Sven Regeners Wutrede: „Banausentum gegen die Künstler”
Dem Rockmusiker und Romanautor Sven Regener („Element of Crime“) ist in einem Hörfunk-Interview zum Urheberrecht die Hutschnur hochgegangen. In 5 Minuten rechnet Regener mit der Piratenpartei, der Kostenlos-Kultur im Netz, dem Umgang mit Musikschaffenden und Youtube ab.
Schon jetzt ist klar: Regeners Wutausbruch im Bayerischen Rundfunk wird die Debatte um Piraterie, Urheberrechte und Verdienstmöglichkeiten im Internet neu befeuern.
Christopher Lauer, der kulturpolitische Sprecher der Piraten, reagierte ebenfalls im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk auf Regeners Wutrede. Regener solle das Internet nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen. Es könne keine Lösung sein, das Internet zu beschränken.
Dirk von Gehlen, Autor des Buchs “MashUp: Lob der Kopie” und Redaktionsleiter von jetzt.de (Süddeutsche Zeitung), wendet sich in seinem Blog an Regener: “Ich befürchte (…), dass Ihr Schimpfen einzig kurzfristig Ihren Ärger lindert, aber langfristig unser aller Problem nicht löst.” Von Gehlen ruft Regener auf, pauschale Abgabesysteme auch für das digitale Kopieren und das Konzept einer Kulturflatrate zu unterstützen.
Hier die Aussagen Regeners im Überblick….
Zur gesellschaftlichen Wertschätzung von Musikern und ihrer Werke:
“Es wird so getan, als ob wir Kunst machen als exzentrisches Hobby. Das Rumgetrampel darauf, dass wir uncool seien, wenn wir darauf beharren, dass wir diese Werke geschaffen haben, ist im Grunde nichts anderes, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: ‘Euer Kram ist nichts wert. Wir wollen das umsonst haben. Wir wollen damit machen können was wir wollen und wir scheißen drauf, was Du willst oder nicht’. Die Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.”
Zur “Verlogenheit“ der Piratenpartei:
„Ich kann vor allem die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen: ‘diese Künstler sind sowieso alle Nutten, wenn sie das für Geld machen‘. Die Leute haben für alles Geld, aber wir sollen das irgendwie umsonst machen. Was soll das? Auch der Begriff Piratenpartei ist geistiges Eigentum. Und wenn ich hier morgen eine Piratenpartei aufmache, steht hier eine halbe Stunde später ein Anwalt der Piratenpartei auf der Matte, so sieht es nämlich aus.“
“Der örtliche Chef hier von der Piratenpartei, der hat eine Firma, die machen Apps für’s iPhone – das ist ein geschlossenes System, das ist hundert Prozent Copyright, mit Anwälten, mit allem Drum und Dran. Und der Typ sagt dann ‚hier alles schön frei und so weiter‘. Aber das möchte ich mal sehen, was passiert, wenn ich sein Programm, was er da gerade verkauft, wenn ich das knacke und ins Internet stelle für jeden zum freien Runterladen und zum Installieren auf seinem iPhone, dann hab ich die Anwälte von iTunes auf dem Hals, bevor ich überhaupt das Ding hochgeladen hab. Und dieselben Leute…diese ganze Verlogenheit…das ist im Grunde ein reines Banausentum und geht immer nur gegen die Künstler und das finde ich höchstgradig unangenehm.”
Zum Einkommen von Musikern:
“Zu glauben, irgendwann käme das Sozialamt um die Ecke und würde die Bezahlung der Künstler übernehmen und dabei würde noch gescheiter Rock’n’Roll rauskommen – das kann man knicken.”
Rock’n’Roll-Musiker verdienen laut Regener “jede Mark” selber. “Die bekommen wir von Leuten, die sagen, ja das ist mir das wert, wir geben 99 Cent aus für dieses Lied. Das ist die Idee dabei. Das macht den Rock n’ Roll groß. Alles andere ist Subventionstheater. Alles andere ist Straßenmusik. Aber ich möchte kein Straßenmusiker sein. Für Musik zu bezahlen ist eine Frage des Respekts und des Anstands. So wie es eine Frage des Anstands und Respekts ist, nichts im Supermarkt zu klauen, selbst wenn man wüsste, dass man nicht erwischt würde.”
Zur Idee, man könne ohne Musik-Labels auskommen:
“Zu glauben, man könnte auf Plattenfirmen verzichten, und dann würde man trotzdem noch dieselbe Musiklandschaft vorfinden, wie wir sie jetzt haben, oder sagen wir mal vor zehn Jahren hatten, das ist ein großer Irrtum.”
Zur Krise der Musik-Industrie:
„Die kleinen Indie-Labels sind alle weg. Was bleibt, ist Volksmusik, deutscher Schlager und Rockmusik für die Älteren. Der Rest dazwischen ist schon tot. Das ist nicht lustig.”
