Persönlichkeitsrechte und Cloud Computing
Neben dem Urheberrecht spielen Persönlichkeitsrechte in der Cloud eine erhebliche Rolle. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Persönlichkeitsrechte. Bei der Speicherung und Zugänglichmachung von Bildern oder Videos auf Cloud-Diensten ist vor allem das Recht am eigenen Bild relevant. Jeder hat das Recht, gefragt zu werden, bevor Fotos oder Videos, auf denen man zu sehen ist, ins Netz gestellt, in einer Zeitung gedruckt oder im Fernsehen gezeigt werden.
Die „Cloud“ macht da keine Ausnahme: Wer Personenabbildungen von anderen Menschen über Fotosharing-Dienste oder Videoplattformen öffentlich zugänglich machen will, muss eine Erlaubnis der Abgebildeten haben. Persönlichkeits- und Urheberrechte haben unterschiedliche Ansatzpunkte, können sich aber überschneiden. Ein Beispiel: Wenn ich mit meiner Handykamera bei einer Party ein Video drehe, habe ich hieran selbst ein Urheberrecht (oder Leistungsschutzrecht). Als Urheber kann ich damit also grundsätzlich machen, was ich will, es zum Beispiel verteilen oder bei einem Cloud-Dienst hochladen.
Persönlichkeitsrechte setzen dem jedoch unter Umständen Grenzen. Sind auf meinem Video andere Personen zu sehen, darf ich es zwar im privaten Kreis anschauen oder es für den Abruf durch Freunde oder Verwandte bei einem Cloud-Dienst hochladen. Öffentlich ins Internet stellen (zum Beispiel bei Youtube oder Vimeo) darf ich das Video aber erst, wenn ich die gefilmten Personen um Erlaubnis gefragt habe.
Der Grundsatz: Erlaubnis einholen bei öffentlicher Zugänglichmachung
Wer erkennbar auf einem Foto oder Video zu sehen ist, muss grundsätzlich gefragt werden, bevor das Material frei zugänglich ins Netz gestellt werden darf. Was ich ohne diese Erlaubnis in der Cloud machen darf, hängt von dem jeweiligen Dienst und den Einstellungen ab, die ich vorgenommen habe. Ohne Weiteres darf ich meine Bildersammlungen und Heimvideos über einen Cloud-Service nur dann synchronisieren oder online speichern, wenn sie nicht für jedermann sondern nur für Freunde, Verwandte, Bekannte sichtbar sind oder heruntergeladen werden können.
Bei den meisten Diensten kann man einstellen, ob man nur selbst oder auch Dritte, die man (zum Beispiel per Mail) eingeladen hat oder gar alle auf die Bilder und Videos zugreifen kann. Je freier ich die Zugriffsmöglichkeiten einstelle, desto eher muss ich andere Personen, die auf meinen Bildern zu sehen sind, um Erlaubnis fragen.
Ausnahmen vom Erlaubnisvorbehalt
Das Recht am eigenen Bild kennt einige wenige Ausnahmen von diesem Erlaubnisvorbehalt. Eine gilt für „Personen der Zeitgeschichte“, also vor allem Personen, die ohnehin im Licht der Öffentlichkeit stehen, wie Politiker, Popstars oder Profisportler. Sie müssen – schon allein um die Berichterstattung in der Presse oder im Fernsehen zu ermöglichen – nicht gefragt werden, bevor man Fotos von ihnen veröffentlicht.
Eine weitere Ausnahme gilt für Landschafts- oder Umgebungsaufnahmen, auf denen zwar Personen zu sehen sind, sie aber im Vergleich zum eigentlichen Motiv des Bildes nur Beiwerk sind. Ein Beispiel: Wenn man ein Foto vom Kölner Dom macht und darauf ganz beiläufig einige Personen zu sehen sind, sind sie Beiwerk und müssen vor der Veröffentlichung des Bildes nicht um Erlaubnis gefragt werden. Die Ausnahme wird sehr eng ausgelegt.
