Streit um VG-Wort-Ausschüttungen: Mitgliederversammlung wirft Schatten voraus
Beim Perlentaucher hat sich der Autor und Urheberrechtler Martin Vogel erneut zu Wort gemeldet. Vogel, der erfolgreich gegen die Verteilungspraxis der VG Wort und ihre pauschalen Überweisungen an Verlage klagte, sieht den Vergütungsstreit in der Verwertungsgesellschaft noch nicht als ausgestanden an.
Vielmehr sei auch ein geplanter neuer Verteilungsplan – den die VG Wort auf ihrer nächsten Mitgliederversammlung beschließen könnte – teilweise rechtswidrig.
Nach wie vor ist die VG Wort nachdrücklich mit Unterstützung der Urheberverbände, namentlich von ver.di und dem DJV, darum bemüht, die Interessen der Verleger auf Kosten der Urheber zu fördern
– so die Kritik Vogels.
Fraktionen im Verteilungsstreit
Die für den 20. Mai geplante Mitgliederversammlung wird wohl verzwickt. Denn es gibt – nach allem, was bisher bekannt ist – mehrere Ansätze und viele Fraktionen:
- Der Vorstand der VG Wort sowie zahlreiche Mitglieder, die Verlagen und Gewerkschaften nahe stehen, scheinen die Zeit überbrücken zu wollen, bis es eine neue EU-Regelung gibt, welche die von den Gerichten gekippte Verlegerbeteiligung wieder grundsätzlich erlaubt. Diese ist in einem geplanten neuen Verteilungsplan verankert. Bis dahin soll offenbar das Verfahren verfolgt werden, bei dem Verleger nur dann Tantiemen erhalten, wenn Autoren sie ihnen ausdrücklich abgetreten haben. Die VG Wort hatte beschlossen, solche Erklärungen anonymisiert einzusammeln.
- Dagegen wenden sich Martin Vogel und andere Urheber in der VG Wort. Vogel sieht in diesem Modell Rechtsverstöße, weil es Ausschüttungen an Autoren weiter verzögere und diese in Tranchen aufteilen will. Sie streben wohl einen anderen Verteilungsplan mit weniger oder gar keinen Anteilen für Verleger an, unabhängig von eventuellen Abtretungen durch Autoren. Zudem monieren sie, dass Tantiemen ohne klare Begründung an weitere Organisationen fließen sollen. Noch ist nicht absehbar, wie viele Autoren sich verweigern und ob erneut eine „Sperrminorität“ zustande kommt, um den Plan des Vorstands zu verhindern.
- Dann gibt es einige Urheber und Mitglieder der VG Wort, die den Autorinnen und Autoren in erster Linie ermöglichen wollen, alsbald Nachzahlungen aus dem von Verlagen zurückgeforderten Tantiementopf erhalten. Es ist denkbar, dass sie dafür als Übergangslösung einem Verteilungsplan zustimmen, der auch Verlegern einen Anteil zugestehen würde, mittel- oder langfristig aber eine geringere Beteiligung der Verlage fordern. Diesen neuen Plan zu diskutieren, macht aus ihrer Sicht erst dann einen Sinn, wenn es eine neue EU-Regelung gibt.
- Und wahrscheinlich gibt es noch eine vierte oder fünfte Fraktion, die wieder andere Sichtweisen und Pläne hat. Zudem sind bereits weitere Anträge bei der VG Wort eingereicht, etwa zu den Abstimmungsregeln und weiteren Fragen.
Die Situation für die VG Wort bleibt somit verworren. An den zwei Tagen in München – bei der Versammlung der „Wahrnehmungsberechtigten“ und dann der Mitglieder – könnte sich wiederholen, was bereits die letzten Versammlungen der Verwertungsgesellschaft prägte: Streiterei, Abstimmungsärger, vielleicht auch wieder blockierte Anträge, Tohuwabohu, Schuldzuweisungen.
Es ist dennoch gut möglich, dass sich der VG-Wort-Vorstand sowie die Mitglieder, die Verlagen und Gewerkschaften nahestehen, diesmal mehrheitlich durchsetzen. Doch auch eine solche Einigung wäre nur von kurzer Dauer, bis eine neue Rechtslage auf EU-Ebene die Verteilungsfrage erneut aufwirft.
4 Kommentare
1 schnatterina am 16. Mai, 2017 um 16:24
Sind das nicht zwei verschiedene Schuhe? Ich denke, es gibt kaum ein Zurück von der Rückzahlung der Verlage für die Jahre 2012 bis 2015 und die erhoffte Ausschüttung an die Autoren in diesem Jahr. Spannend wird 2016 – und wie es weiter geht. Da sollte es nicht heißen, weiter so.
2 E.N. am 17. Mai, 2017 um 02:49
Ja, es sind zwei. Und es gibt kein Zurück. Wenn doch, müssen die Urheber in einen Rechtsstaat auswandern.
3 Henry Steinhau am 17. Mai, 2017 um 11:27
@schnatterina: Ja, die Ausschüttung der rückgeforderten Tantiemen (2012-2015) und die Regelungen für ab 2016 sind zwei Paar Schuhe. Aber insbesondere der Vorstand strebt wohl dennoch an, sie – um im Bild zu bleiben – gleichzeitig ins Warteregal des Schusters (hier: EU-Instanzen) zu legen. Zudem zeigten die letzten Mitgliederversammlungen der VG Wort, dass man sich auch um einen einzelnen Schuh (hier: Beschluss) so zerstreitet, dass man zu den anderen gar nicht mehr richtig kommt …
4 Joha Lessing am 19. Mai, 2017 um 17:14
Das Verhalten des Vorstandes ist borniert, renitent und gerade widersinnig. Aber, auch hier muss dem ja eine subjektiv rationale Handlungsgrundlage zugrundeliegen. Nur, ich erkenne sie nicht, so sehr ich auch versuche, die Perspektive der VG Wort einzunehmen. Hat jemand irgendeine Vorstellung, WARUM der Vorstand bizarr so handelt? Sicher gilt, wie fast immer: man kennt sich (Vorstand und Verlage), man hilft sich. Aber das scheint mir als Erklärung einfach noch zu dünn.
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