und dem Gejammere. Dass alle -auch die Netzgemeinde- immer besser und professioneller werden muss, steht außer Frage. Reflektion und Kritik immer, für eine Depression und ein Negieren der Erfolge sollte aber kein Platz sein.
8 Kommentare
1 Jens am 25. März, 2013 um 08:42
Mein Reden :)
2 Carsten am 25. März, 2013 um 09:47
Kann diese Meinung nicht teilen. Fakt ist doch einfach, dass hier ein Gesetz auf massiven Lobbydruck verabschiedet wurde, das alle am Prozess Beteiligten (außer denen, die es verabschiedet haben und denen, die es gefordert und bekommen haben) für völligen Unsinn halten. Wenn unsinnige Gesetze trotzdem durchkommen, ist das alleine schon Grund genug für Depression und Politikverdrossenheit. Die Medien die das LSR haben wollten haben darüber auch nicht “grenzwertig berichtet”, sondern sie haben teilweise frech gelogen oder die Diskussion unter den Teppich gekehrt. Und die Opposition – quer durch die Parteienlandschaft – hat hier ein äußerst trauriges Bild abgegeben, inklusive Abstimmungsverhalten/Nichtanwesenheit bei der Abstimmung. Selten wurde so exemplarisch vorgeführt, was für ein schmutziges Geschacher Politik in diesem Land geworden ist. Dieses eigene Totalversagen (inklusive des Versagens, das Thema zu einem Thema für die breite Öffentlichkeit zu machen) nun in einen Sieg und eine Niederlage der anderen Seite umzudeuten, wie das z.B. Konstantin von Notz tut, ist absurd. “Die Verabschiedung des LSR ist eine Niederlage der LSR-Befürworter! Sklaverei ist Freiheit!” Mitnichten ist das so. Und die Millionen an Anwaltskosten werden nicht die Verlage beschädigen, die können sich das -noch- leisten. Nein, das wird die Aggregatoren treffen, die Blogger, manch hoffnungsvolles Startup. Ihr dürft ja mal raten, welches Gericht die ersten Prozesse zu dem Thema dann behandeln wird? Tippe mal, sämtliche Verlage werden nach Hamburg ziehen… aus Gründen. An sich ist das ja keine neue Sache (Paperboy/Perlentaucher-Prozesse), aber angesichts der Chuzpe wie offensichtlicher Unsinn hier in Gesetzesform gegossen wurde kann einem schon schlecht werden. Auch Politiker sollten an ihren Ergebnissen gemessen werden, und die Zielvorgabe hier war: das LSR verhindern. Das habt ihr nicht erreicht. Jetzt zu sagen, irgendwie haben wir ja doch gewonnen, weil das Gesetz so furchtbar schlecht ist und Rechtsunsicherheit schafft ist lächerlich. Wir, ihr alle die dagegen waren haben versagt. Punkt. Ob man deswegen jetzt depressiv werden muß oder sich einfach den Mund abwischt und weitermacht steht auf einem ganz anderen Blatt, hat aber mit der Bewertung des Ganzen überhaupt nichts zu tun. Sorry.
3 Philipp Otto am 25. März, 2013 um 12:48
Ja, wenn unsinnige Gesetze kommen, ist dies schlecht. Man muss aber trotzdem im nächsten Schritt schauen, was ursprünglich gefordert wurde, und was faktisch dabei rausgekommen ist. Und ja, auch die Politik hat in vielen Bereichen kein gutes Bild abgegeben. Sei es, weil die Materie zu unwichtig oder zu kompliziert erschien, oder dass man den falschen Leuten Versprechungen gemacht hat.
Du schreibst: “Selten wurde so exemplarisch vorgeführt, was für ein schmutziges Geschacher Politik in diesem Land geworden ist. Dieses eigene Totalversagen (inklusive des Versagens, das Thema zu einem Thema für die breite Öffentlichkeit zu machen) nun in einen Sieg und eine Niederlage der anderen Seite umzudeuten, wie das z.B. Konstantin von Notz tut, ist absurd.”
Wichtig wäre hier zu definieren, wo denn ein eigenes Versagen stattgefunden haben soll. Natürlich ist da immer die Hoffnung alles aufzudecken und andere vollumfänglich auf den Pfad der Tugend zu führen, das reicht aber meiner Meinung nach nicht, hier ein Versagen zu attestieren.
Und du hast völlig Recht, wenn du schreibst, dass die hohen Anwaltskosten die Aggregatoren et al s.o. treffen. Aber eben auch die Verlage. Deswegen schrieb ich, “Für alle Seiten nach wie vor ein miserables unkalkulierbares Gesetz”.
Und ich teile auch deine Einschätzung dass hier Unsinn in Gesetzeskraft gegossen werden soll. Aus sehr vielen Gründen.
Ich habe nicht geschrieben, wir haben ja doch gewonnen, so andere, ich habe geschrieben, die Verlage gehören nach dem aktuellen Stand zu den ganz großen Verlierern. Wie viele andere auch. Die Politik, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, und dann am innerparteilichen Widerstand bzw. unterschiedlichen Meinungen auf Bundes- und Landesebene gescheitert hat, muss sich ebenfalls vorwerfen lassen, möglicherweise nicht genug getan zu haben.
All das führt aber nicht weiter. Insbesondere ist wichtig, tatsächlich zu eruieren was jetzt für ein Gesetz kommen soll. Und es sind die Dinge zu eruieren, die auf dem Weg dahin passiert sind. Ich glaube die “Netzgemeinde” hat einen guten Teil dazu beigetragen, dass es eine komplett ausgehöhlte und möglicherweise nur schwer anzuwendende Regelung geworden ist. Und das, wenn es nicht schon ganz von der Tagesordnung gestrichen werden konnte, ist selbstverständlich ein Erfolg – wenn auch nicht der ganz große. Und zur Erinnerung: es ist noch ein weiter Weg bis das hier Gesetzeskraft erlangen könnte.
4 marc am 26. März, 2013 um 12:39
Wenn es hier einen Verlierer gibt, dann ist es die SPD, neben der Verlagslobby.
5 DPF Delete am 2. April, 2016 um 12:59
Those who deal in years at various levels with the intellectual property right and argue against and work, can pat on the back rather. On the other side was the “most powerful lobby in Germany” (proper name of a leading publishing representative.
Was sagen Sie dazu?