Zeitungsverleger werfen iRights.info Urheberrechtsverletzung vor
Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), hat gegen unser Portal den Vorwurf erhoben, wir hätten das Urheberrecht verletzt. Wolff bezieht sich dabei auf unsere Veröffentlichung des bislang geheim gehaltenen Entwurfs für ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, erstellt von den Verlegern und kommentiert von ver.di und dem DJV, der seit dem 7. Mai bei iRights.info nachzulesen ist.
In einem vom Deutschlandradio auf den Seiten des Medienmagazins „Breitband“ veröffentlichten Interview sagt Wolff wörtlich: „Die Ironie will es, dass diejenigen, die das ins Netz gestellt haben, die Möglichkeit geschaffen haben, auch für den Gesetzgeber, Einblick zu nehmen in diesen Entwurf. Und genau das wollten wir nicht. […] Wir gehen davon aus, dass das Arbeitspapier auch urheberrechtlich geschützt ist. Wenn man so etwas gegen den Willen der Urheber ins Netz stellt, widerspricht sich hier eine Organisation, die einerseits für Urheberrecht eintritt und andererseits Urheberrecht verletzt.“
Das möchten und können wir nicht so stehen lassen und nehmen zu folgenden Punkten Stellung:
1. iRights.info ist keine „Organisation, die für Urheberrecht eintritt“, sondern ein journalistisches Informationsportal zum Thema Urheberrecht.
2. Dass der BDZV, der sich unter anderen Umständen für den Schutz der Pressefreiheit einsetzt, missliebige Veröffentlichungen mit dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung kontert, diskreditiert diesen Verband in Sachen Urheberrecht und Pressefreiheit gleichermaßen.
Der BDZV ist kein Verband wie jeder andere – er darf Presseausweise ausstellen und ist als Mitglied des Trägervereins des Deutschen Presserats Teil der höchsten Selbstregulierungsinstanz der deutschen Presse. Dieser Trägerverein hat sich in seinen Statuten verpflichtet, „für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland einzutreten und das Ansehen der deutschen Presse zu wahren“, wobei dort eigens herausgestellt wird: „Presse im Sinne dieser Satzung ist auch die elektronische Presse.“ Erklärtes Ziel des Trägervereins des Presserates ist es, „Entwicklungen entgegenzutreten, die die freie Information und Meinungsbildung des Bürgers gefährden könnten“. Die Aussagen eines Hauptgeschäftsführers des BDZV müssen sich an diesen Zielen messen lassen.
3. Wenn ein Gesetzentwurf von Lobbyverbänden verfasst und der Öffentlichkeit als „internes Arbeitspapier“ vorenthalten wird, halten wir dies für bedenklich. Die Veröffentlichung entsprechender Dokumente ist kein urheberrechtlicher Streitfall, sondern die Aufgabe eines jeden Journalisten, der dazu die Gelegenheit erhält.
Im vorliegenden Fall gibt es ein unbestreitbares öffentliches Interesse, das sich in zahlreichen Veröffentlichungen und Diskussionsveranstaltungen zum Thema ausdrückt. Noch am 5. Mai 2010 hatte Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel-Springer AG, auf einer Podiumsdiskussion geäußert, ein konkreter Entwurf für ein Leistungsschutzrecht liege nicht vor.
4. Sofern, wie Wolff in dem Interview angibt, das veröffentlichte Papier die fortgeschrittene Diskussion nicht widerspiegelt, laden wir den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und die Journalistengewerkschaften ein, die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand der Dinge in Sachen Leistungsschutzrecht zu informieren.
32 Kommentare
1 David am 14. Mai, 2010 um 09:45
…und immer, wenn Du denkst, schlimmer geht’s nimmer, geht’s eben doch. Wieder ein Meilenstein, an dem man ablesen kann, wie weit in diesem Land Theorie und Praxis bereits auseinandergedriftet sind und in welchem Maß Pharisäertum und Bigotterie inzwischen dominieren. Unfaßbar.
2 Ulrike Langer am 14. Mai, 2010 um 10:02
Eigentlich ist es doch eindeutig, was hinter Keeses Äußerungen “noch viel zu früh”, “erst mal in Ruhe beraten”, “noch kein konkreter Entwurf” etc. und der Entrüstung des BDZV steckt. Kritiker des Leistungsschutzrechts sollen von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes erst dann erfahren, wenn es schon in trockenen Tüchern ist. Solange keine in Gesetzesvorhaben gegossenen Details bekannt sind, kann man die kritische Öffentlichkeit mit wertlosen Beschwichtigungen viel besser abwimmeln.
3 Matthias am 14. Mai, 2010 um 10:09
Die ganzen Verbandsfunktionäre haben sich doch schon lange meilenweit von der Basis entfernt, die tanzen doch eh nur noch nach der Pfeife der “Großen”… Politik zählt eben mehr.
4 Jan Schuster am 14. Mai, 2010 um 10:26
Huch, Pressefreiheit mit Urheberrecht verwechselt. Kann ja mal passieren.
5 Philipp Schilling am 14. Mai, 2010 um 10:33
Der BDZV und seine Mitglieder haben leider immer noch nicht verstanden, wie das Internet funktioniert und wie man damit Geld verdienen kann.
Dass sie selbst ihre eigenen Statuten nicht verstehen (oder bewusst ignorieren) beunruhigt mich schon ein wenig.
6 Boomel am 14. Mai, 2010 um 11:25
Das erinnert mich stark an die Vorgänge zum Thema ACTA.
Hinter verschlossenen Türen aus partikularen Interessen Gesetze zusammenhämmern, die der Hammer für die Gesellschaft sind und dann noch dumm daherreden von wegen Urheberrechtsverletzung an einem Schriftstück das die Öffentlichkeit nicht nur tangiert.