Sobald das Foto ohne die Personen weniger lebendig wirken würde, können sie als wesentlicher Bestandteil des Motivs gelten, und die Ausnahme greift nicht mehr. Es kommt also auf das Motiv an: Liegt es in der Landschaft oder dem Gebäude, kann die Ausnahme eingreifen. Liegt es dagegen in den Personen, die zu sehen sind, greift sie nicht. Konkret kann man das nur anhand des jeweiligen Fotos beurteilen.
Eine weitere Ausnahme betrifft Fotos von Menschenmengen. Fotografiert man zum Beispiel eine öffentliche Versammlung oder Demonstration und geht jede einzelne Person in der Masse unter, braucht man für die Veröffentlichung keine Genehmigungen einholen. Auch diese Bestimmung dient vor allem dem Schutz der Presse- und Berichterstattungsfreiheit, weil es ohne sie fast unmöglich wäre, bildlich über solche Veranstaltung zu berichten.
Auch diese Ausnahme ist allerdings nur eingeschränkt zu verstehen. Sie gilt zum Beispiel nicht für private Veranstaltungen wie Partys oder Hochzeitsfeiern. Auch setzt sie voraus, dass die Menschenmenge sich versammelt hat, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, wie eben bei einer Demonstration. Das ist bei Touristen, die sich unabhängig voneinander den Kölner Dom ansehen wollen oder Fahrgästen, die rein zufällig gemeinsam in einer U-Bahn fahren, nicht der Fall.
Zudem kann man sich auf die Ausnahme nicht berufen, wenn einzelne Personen auf dem Bild oder Video hervorgehoben sind, so dass sie aus der Menge hervorstechen. Die Idee hinter der Sonderregelung liegt darin, dass die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Personen zurücktreten, wenn die einzelnen Teilnehmer der Veranstaltung Teil einer anonymen Menschenmasse sind. Sobald eine Person herausgehoben ist, zum Beispiel dadurch, dass sie so im Vordergrund steht, dass sie erkennbar das Motiv des Fotos ausmacht, ist die Ausnahme nicht mehr anwendbar.
Schließlich gibt es noch eine Ausnahme vom Erlaubnisvorbehalt für künstlerische Personenabbildungen, die nicht auf Bestellung angefertigt werden. Macht jemand künstlerische Fotografien, darf er sie ausstellen oder auch online verbreiten, auch wenn die hierauf zu sehenden Personen nicht um Erlaubnis gefragt werden. Die Ausnahme hat jedoch ebenfalls einen sehr engen Anwendungsbereich. Ob sie anwendbar ist, zum Beispiel ob die Aufnahme tatsächlich einem „höheren Interesse der Kunst dient“, wie es im Gesetz heißt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.
Warum ist das so?
Man könnte sich nun fragen, warum das Recht so wenige Möglichkeiten enthält, Personenabbildungen ohne Erlaubnis in der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Immerhin läuft die Rechtslage darauf hinaus, dass man legal im Prinzip kaum Urlaubsfotos von belebten Plätzen frei zugänglich bei Flickr oder ähnlichen Diensten einstellen kann, denn die erforderlichen Erlaubniserklärungen kann man sich schwerlich verschaffen.
Der Grund für die praktischen Schwierigkeiten, die das Recht am eigenen Bild im Bereich „privater“ Nutzungen hervorruft, ist vor allem, dass das „Kunsturhebergesetz“, in dem es geregelt ist, aus dem Jahr 1907 stammt und seitdem nicht mehr grundsätzlich angepasst wurde. Als das Gesetz gemacht wurde, war es Privatpersonen nicht möglich, Bildnisse zu veröffentlichen. Allenfalls die Presse oder Buchverlage waren hierzu in der Lage. Dementsprechend sind die Regelungen auf Presseveröffentlichungen ausgerichtet.
