Webschau: EU-Urheberrechtsreform und Artikel 13 – pro und kontra
Der Streit um die neue Richtlinie zum EU-Urheberrecht tobt. Verwerter und manche Urheberverbände loben die Direktive, die Netzcommunity organisiert Petitionen und Demos. Aber es gibt auch Überraschungen. Eine Übersicht.
Das Ergebnis der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, -Rat und -Parlament für eine neue EU-Urheberrechtsrichtlinie liegt seit Mitte Februar 2019 vor. Seitdem tobt vor allem um Artikel 13 (Stichwort: Uploadfilter) eine aufgeregte Diskussion, bei der die eine Seite das freie Internet in Gefahr sieht und die andere Seite eine Möglichkeit, endlich Lizenzierungsmöglichkeiten gegenüber Plattformen wie Youtube zu haben.
Wir haben eine kleine Auswahl der Stimmen zum Thema zusammengestellt.
Das Netz gegen Uploadfilter
Bei Artikel 13 geht es um die Haftung von Plattformen. Darin werden diese verpflichtet, urheberrechtlich geschützte Werke gleich beim Upload herauszufiltern oder im Vorfeld Lizenzverträge mit Inhalteanbietern abzuschließen. Netzaktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen lehnen dies ab.
Julia Reda, Abgeordnete im Europäischen Parlament für die Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ und sehr aktiv in den Diskussionen über das EU-Urheberrecht, veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Einordnung zum Entwurf und wie es dazu gekommen ist: „Dieses Gesetz wird das Internet, wie wir es kennen, grundlegend verändern – wenn es denn in der finalen Abstimmung angenommen wird. Das können wir aber immer noch verhindern!“
Der Widerstand gegen Artikel 13 ist breit: Eine Petition „Stoppt die Zensurmaschine – Rettet das Internet! #Uploadfilter #Artikel13“ bei Change.org hat Ende Februar 2019 knapp 5 Millionen Unterschriften gesammelt.
Außerdem sind zahlreiche Demonstrationen geplant, etwa am 2. März in Berlin, und europaweit am 23. März. Die Liste wird veröffentlicht von der Initiative „Save the Internet“, die laut eigenen Angaben „eine freie Gruppe von Internetaktivisten“ ist, die sich unabhängig finanziert – „sowohl aus Selbstfinanzierung der Initiatoren, als auch durch die privaten Mittel unserer Aktivisten“ heißt es auf der Webseite.
Auf Saveyourinternet.eu wiederum haben sich zahlreiche Bürgerrechtsiniativen und Verbraucherorganisationen, wie Wikimedia, Creative Commons, Electronic Fronier Foundation und EDRi zusammengefunden. Sie informieren über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten und fordern die Bürgerinnen und Bürger der EU auf an ihre Repräsentanten zu schreiben und sich gegen die Reform auszusprechen.
Wer lieber Videos schauen möchte: Rechtsanwalt Christian Solmecke erklärt in einem Youtube-Video, wie Uploadfilter kleinere Plattformen einschränken würden.
Uploadfilter bergen die Gefahr, als Zensurinstrumente missbraucht zu werden
Sascha Lobo befürchtet in seiner Spiegel-Online-Kolumne eine Zensurinfrastruktur: „In der Folge entsteht eine automatisierte Zensurmaschine, die auf den bekannten Plattformen praktisch jedes Wort vorab prüft und im Zweifel blockiert. Solche technischen Filter wurden nach ihrer Einführung immer und immer benutzt, um unliebsame politische Inhalte zu filtern.“
Simon Hurtz auf sueddeutsche.de ist etwas weniger dramatisch: „Die zwei Dutzend Artikel enthalten sinnvolle Änderungen, um das Urheberrecht an das digitale Zeitalter anzupassen. Doch Artikel 13 allein ist derart verkorkst, dass der potenzielle Schaden weitaus größer ist als der Nutzen.“ Seiner Meinung nach wäre es besser, den Kompromiss abzulehnen und noch mal von Vorne anzufangen. Das können im Augenblick nur noch die Abgeordneten des EU-Parlaments, die voraussichtlich Ende März über das EU-Urheberrecht abstimmen.