“Den Leuten in den Plattenfirmen zu erzählen, dass sie scheiße sind, weil sie in einer Plattenfirma arbeiten, ist schon ganz schön dreist.”
Zum Streit zwischen Gema und Youtube
„Da muss man mal die Fronten klar machen. Youtube gehört Google. Das ist ein milliardenschwerer Konzern, der nicht bereit ist, pro Klick zu bezahlen. Nun hat aber weder Youtube noch Google uns irgendetwas zu bieten, außer das, was andere Leute geschaffen haben und da rein gestellt wird. Und da sind wir an dem Punkt, wo die Musiker sagen und die Gema sagt – und die Gema sind wir, die Komponisten und Textdichter – und wir sagen: ‘Nein, für dieses Geld kriegt ihr unseren Kram nicht. Wir sehen nicht ein, dass da Milliardengeschäfte gemacht werden, auch mit Werbung in diesem Bereich, und wir kriegen davon nichts ab. Wir sind sozusagen die Penner in der letzten Reihe. Das ist eine Unverschämtheit.”
“Das sollte sich jeder, auch junge Mensch, genau überlegen, ob er sich wirklich zum Lobbyisten von so einem milliardenschweren Konzern wie Google machen möchte. Und das sind große Lobby-Verbände diese Internetfirmen, und viel stärkere als zum Beispiel die Plattenindustrie. Und die bringen dann als Hilfstruppen die ganzen Deppen ins Spiel, die sagen: ‘Warum kann ich denn das Video nicht auf Youtube gucken?‘.
Zu Youtube‘s Geschäftsmodell
“Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass diejenigen, die den Inhalt liefern, nichts bekommen, das ist kein Geschäftsmodell, das ist scheiße.“
Idee für kostenfreien Musik-Genuß
„Ansonsten können sich alle die Lieder von Kim Schmitz vorsingen lassen.“
Zu seinem Wutausbruch
„Das ist nicht schön, es tut mir ja auch leid, dass das alles jetzt hier so schwallartig runterkommt, aber mir steht‘s wirklich bis hier, ich kann das alles nicht mehr hören.“
13 Kommentare
1 Christoph am 23. März, 2012 um 22:44
Wo er recht hat hat er recht.
Aber ja, rein hilfreich ist es nicht. Und dass Musik umsonst ist, war schon vor dem Internet so, siehe Radio. Und wer Lady Gaga hören will, nur als sehr erfolgreichs Beispiel, der muss sich seit zwei Jahren bestimmt keine Platte kaufen. Kommt ja eh. Aber so wie’s aussieht kaufens die Leute ja wie blöd.
2 Rjonathan am 26. März, 2012 um 09:06
@Christoph
Und außerdem zahlt das Radio an die GEMA…
3 musikdieb am 27. März, 2012 um 13:12
Also ich teile seine Ansichten nicht unbedingt. Vor allem was er über Rock’n’roll und Straßenmusik erzählt finde ich ziemlich daneben. Leider scheint diese Haltung bei erfolgreichen Musikern normal zu sein. Sie erkennen nicht, dass sie ein Stück weit einfach nur Glück hatten und dass sie eher die Ausnahme als die Regel darstellen, wenn sie als ambitionierte Künstler von ihrer Musik leben können.
Aber man sieht sehr schön die verfahrene Diskussion. Denn zum Teil hat er durchaus recht. Die Haltung der Internetcommunity finde auch ich langsam immer bedenklicher. “Deppen” ist noch viel zu harmlos ausgedrückt für die ganzen Volltrottel, die sich von Google und Co. instrumentalisieren lassen…
4 B. Traven am 28. März, 2012 um 21:58
Für so dumm habe ich Sven Regener nicht gehalten, hich hielt ihn aber auch nie für besonders interessant.
Ich sehe das so: Kunst und Künstler sind eine Erfindung. Und der Künstler sollte damit zufrieden sein, von einigen immerhin geliebt zu werden. Wer geliebt wird, wird bestimmt nicht vergessen – also auch nicht verhungern.
Und das reicht ja wohl aus, für ein Menschenleben. Wer mehr will als Ansehen – wer nach Geld lechzt, der muss auch in Kauf nehmen, in den Arsch gefickt zu werden.
Gruß B.T.
5 S.K. am 30. März, 2012 um 10:28
Lustig ist, dass dieses Denken “urkonservativ” ist: Kunst ist unseriös und deshalb nichts wert.
Obwohl früher Gemälde und Kompositionen Auftragsarbeiten waren.
Genau betrachtet ist für mich fast alles Kunst (unten noch eine interessante Definition des Wortes “Kunst” inkl. des Wortursprungs aus wikipedia)
Ein Handwerker beherrscht sein Handwerk, übt es aus und verlangt, weil es Menschen gibt die einen Bedarf nach Möbel haben und sie selbst nicht herstellen “können”, dafür eine Entlohnung. Warum soll das bei Musik anders sein? Weil sie es aus Freude oder Leidenschaft tun? Ich bezahle noch viel lieber für Produkte die aus Überzeugung und Leidenschaft entstehen als aus purer Profitgier. Bezahlung ist doch auch Wertschätzung. Wenn ich das nicht will, muss ich selbst Musik machen und von Luft und Liebe leben.
