Zugang zu Kunst und Kultur muss erhalten bleiben
Ein Debattenbeitrag im Rahmen der Sendereihe „U-Ton. Urheberrecht im Digitalen Zeitalter“.
Das Urheberrecht, wie wir es bisher kennen, regelte geistige Eigentumsrechte in einer analogen Welt. In dieser waren Inhalte noch ungleich fester an ihre Träger gebunden und die Vervielfältigung entweder mit massiven Qualitätsverlusten behaftet oder mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden. Dies hat sich mit der Digitalisierung und der Leistbarkeit technischer Infrastruktur derart massiv verändert, dass die bisherigen Grundfesten der Geschäftsmodelle, die Wertschöpfungskette und letztlich auch die Regulationsmaßnahmen dieser Märkte, wie beispielsweise das Urheberrecht, erheblich ins Wanken gekommen sind.
Die alten Marktordnungen brechen um, neue Player wie Google oder Apple sind neben die alten Majors getreten und laufen ihnen den Rang ab. Die Kontroverse zwischen Google und den Presseverlagen wie sie besonders in Deutschland, angeführt vom Springer-Konzern seit 2012 mit einiger Vehemenz geführt wird, zeigt den Kampf um die Vorherrschaft im digitalen Raum.
Kern dieses Kampfes ist die Frage nach den Zugängen zu Information und vor allem wie diese monetarisiert werden können. Knapp zwei Jahrzehnte nachdem das Internet zum Massenmedium geworden ist, steht schon die Netzneutralität, also die Gleichbehandlung aller Daten auf dem Spiel: Wer mehr zahlt, dessen Daten haben Vorrang. Die ökonomische Spaltungen, die jede Gesellschaft durchziehen, sollen auch im digitalen Raum greifen und jenen Priorität einräumen, die bereit und in der Lage sind, dafür zu bezahlen.
Der Zugang soll reglementiert werden
Ebenso ist es mit dem Zugang zu Information im weitesten Sinne, also auch zu Kunst und Kultur bestellt. Dieser Zugang soll reglementiert und kostenpflichtig werden – unabhängig davon, ob dieses Wissen aus rein privaten oder öffentlichen Mitteln erzeugt wurde.
Zwei Ziele werden damit verfolgt: Erstens die Kontrolle und zweitens die einzelne Bezahlung jeden Rezeptionsaktes. Das Mittel dazu ist zunächst eine entsprechende Reform des Urheberrechts. Dadurch soll eine Situation geschaffen werden, die einige wenige UrheberInnen und DistributorInnen besser stellt, den Rest hingegen – UrheberInnen, andere DistributorInnen, Archive und nicht zuletzt das Publikum – massiv benachteiligt.
Das grundlegende Narrativ der verschiedenen Kampagnen, die in den europäischen Staaten deswegen in den letzten Jahren gestartet wurden, ist dabei gleich: UrheberInnen werden vorgeschickt, um Einkommensverluste durch die Digitalisierung zu beklagen, die durch eine repressive Rechtsdurchsetzung behoben werden könnten. Mit verschiedenen Mitteln des Polit-Lobbyismus wird dann Stimmung gemacht.
Dabei wird die prekäre finanzielle Lage der meisten KünstlerInnen ausgenützt, die sich durch den Rückzug staatlicher Förderungen und Strukturen in ihrer Existenz bedroht sehen. Sie arbeiten in einem Feld mit einem strukturellen Überangebot an professionellen AkteurInnen, die um sinkende Mittel kämpfen. Wenn außer den international erfolgreichen Stars immer weniger Künstler von den gängigen Honoraren leben können, so werden alle Hoffnungen auf das Marktprinzip gesetzt: Der Verkauf der Werke soll die fehlenden Gagen kompensieren.
Urheber schneiden sich von den Produktionsmitteln ab
Vor diesem Hintergrund ist das aggressive Festhalten am alten Urheberrecht zu verstehen, die schrillen Töne der diversen Kampagnen sowie die verzweifelten Aussagen wie: „Das Urheberrecht ist alles, was wir haben.“ Dabei wird übersehen, dass auch den UrheberInnen Kosten durch eine Ausdehnung des Zahlprinzips auf jede Rezeptionshandlung entstehen und dies erst recht, wenn diese Inhalte in ein neues Werk einfließen.
Oder, anders formuliert: Eine ökonomisch bereits geschwächte Gruppe arbeitet daran, sich selbst den Zugang zu ihren eigenen Produktionsressourcen und -mitteln massiv zu erschweren. Und daneben erschweren sie auch anderen eben diesen Zugang zu Informationen, künstlerischen und wissenschaftlichen Werken erheblich.
Diese politische Kurzsichtigkeit ist das Resultat einer wachsenden Verzweiflung an den Rahmenbedingungen künstlerischer Arbeit. Solange diese nicht verbessert werden und stattdessen eine Rhetorik vermeintlicher Wertschätzung durch realpolitische Verachtung konterkariert wird, ist keine Lösung dieses Dilemmas in Sicht.
Elisabeth Mayerhofer ist strategisch-politische Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich. Sie vertritt die IGKÖ im Vorstand des Kulturrat Österreich und in internationalen Organisationen wie Culture Action Europe und Platform for Intercultural Europe.
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