Großrazzia gegen Tauschbörsen-Nutzer
Nachdem die Staatsanwaltschaft Köln monatelang in Zusammenarbeit mit der deutschen Landesgruppe der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) ermittelt hatte, schlugen die Behörden am Dienstag zu. Pressemitteilungen zufolge sollen insgesamt 3500 Verdächtige ermittelt worden sein, die jeweils eine Vielzahl („bis zu 8000“) von Musikstücken zum Download über E-Donkey angeboten hatten. Die Polizei beschlagnahmte im Rahmen der Razzia Computer und andere Beweismittel bei den Verdächtigen.
Nicht die „üblichen Verdächtigen“
Ein an der Aktion beteiligter Staatsanwalt zeigte sich verwundert über die Altersstruktur der Beschuldigten. Unter den identifizierten Personen seien nur wenige Jugendliche, sehr viele „junge Erwachsene“ und „auch ältere Menschen“ gewesen, zitiert tagesschau.de den Strafverfolger.
Technische Ermittlungshilfen
Nach Angaben der IFPI wurden die Urheberrechtsverstöße durch die „proMedia Gesellschaft zum Schutz des geistigen Eigentums mbH“ ermittelt, die diese Art der Ermittlungstätigkeit im Auftrag der Musikindustrie durchführt. Zur Ermittlung in der Tauschbörse E-Donkey wurde laut Pressemitteilung der IFPI eine „extra dafür entwickelte und weltweit einmalige Software“ eingesetzt, mit deren Hilfe proMedia innerhalb von zwei Monaten über 800.000 Datensätze und mehr als 14 Gigabyte an Log-Dateien gesammelt haben soll.
Was droht den Verdächtigen?
Ob und mit welchem Ende die Strafverfahren gegen die beschuldigten Tauschbörsianer weitergeführt werden, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Wer online geschützte Musikstücke anbietet und hierfür keine Erlaubnis des Rechteinhabers hat, begeht eine Urheberrechtsverletzung und macht sich damit strafbar. Die Staatsanwaltschaften können jedoch nach eigenem Ermessen einzelne Verfahren einstellen, soweit es sich um Bagatellfälle handelt. Bei kleineren Urheberrechtsverstößen und Erstdelikten wird dies regelmäßig so gehandhabt. Ansonsten drohen – soweit man den Beschuldigten strafbare Handlungen nachweisen kann – Geld- oder – in Extremfällen – sogar Haftstrafen.
Gleichgültig wie die Strafverfahren ausgehen: Mit Sicherheit dürfen die betroffenen Filesharer davon ausgehen, mit Schadensersatzansprüchen der Musikindustrie konfrontiert zu werden. Hier gilt, dass den Belangten in einem Prozess nachgewiesen werden müsste, dass sie die jeweiligen Urheberrechtsverletzungen begangen haben. Meist kommen die Fälle jedoch nicht vor Gericht, sondern werden außergerichtlich mit einem Vergleich beigelegt. In der Vergangenheit bezahlten Urheberrechtsverletzer nach Angaben der IFPI durchschnittlich 3.000 Euro an die Musikindustrie. Hinzu kommen in der Regel die Anwaltskosten.
Lob von prominentem Besuch
Für die Musikindustrie hatte die groß angelegte Razzia offensichtlich erhebliche Bedeutung. Immerhin reiste IFPI-Chef John Kennedy eigens dafür nach Deutschland an. Gegenüber Spiegel-Online (Link am Ende des Textes) äußerte er sich zufrieden mit der Aktion: „Ich bin froh, dass die deutschen Behörden die Bedeutung von Urheberrechtsverletzungen erkannt haben und konkrete Maßnahmen dagegen durchführen. Internetpiraterie hat die gesamte deutsche Musikszene schwer getroffen, was in den letzten fünf Jahren zu einem Umsatzverlust von etwa einem Drittel geführt hat.“
Kritik von anderer Seite
Weniger begeistert äußert sich die „AG Wissensallmende“ von Attac in einer Pressemitteilung über die Razzia. Hier heißt es: „Die Attac-AG Wissensallmende sieht hierin eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Verklagt werden Personen, die Musik nicht-kommerziell zur privaten Nutzung zugänglich gemacht haben. Viele von ihnen haben dabei kaum mehr als 10 Alben online gestellt.“ Oliver Moldenhauer von Attac meint zudem: „Die Musikindustrie versucht, Millionen von Usern zu kriminalisieren. Ein Vorhaben, das von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.“
Schon seit langem kritisiert Attac die Praxis, private Nutzer rechtlich zu verfolgen und setzt sich im Gegenzug für die Einführung einer so genannten „Kultur-Flatrate“ ein. Gemeint ist eine urheberrechtliche Regelung, die den Tausch von geschützten Werken über P2P-Netze legalisiert würde. Für die Verbreitung sollen Tauschbörsianer eine monatliche Gebühr in Höhe von fünf bis zehn Euro an ihre Online-Provider zahlen. Um für die Forderung nach einer Kultur-Flatrate Unterstützung zu erhalten, hat Attac die Kampagne „Fairsharing“ ins Leben gerufen. Nutzer können sich auf der Webseite der Initiative in eine Unterschriftenliste eintragen und damit eine Erklärung unterstützen, in der sich Attac für die Einführung eines solchen „alternativen Kompensationsmodells“ ausspricht.
Dass die Forderung nach einer Kultur-Flatrate aus rechtlicher Sicht nicht ganz so abwegig ist, wie es unter anderem das Bundesjustizministerium im Gesetzesentwurf zum „Zweiten Korb“ der Urheberrechtsreform annimmt, hat ein aktuelles Rechtsgutachten gezeigt. André Lucas, renommierter Rechtswissenschaftler aus Frankreich, kam hierin zu dem Schluss, dass die Legalisierung von Filesharing bei gleichzeitiger Einführung einer Monatspauschale mit europäischem und internationalem Urheberrecht vereinbar sei.
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