Datenschutzbeauftrager warnt vor Oligopol der Plattformen
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, warnt in einer Presseerklärung, dass es praktisch auf Uploadfilter hinauslaufen und dass dies zu einem Oligopol der großen Anwender führen würde: „Gerade kleinere Plattform- und Diensteanbieter werden nicht die Möglichkeit haben, mit allen erdenklichen Rechteinhabern Lizenzverträge zu schließen. […] Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft.“
Koalitionsvereinbarung: Uploadfilter sind unverhältnismäßig
Auch bei den Parteien im Bundestag sind viele Politiker mit dem Kompromiss unzufrieden – auch im Regierungslager. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD in Deutschland führt explizit an, dass Uploadfilter nicht eingeführt werden sollen – eine flächendeckende Einführung sei „unverhältnismäßig“.
So antwortet Dorothee Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung, auf Twitter auf die Frage, ob sie Uploadfilter ablehnt: „Genau. So. Ist. Das.“
Genau. So. Ist. Das. https://t.co/xUc7O53g2V
— Dorothee Bär (@DoroBaer) 12. Februar 2019
Die Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) wurde stark kritisiert, dass Deutschland nach ihrer Anweisung entgegen dem Koalitionsvertrag für die Urheberrechtsrichtlinie gestimmt hat. Sie verteidigte sich mit der Begründung, dass eine Urheberrechtsreform überfällig sei. „Wir sehen in diesem Ergebnis einen fairen Ausgleich zwischen ganz vielfältigen Interessen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der dpa.
GEMA und Verlage begrüßen den Reformvorschlag
Es gibt aber auch Stimmen, die die Richtlinie begrüßen. In einem Appell „JA zur EU-Urheberrechtsrichtlinie“ rufen die Verwertungsgesellschaften und diverse Urheberverbände, wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) oder der Dachverband der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ), die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, die Urheberrechtsrichtlinie zu verabschieden.
Zu den Uploadfiltern erklärt Harald Heker, Vorstandsvorsitzender der GEMA, dass es bei Artikel 13 um Lizenzverträge gehe, nicht Uploadfilter. Das würde bislang völlig untergehen. Die Urheberrechtsrichtlinie stärke die Position von Kreativ- und Medienschaffenden: „Der Text der Richtlinie ist ein ausgewogener Kompromiss, der Kreativen und Usern deutliche Vorteile bringt.“
In einem Interview mit 3SAT erklärt der Komponist Matthias Hornschuh, der als Musiker auch im GEMA-Aufsichtsrat sitzt, dass die Richtlinie den Nutzern einen Freiraum schaffe. Dadurch dass Youtube die Inhalte lizenzieren müsse, könnten die Nutzer*innen ohne Angst vor Abmahnungen urheberrechtlich geschützte Inhalte nutzen.
Der Filmkomponist Micki Meuser sieht eine Desinformationskampagne am Werk, die von den großen Internetkonzernen gesteuert werde. Die Debatte um Uploadfilter hält er für verlogen. Dass Memes und Blogs zensiert werden können, stimme nicht – sie seien explizit aus den Regelungen ausgenommen. Auf der anderen Seite ermögliche die Richtlinie, dass Urheber*innen endlich einen fairen Anteil an der Wertschöpfung im Netz bekommen.
6 Kommentare
1 Chris.M. am 28. Februar, 2019 um 12:02
Desinformation gibt es tatsächlich… aber leider auf der Seite von CDU/CSU und den Verlegern die völlig praxisfremd an diese Diskussion herangehen.
Man kann den Gesetzesentwurf nehmen und auf jede x-beliebe Plattform im Internet anwenden (und von denen gibt es zehntausende die betroffen sind). Man wird dabei schnell feststellen dass Artikel 13 gar nicht umsetzbar ist so wie im Gesetzestext gefordert wird… eben weil man nicht von 8 Milliarden Menschen Lizenzen einfordern kann.
Warum 8 Milliarden?
Weil potentiell jeder Mensch, jede Firma und jede Organisation Urheberrechte an digitalen Content haben kann und KEINE Plattform im Voraus sagen kann was die Benutzer hochladen werden.
Das Einholen von Lizenzen so wie im Artikel 13 gefordert ist UNMÖGLICH.
Die Plattformen (egal welcher Größe, also z.b. auch die kleine Bildergalerie) stehen nun also vor der Wahl.
1. Die Plattformen blocken jeden Inhalt den sie nicht explizit im Vorfeld kennen (Uploadfilter). Das führt zu Overblocking und der Zensur des Internets.
