Wenn Raubkopierer Kopierschutz einsetzen

Foto: mikael altemark, CC BY
In der Januar-Ausgabe der Brand Eins beobachtet Constantin van Lijnden in einem sehr lesenswerten Artikel die Szene der professionellen „Raubkopierer“. Interessant sind besonders die Einblicke in die Arbeitsteilung inner- und außerhalb der „Release“-Szene, durch die neue Veröffentlichungen von Musik oder Filmen im Netz landen.Der Artikel schildert, wie die Release-Gruppen nur am Anfang einer Kette stehen, an deren Ende neue Titel öffentlich im Netz verfügbar werden – oder auch nicht. Innerhalb der Release-Szene steht demnach der Wettbewerb um die Erstveröffentlichung und den damit verbundenen Ruhm im Vordergrund, die öffentliche Weitergabe der Dateien wird vielmehr kritisch gesehen:
„Anders als viele glauben, geht es den meisten von uns überhaupt nicht darum, die Welt mit kostenlosen Filmen und Software zu beglücken“, sagt Kurtz [ein Interviewpartner aus der Release-Szene, DP]. Im Gegenteil: Die Releases sollten ausschließlich auf szeneeigenen FTP-Servern (sogenannte Topsites) hochgeladen und getauscht werden – eine kleine, sich selbst versorgende Datenkommune, in der es zwar alles gratis gibt, die aber so wenige Einwohner hat, dass sich niemand ernstlich an ihr stört.
Dieses romantische Ideal funktioniert nicht. Mal sind es die Betreiber der Topsites, die neben Mitgliedern der Szene – und ohne deren Wissen – gegen Bezahlung auch weniger honorigen Gestalten Zutritt gewähren, mal sind es Angehörige von FXP-Gruppen (eine weitere Disziplin, die sich auf die Verbreitung von Releases zwischen verschiedenen Servern spezialisiert) oder Mitglieder der Szene selbst; irgendein Leck findet sich beinahe immer, wobei neben Unachtsamkeit oder Freigebigkeit durchaus auch Geld eine Rolle spielen kann.
Dass manche Release-Gruppen dabei ironischerweise schon so weit gegangen sind, selbst Kopierschutz einzusetzen, um die Weiterverbreitung „ihrer“ Inhalte zu verhindern, bestätigt auch Beobachtungen von Forschern wie Balázs Bodó, nach denen Filesharing kein „rechtsfreier Raum“ ist, sondern ganz eigenen Regeln gehorcht. Diese Regeln können allerdings unterschiedlich ausfallen, wie der Artikel ebenfalls deutlich macht:
Neben der Szene hat sich eine Vielzahl von lose organisierten Gruppen etabliert, die ihre Releases ohne klare Regeln unmittelbar in Peer-to-Peer-Netzwerken oder Foren veröffentlichen. Die Szene sieht darin einen Verfall der Sitten, sie blickt mit der Arroganz der alten Garde auf die neue.
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