Hierdurch ergeben sich gewisse Wertungswidersprüche. Es liegt auf der Hand, dass es für die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen einen erheblichen Unterschied macht, ob sie in einem Zeitungs- oder Fernsehbeitrag zu sehen sind, oder auf einem Bild, das zwar öffentlich zugänglich ist, aber nur als eines von Millionen Bildern auf einer Fotoplattform. Das Gesetz unterscheidet dennoch nicht zwischen diesen beiden Anwendungen, jedenfalls nicht grundsätzlich. Ob sich das in absehbarer Zukunft ändert, ist nicht absehbar.
Immerhin: Derartige Rechtsverstöße werden kaum jemals verfolgt, da die abgebildeten Personen in der Regel gar nicht wissen, dass sie auf einem Foto zu sehen sind, das ohne ihre Zustimmung ins Internet gestellt wurde.
Erlaubnis einholen – aber wie?
Zudem macht es einem das Gesetz relativ leicht, die Erlaubnis von Personen einzuholen, die auf Bildern oder Videos abgebildet sind. Es gibt keine formalen Anforderungen, die man erfüllen müsste. Das heißt vor allem, dass die Einwilligungserklärungen nicht schriftlich eingeholt werden müssen. Sie müssen noch nicht einmal ausdrücklich abgegeben werden, sondern es reicht, wenn die Abgebildeten sich bewusst sind, dass man die Fotos online stellen und frei zugänglich machen will und sie nichts hiergegen sagen.
Kündigt man zum Beispiel vor einer Party an, dass man vorhat, Bilder von den Gästen zu machen, um sie dann auf einer Fotoplattform uneingeschränkt zugänglich zu machen, dürfte das ausreichen. Wenn jemand das nicht möchte, müsste er es ausdrücklich sagen.
Bei Fotos, die man von Unbekannten in der Öffentlichkeit macht, ist auch das natürlich kaum möglich. Bei Urlaubsfotos etwa von belebten Plätzen gibt es daher nur die eine Möglichkeit auf Nummer Sicher zu gehen: Wenn sie in Cloud-Diensten online gestellt werden, dürfen sie nur dem privaten Kreis (Freunde, Bekannte, Familie) zugänglich gemacht werden.
Sich auf eine der Ausnahmeregelungen, zum Beispiel die für Personen als Beiwerk, zu verlassen, birgt stets ein gewisses Risiko. Diese gelten nie absolut, sondern erfordern immer eine Abwägung im Einzelfall, die juristische Laien kaum mit hinreichender Sicherheit vornehmen können.
3 Kommentare
1 Hans Steiner am 3. Februar, 2013 um 11:59
Darf ich nach einem Gottesdienst(die Kirche hat es gestattet) fotografieren – um nur Bilder für mich oder meinen Verwandtenkreis zu
machen? Es war eine Person im Gottesdienst(nicht des öffentlichen Lebens) -schlichtin ein mittelständ.Unternehmer.Aber nicht groß bekannt.Er forderte mich auf, daß ich ihn auf dem Forto löschen solle.Hat er dazu das Recht?
2 Katrin am 18. Dezember, 2013 um 13:54
Ich denke die Persönlichkeitsrechte in Verbindung mit dem Internet und Social Platforms ist eine Debatte die uns durch das gesamte 21. Jahrhundert tragen wird und wahrscheinlich noch weit darüber hinaus. Warum? Weil es zum einen zum allgemeinen Zeitvertreib gehört, jede Neuigkeit mit dem großen Kreis der User zu teilen, aber auf der anderen Seite die Privatsphäre so mehr als offen, wie ein Buch für alle lesbar liegt.
3 CultureTripGuide am 16. Mai, 2021 um 16:33
“Zudem kann man sich auf die Ausnahme (ctg: menschenmenge) nicht berufen, wenn einzelne Personen auf dem Bild oder Video hervorgehoben sind, so dass sie aus der Menge hervorstechen.” hmmm, dann dürfte man einen steinewerfer oder einen prügelnden polizisten nicht identifizierbar aufnehmen (?) oder wenigstens nicht die aufnahme veröffentlichen, sondern nur zur strafverfolgung als beweismittel einsetzten. richtig?
Was sagen Sie dazu?