Gericht: Auch Lagemeldungen des Verteidigungsministeriums urheberrechtlich geschützt
Einem Urteil des Landgerichts Köln zufolge kann das Verteidigungsministerium für wöchentlich erstellte Lagemeldungen einen Urheberrechtsschutz geltend machen. Das berichtet heute die Webseite „Augen geradeaus“.
Damit ist die Klage des Ministeriums gegen die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die entsprechende Dokumente veröffentlicht hatte, zwar in erster Instanz erfolgreich, jedoch noch nicht rechtskräftig. Der am Verfahren beteiligte Ex-WAZ-Redakteur David Schraven sagte gegenüber Rights.info: „Die Dokumente bleiben online, und ich gehe bis zum Bundesverfassungsgericht, um das durchzusetzen. Bis das geklärt ist, kann ich dafür sorgen, dass die Dokumente immer online abrufbar sind und werde das auch tun.“
Ausgangspunkt des Verfahrens sind Veröffentlichungen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Die Recherche-Redaktion der WAZ hatte unter Leitung Schravens, inzwischen Chef des stiftungsfinanzierten Recherche-Büros Correctiv, eine größere Zahl der sogenannten „Unterrichtungen des Parlaments“ (UdP) als Faksimile auf ihrer Webseite online gestellt. Derzeit sind die so genannten Afghanistan-Papiere noch online. Die Dokumente werden wöchentlich vom Verteidigungsministerium für den Verteidigungsausschuss des Bundestages zusammenstellt und sind mit der niedrigsten Verschlusssachen-Einstufung „Nur für den Dienstgebrauch“ versehen.
Ministerium: Papiere haben Schöpfungshöhe
Das Verteidigungsministerium klagte dann (im Juli 2013) auch nicht gegen die Verletzung der Geheimhaltung, sondern weil die WAZ gegen das Urheberrecht verstoßen habe. Dieser Argumentation ist das Kölner Landgericht gefolgt, berichtet Augen-geradeaus-Autor Thomas Wiegold, dem das Urteil vorliegt (Aktenzeichen 14 O 333/13 vom 2. Oktober 2014). Er zitiert aus der Urteilsbegründung:
Zwar werden in den UdP [Unterrichtungen des Parlaments, Red.] Fakten und tatsächliche Gegebenheiten wiedergegeben, so dass ein Schutz der inhaltlichen Informationen als Sprachwerk ausscheidet. Die Schutzfähigkeit der von der Klägerin in ihrem Antrag in Bezug genommende Texte ergibt sich aber nach den vorstehenden dargestellen Grundsätzen aus der Darstellungsform der Texte.
Die streitgegenständlichen UdP weisen nämlich einen hinreichenden Grad an geistiger Schöpfungshöhe auf. Wie die Beklagte selbst ausführt, folgen sämtliche UdP einem bestimmten Aufbau, wobei zunächst die politische Lage in dem jeweiligen Bundeswehreinsatzgebiet, sodann die Bedrohungslage und schließlich die Missionsbeteiligung der Bundeswehr dargestellt werden. (…) Die persönliche geistige Schöpfung ergibt sich dabei gerade aus der systematisierten und denknotwendig teilweise verkürzenden Aufbereitung der Sachinformationen, die einheitlich in allen UdP einem bestimmten Konzeptionsmuster folgt und auch visuell angepasst ist.
Zudem, so das Landgericht Köln, seien die Rechte an den Texten von den Verfassern, in der Regel Beamte und Soldaten, auf das Ministerium übergegangen, „weil ein Beamter sie in Erfüllung seiner Dienstpflicht erstellt hat.“ Nicht zuletzt halte das Gericht den Urheberrechtsschutz für die Lageberichte für vertretbar, obwohl es für amtliche Veröffentlichungen eine Ausnahme von den Schutzvorschriften gäbe. Begründung: Interne Werke seien nicht auf eine möglichst weite Verbreitung ausgelegt.
Laut Wiegold wolle das Gericht das Zitatrecht nicht gelten lassen, weil die Veröffentlichung der Lagemeldungen ohne weitere eigene Bearbeitung der Redaktion erfolgt sei. Auch sehe das Gericht mit dem Urteil weder den Schutzbereich der Pressefreiheit noch das Recht der freien Meinungsäußerung nach Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, wie es in seiner Begründung schreibe:
Streitgegenständlich ist nicht die Frage, ob über die UdP berichtet werden dar, diese zitiert oder inhaltlich wiedergegeben dürfen, sondern allein, ob die Beklagte die konkreten Dokumente ins Internet stellen durfte.
Welche Folgen das Urteil auf den Umgang mit solchen Lagemeldungen oder vergleichbaren Dokumenten aus Bundesministerien oder anderen Behörden haben könnte, bleibt unklar und ist abzuwarten, da es noch nicht rechtskräftig ist.
Der WAZ-Verlag aus der Funke-Mediengruppe wollte sich zu seinem weiteren Vorgehen in der Sache nicht konkret äußern. Obwohl das Urteil bereits vier Wochen alt ist, antwortete ein Verlagssprecher auf Anfrage von iRights.info lediglich: „Wir prüfen das Urteil und die nächsten Schritte.“
1 Kommentar
1 matthias roeingh am 7. Oktober, 2016 um 20:59
Der Steuerzahler, als Souverän, kann nicht die von ihm finanzierten Dokumente des Verteidigungsministerium einsehen? Was soll denn diese Heimlichtuerei? Wenn da was nicht an die Öffentlichkeit darf, warum? Was soll denn da verschwiegen oder Verheimlicht werden? Wenn diese Dokumente durch deutsche Steuergelder bezahlt wurden, müssen sie auch dem Steuerzahler öffentlich zugänglich sein und das ohne Ausnahme. Die Bundesregierung hat eine Bringschuld über alle ausgaben zu haben! Kann nicht Die Linke oder Die Grünen eine Anfrage im Parlament stellen über diesen Sachverhalt? Das sollte unbedingt aufgeklärt werden. Das sollte unbedingt offengelegt werden. Sonst haben wir etwa hier den gleichen Fall wie bei netzpolitik.org und die Journalisten begehen Landesverrat? Vielleicht will man keinen Skandal und macht deshalb einen auf Urheberrecht! Ich finde das schon ein Skandal, daß das Urheberrecht dafür am Ende herhalten muß! Ich fühle mich als Künstler mißbraucht! Man bin ich sauer!
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