Verfügbar, aber nicht zugänglich – Wie das Patentrecht einer Impfstoff-Verteilung im Wege steht
Seit kurzem sind Impfstoffe gegen das Covid19-Virus verfügbar. Bei den Diskussionen um deren Verteilung geht es oft um Produktionskapazitäten. Nach Ansicht von Expert*innen leidet die Zugänglichkeit aber vor allem unter dem Patentschutz, an dem die Pharmafirmen – trotz staatlicher Vorfinanzierungen – stoisch festhalten.
Das Hauptargument der Pharmafirmen lautet: Ohne Patentschutz, also ohne geistiges Eigentum, könne es keine Innovationen im pharmazeutischen Sektor geben. Es würde sich für sie schlichtweg nicht lohnen, die hohen Investitionen und Risiken auf sich zu nehmen. Das bekräftigte kürzlich der Internationale Pharmaverband.
Allerdings: Mehrere Regierungen, darunter auch Deutschland und die EU, haben mit vielen Milliarden öffentlicher Mittel die Entwicklung diverser Impfstoffe vorfinanziert und dadurch indirekt vorangetrieben – schließlich soll die Allgemeinheit von der Impfung profitieren. Die voraussichtlich milliardenschweren Gewinne aus der Verwertung der Patentrechte beanspruchen die Pharmafirmen dennoch für sich.
Sorgt das Patentrecht tatsächlich für Innovation?
„Würde es wirklich weniger Innovationen geben, wenn wir kein Patent-System hätten?“ Diese Frage formuliert die Juristin und Patent-Expertin Ellen´t Hoen in einem Interview für das österreichische Moment Institut.
Für sie ist klar: Das Anreizsystem des Patentrechts führe zu Konkurrenz und Kontrollwut zwischen den Firmen, wo eigentlich Kooperation und Wissenstransfer notwendig wären – und damit langfristig zu hohen Kosten, die zu Lasten der Allgemeinheit gingen.
Im Interview erklärt ´t Hoen, wie Patent-Pools in bestimmten Fällen für eine Verbesserung sorgen können. Das sind Zusammenstellungen von Patenten, die für die Mitglieder des Pools offen zugänglich und mit niedrigen oder gar keinen Lizenzbedingungen ausgestattet sind. Aus diesen sollten sich alle Länder bedienen können, um die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen. Ein Allheilmittel zur Lösung des Problems sieht die Expertin in Patent-Pools aber nicht.
Patentrechte können die globale soziale Ungleichheit verschärfen
Dass Pharmafirmen rigide auf dem Patentschutz und der Verwertung ihrer Covid19-Impfstoffe bestehen, lasse die globale Schere zwischen reichen und armen Ländern der Welt weiter auseinander gehen. Zu diesem Schluss kommt ein Artikel im US-amerikanischen Magazin „Foreign Affairs“, das sich mit internationaler Politik beschäftigt.
Autor Tahir Amin drückt sich in dem Artikel deutlich aus:
Es wäre moralisch katastrophal – und wirtschaftspolitisch verfehlt – wenn man es gestatten würde, dass Privatinteressen von öffentlich finanzierter Technologie profitieren würden, während Millionen zu Grunde gehen. [Übersetzung durch Georg Fischer]
Das vorhandene Wissen zur Herstellung des Impfstoffes nicht zu teilen, führe letztendlich zu einer Verlängerung der Pandemie, so Amin. Die Pandemie könne nur global wirklich effektiv bekämpft werden – genau das aber verhindere der globale Norden mit seinem Festhalten am Patentschutz.
Was Öffnungen bringen könnten
Demgegenüber hatte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Frühjahr 2020 für eine Öffnung des Patentschutzes eingesetzt, gemeinsam mit Vertreter*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Wenn nicht vollständig, so müsse der Patentschutz für Covid19-Impfstoffe zumindest temporär ausgesetzt werden, so die Forderung nach einem solchen „Covid-Pledge“ (iRights.info berichtete). Stattdessen sollten Pharmafirmen ihre Impfstoff-Patente öffnen und in einen gemeinsamen Pool einspeisen.
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