2. Die Plattformen ignorieren Artikel 13 und riskieren damit gegen Gesetze zu verstoßen. Die Abmahnanwälte werden sich freuen.
3. Die Plattformen stellen ihren Betrieb ein um die Kosten und den Mehraufwand von Artikel 13 zu vermeiden.
Sollten die Herren Politiker dies anders sehen so sollten wir von ihnen verlangen dass sie uns die technische Durchführung noch vor dem Beschluss im EU Parlament detailliert an Beispielen erklären. Sind diese Politiker dazu nicht in der Lage dann ist dieses Gesetzeskonstrukt nachweislich nicht durchführbar und muss dementsprechend auch abgelehnt werden.
2 Marc B. am 28. Februar, 2019 um 22:13
Ich würde gerne mal verstehen wie diese pauschale Lizensierung funktionieren soll. Da wird also pauschal Geld gefordert von Youtube – soweit ist das klar – aber wie genau kommt das denn bitte zu dem kleinen Musiker, Künstler, Rechteinhaber?
Wer genau bekommt denn bitte dieses Geld und wie und unter welchen Bedingungen wird das aufgeteilt?
3 Valie Djordjevic am 1. März, 2019 um 15:56
@Marc: Ich glaube, im Augenblick weiß das noch niemand so genau. Wir sitzen grade an einem Artikel, wo wir uns das mal genauer anschauen.
4 Schmunzelkunst am 1. März, 2019 um 19:06
Für die Ausschüttung von pauschalen Lizenzeinnahmen gibt es mit der sogenannten “Privatkopievergütung” jetzt schon ein m. E. eher abschreckendes Beispiel, an dem man sich fürs Erste zum Vergleich orientieren kann. Bei der Privatkopievergütung handelt es sich um eine Entschädigung, die Urheber als Ausgleich für die lt. § 53 Urheberrechtsgesetz zulässige Anfertigung von Privatkopien erhalten. Die Gelder hierfür haben die Hersteller, Importeure und Betreiber hierfür geeigneter Geräte (Kopiergeräte, Scanner, Drucker, PC, Speichermedien etc.) an Verwertungsgesellschaften zu entrichten. Die Einnahmen werden von diesen dann an Urheber, die bei ihnen Mitglied sind, auf Antrag ausgeschüttet.
Wie dabei z. B. die VG Bild-Kunst vorgeht, wird hier erläutert:
http://www.bildkunst.de/vg-bild-kunst/termine-und-fristen/ausschuettungstermine.html
Die GEMA und die VG-Wort machen das sicher anders.
5 Angie M am 3. März, 2019 um 01:02
Ich finde das ungeheuerlich! Da werden ganz viele Privatpersonen, die einem Hobby nachgehen, in ihrem Wirkungskreis extrem eingeschränkt. Ich bin in einem Forum von Benutzern einer bestimmten Spiegelreflexkamera, wo man sich austauscht und es für mich als Anfänger sehr viele tolle Ratschläge gibt. Dort werden natürlich auch Fotos hochgeladen. Immer mit dem Hinweis, dass keine Rechte verletzt werden. Und dort sind es fast ausschließlich Natur- Und Tieraufnahemn. Und was ist mit vielen anderen Plattformen, wo sich Menschen mit gleichen Interessen austauschen? Handarbeiten, Kochen, Haustiere, Garten etc. Es wäre eine extreme Zensur, wenn das alles nun nicht mehr möglich ist. Gehen wir jetzt wieder Riesenschritte rückwärts ins Mittelalter? Es ist schon besorgniserregend, dass sich die EU mit solchen Themen nicht tiefgründiger auseinandersetzt, sondern wieder mal pauschalisiert. Stattdessen sollten sie sich mehr um einheitliche Hinweise wie zuviel Zucker und Fett in Lebensmitteln, ein EU weites Verbot von Plastiktüten und Vorschriften für Verpackungsminimalisierung machen. Dinge, die für uns und die nächste Generation einen Nutzen bringt. Aber nicht solchen undurchdachten Schwachsinn!
6 Karsten Klein am 8. März, 2019 um 08:29
Ich glaube wir sind noch nicht reif dafür. Die Abschätzung der Konsequenzen ist unzureichend. Auch für Unternehmen: https://twitter.com/kklein1975/status/1103918988700966913
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