Definition aus Wikipedia:
Kunst ist ein deutsches Wort. Bereits im Althochdeutschen lautete es kunst (Plural kunsti), im Mittelhochdeutschen kunst (Pl. künste). Ursprünglich ist kunst ein Substantivabstraktum zum Verbum können mit der Bedeutung „das, was man beherrscht; Kenntnis, Wissen, Meisterschaft“. Die Redewendung „Kunst kommt von Können“ ist also etymologisch, dem Wortursprung nach, richtig.
6 Ändy am 31. März, 2012 um 13:37
An dieser Urheberrechtsdebatte und so, wie sie hier und auf anderen Foren geführt wird, wird m. E. deutlich, dass es sich um eine Stellvertreter Debatte handelt, stellvertretend diskutiert wird – hier am Beispiel der Gruppe ‘Künstler_innen’ – die Frage, der ökonomischen Partizipation am gesellschaftlichen Reichtum. Das eigentlich Interessante an der hier geführten Diskussion ist, sie könnte sich genau so gut auch um Mindestlöhne, um Urlaubszeiten, um Elternzeiten, um Sozialabgaben, um Renten oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse drehen. Warum verlagern sich eigentlich “gesellschaftlich” wichtige Fragestellungen auf eine Gruppe wie die der Künster_innen?
Letzten müssen wir unsere Interessen als Musiker_innen halt selbst wahrnehmen und nicht an die GEMA, Plattenfirmen, Konzertveranstalter etc. delegieren. Ich habe das mit meinem CD Release Lovesongs for Great Yarmouth gemacht (CC-Lizenz), könnt ihr hier kaufen:
http://www.musicload.de/aendy/lovesongs-for-great-yarmouth/musik/album/11982455_2 und sicher sein, nach Steuern bleiben über 50 % der Kohle bei mir. ;-)
7 Nils Mahler am 1. April, 2012 um 16:07
Leute wie Regener sind lebende Anachronismen; die Klage über die Armut unserer Künstler und der Ruf nach Gesetz und Justiz werden auf lange Sicht die durch die technischen Möglichkeiten in Gang gesetzte Entwicklung nicht aufhalten können. Nebenbei bemerkt: Es ist gut zu wissen, wer der Gegner ist. Außerdem gibt es in Bezug auf Regeners Werk künftig einen weiteren Multiplikator (“is nix besonderes, brauchste nicht zu lesen, hören etc…”).
8 malvin am 9. April, 2012 um 11:36
Dass Musik immer umsonst war, halte ich für ein Gerücht!!! Auch Musik kostet was; der Künstler muss ja auch von was leben.
Es gibt zwei Baustellen:
Die Piraten wollen das Urheberrecht kippen, sie nennen das “reformieren”. Meinen tun sie die Kappung der Schutzfrist, was klar eine Enteignung darstellt. Es ist ohnehin schon ein Zugeständnis, dass 70 Jahre pmd die Werke frei sind. Bei einem Haus is es doch auch nicht so, dass plötztlich ein Haus dem früheren Besitzer genommen wird und der Allgemeinheit kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
Nerven tut, dass hier Leute die große Moraldiskussion ausrufen über Ubheberrechte, aber eigentlich ein ganz anderes Ziel verfolgen: Sie wollen die künstlerischen Werke nicht nur für lau konsumieren sondern selbst damit Profit schlagen.
Die Sampelkünstler sind so ein Beispiel: Wer Fragmente aus ein paar Songs nimmt und denkt, sein Sammelsurium wäre jetzt eigenltich ein neuer, sein eigener Song, dass ist das FALSCH.
Ich kann auch keine patentierten Einzelteile für ein Autoe nachbauen (kopieren), dann das Auto bauen und verlangen, dass das neue Auto gefälligst lizenzfrei ist!!!
Wer Content/Musik etc. braucht, der soll sich das basteln oder selbst komponieren/texten; das ist ganz klar. Wenn er das selbst nicht schafft, d.h. nicht selbst komponieren und textdichten kann, sorry dann is er eben kein Komponist/Textdichter.
Es gibt ja auch einen Grund warum Gutenberg der Doktortitel aberkannt wurde.
Hätte KT die Texte so verändert, dass man keinen Bezug zum Urspungszetiungsartikel herstellen hätte können, wäre alles ok gewesen.
Und wenn irgendwelche Sampelkünsteler einen urheberrechtlichen geschützten Content nehmen und so verändern, dass er nicht eindeutig zuzuordnen ist, dann dürfen die das machen: ALLES IST MÖGLICH:
Wenn die aber nicht in der Lage sind: Sorry, dann solln sies lassen; dann sind sie keine Urheber sondern Interpreten!!!!
Was sagen Sie dazu?