Wie Künstler*innen Digital Commons nutzen und neue Kunstformen damit erschaffen
Seit Anfang 2017 forschen Shusha Niederberger, Cornelia Sollfrank und Felix Stalder an der Zürcher Hochschule der Künste zum Thema Kunst und Commons. Unter dem Titel „Creating Commons“ untersuchen sie Kunst- und Kulturprojekte, die in den letzten Jahren im Raum zwischen Kunst und digitalen Netzen entstanden sind. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht dem klassischen Modell des Künstlers folgen, der egomanisch sein Werk erstellt, sondern im Netzwerk gemeinsam Wissen teilen und Infrastrukturen aufbauen.
Die Projekte können grob in drei Bereiche eingeteilt werden: Digitale Archive, Werkzeuge und Infrastuktur sowie Bildungsformate. Dazu gehört unter anderem das Online-Kunstarchiv UbuWeb, das Tactical Tech Collective, die experimentelle Filmdatenbank 0xDB oder das transfeministische Kollektiv Mz Baltazar’s Laboratory aus Wien. Im Projekt entstehen Interviews, Vorträge und Veröffentlichungen. 2020 erscheint voraussichtlich ein Buch mit den Ergebnissen des dreijährigen Forschungsprojekts. Schon jetzt lassen sich Interviews, Aufsätze und Präsentationen auf der Website des Projekts nachlesen.
Creating Commons beschäftigt sich konkret mit der Frage, wie künstlerische Praxis und politischer Anspruch zusammen gehen: „Wie können neue Formen der Organisation und Zusammenarbeit andere Arten von künstlerischen Werken und sozialen Zusammenhängen erzeugen? Wie können künstlerische Praktiken dazu beitragen, dass das Commons als inklusive, diverse und demokratische Form der Organisation weiterentwickelt wird? Welche Rolle spielen die Kunst und ein erweiterter Begriff der Ästhetik dabei, Commons als politisches Projekt zu fördern?“
„Digital Commons“ ist dabei ein Sammelbegriff für unterschiedliche Praktiken, die Gemeinwohl orientiert sind, gemeinschaftliches Eigentum an Informationen und Technologie propagieren und selbstorganisiert sind.
Ausstellung: Wie notiert man Zusammenarbeit?
Die Ausstellung in der Berliner panke.gallery (wo der Kurator Sakrowski schon seit einigen Jahren ambitioniert die Netzkunst seit den 1990er Jahren aufarbeitet) ist ein Nebenprodukt des Forschungsprojekts. Die Ergebnisse sollen nicht nur im akademischen Rahmen rezipiert werden, erklärt Cornelia Sollfrank, sondern auch als ästhetische Praxis dargestellt.
Für die Ausstellung fragten die Projektverantwortlichen bei den beteiligten Künstler*innen an, einen Score zu erstellen – eine Partitur für das Zusammenarbeiten. Sie sollen die Praxis der beteiligten Projekte beschreiben beschreiben – das, was sie konkret tun. Dabei sind sie formal nicht eingeschränkt, wie sie ihre Praktiken aufzeichnen. Zeichnungen, Diagramme, Texte – alles ist erlaubt.
Die Idee ist angelehnt an die Konzeptkunst, wo Künstler*innen seit Mitte des 20. Jahrhunderts das Prinzip anwenden. Yoko Ono zum Beispiel hat ein ganzes Buch mit solchen Notationen veröffentlicht. Eine Anweisung lautet etwa: „Lass die Leute eine Kopie oder ein Foto deiner Gemälde anfertigen. Zerstöre die Originale.“
Zwischen Sozialwissenschaften und Kunst
Cornelia Sollfrank beschäftigt sich schon lange mit geistigem Eigentum. In ihrer Videoarbeit „Legal Perspective“ etwa befragte sie Anwälte, ob sie mit ihrer Auseinandersetzung der Warhol-Blumen („anonymous_warhol-flowers“, 2004) nun Andy Warhols Urheberrecht verletzt oder nicht. Entstanden ist ein interessanter Einblick in das problematische Verhältnis zwischen bildender Kunst und Urheberrecht.
Auch Felix Stalder, Professor an der Zürcher Hochschule der Künste, beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Digitale Netze und kollaborative Praktiken und hat dazu viel publiziert. Das Besondere an „Creating Commons“ ist die Verbindung sozialwissenschaftlicher Aufarbeitung und künstlerischer Reflexion. In der Ausstellung „Open Scores“ zeigt sich das dadurch, dass zahlreiche Workshops, Vorträge und Filmvorführungen eine weitere Ebene eröffnen, damit die Besucher*innen nicht nur schauen können, sondern auch teilnehmen.
Ausstellung vom 21. September bis 12. Oktober 2019
Eröffnung am Samstag 21. September 2019 um 19 Uhr
panke.gallery
Gerichtstr. 23 Hof 5
13347 Berlin
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag von 15:00 – 19:00 Uhr
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