Gegen so etwas muss endlich wieder eine Handhabe her, und der erste Schritt sollte sein, das jeder der das hier liest am besten sofort http://www.108e.de ausfüllt und wegschickt.
Das verhindert dann vielleicht, das Verlegerverbände schädlichen Einfluss auf die Politik nehmen, wie Hotelketten auf die FDP.
7 ungeheuerlich am 14. Mai, 2010 um 11:52
Das ist wirklich ein ungeheuerlicher Vorgang! Meines Erachtens sollte dieser Mann sofort seinen Posten räumen, weil er offensichtlich den Interessen einer freien Presse und dem der Bürger zuwider handelt.
8 JM am 14. Mai, 2010 um 13:24
Meines Erachtens ist die Veröffentlichung durch das wissenschaftliche Zitatrecht juristisch gedeckt.
Das Zitatrecht schließt auch das Vollzitat ( d.h. die vollständige Wiedergabe des zitierten Werkes ) mit ein, wenn es für die wissenschaftliche Arbeit notwendig ist. Dies ist mE hier der Fall, da man sich sonst nicht mit dem Gesetzentwurf auseinander setzen kann.
9 Shook One am 14. Mai, 2010 um 13:29
Die ganze Geschichte lässt tief blicken und zeigt sehr schön, wie sich die etablierten Meinungskonzerne demokratische Gesetzgebungsverfahren vorstellen.
Wenn die Verleger nun schon Schutzrechte für jene Gesetzentwürfe beanspruchen, die sie dem Gesetzgeber zum Verabschieden unterjubeln wollen, ist es vielleicht an der Zeit, auszuwandern.
10 vera am 14. Mai, 2010 um 13:41
Gut gebrüllt.
Noch ein weiterer Versuch, Dinge an der Öffentlichkeit vorbei zu regeln. So viel Un-Demokratie war nicht einmal in der Adenauerzeit, vermutlich, weil damals die Wachsamkeit noch nicht eingelullt war. Vor allem macht mir Sorgen, daß all das an der nicht netzaffinen Bevölkerung, die es letztlich betrifft, völlig vorbei geht und diese gezielten Fehlinformationen aufsitzt. Alles sehr bedenklich.
11 Simon am 14. Mai, 2010 um 15:01
Wo bleibt eigentlich die Revolution?
12 Bernd am 15. Mai, 2010 um 07:37
“erstellt von den Verlegern und kommentiert von ver.di und dem DJV”
auch hier wird wieder deutlich: die Gewerkschaften und die Unternehmer sitzen in einem Boot, während die zahlenden Gewerkschaftsmitglieder ausgenommen werden wie die berühmten Weihnachtsgänse.
13 Chris am 15. Mai, 2010 um 08:56
Gesetze sind urheberrechtlich nicht geschützt. Wieso sollte es dann ein Entwurf zu selbigem sein? Wenn jemand in deren Wünsch-Dir-Was-Orgie das Papier leakt, dann ist das doch eher ein internes Problem.
14 Jens Best am 15. Mai, 2010 um 10:08
Die geilste Argumentation von Wolff ist ja, dass jetzt wo deren Entwurf geleakt ist, AUCH das BMJ diesen lesen könnte.
Wenn also jetzt der BMJ-Entwurf in Teilen so aussieht wie der Entwurf des BDZV, dann ist das die Schuld von iRights.
“Ich mach die Welt, so wie sie mir gefällt……”
Schlimm, wie erfahrene Lügner aus einer Niederlage noch einen Sieg für Morgen herausarbeiten wollen.
15 josip am 15. Mai, 2010 um 10:51
Wer glaubt eigentlich noch dem propagandistisch gelenkten, und langsam sterbenden Medium “Zeitung”!? (gilt natürlich auch fürs TV)
Entweder liest das Volk die “Blödzeitung” (die mit Journalismus so gar nichts zu tun hat), oder das “Bildungsbürgertum” konsumiert z.B. ein neoliberales Hetzblättchen wie die “Zeit”.
Und da mich (und womöglich noch ein paar andere) der ganze Quatsch nicht interessiert, können sich die Verleger ihr Urheberrecht in die Haare schmieren!
Geht sterben!
16 David am 15. Mai, 2010 um 12:16
Also, WENN irgendjemand ein Urheberrecht an Gesetz(entwürf)en hat, dann ja wohl letztlich der Souverän. Und zwar auch, wenn er mittelbar andere mit der Anfertigung beauftragt. Das gleiche könnte man so auch noch auf die Gewerkschaftsmitglieder, deren Beiträge ja anteilig für die Anfertigungskosten draufgehen und deren Stimmen die – erbärmlicherweise – beteiligten Funktionäre ja erst dazu “berechtigen”.
Aber, und damit hat sich der Verband ein feines Eigentor geschossen, er entlarvt sich hier ja wirklich gleich mehrfach als völlig eigennutzgesteuert und an einem “Gesetz” im Sinne einer demokratisch (=mehrheitlich) legitimierten Regelung völlig uninteressiert.
Wäre nicht ausgerechnet dieser Verband auch für die Meinungsmanipulation im Land zuständig, könnte man jetzt frohen Mutes darauf bauen, daß der Souverän merkt, wie er verschaukelt wird. Aber das ist eben leider konjunktiv.
17 dot tilde dot am 15. Mai, 2010 um 16:25
ob die im schreiben zusammengefassten absichten existieren oder nicht, wird um so nebensächlicher und leichter zu dementieren, je grotesker die widersprüche sind, die man den kritikern zuschreibt:
“hört nicht auf ihre worte, es sind diebe.”
“haltet sie, die haben unser gewäsch von gestern geklaut.”
merkt der mann nicht, dass ihm zugehört wird?
.~.
18 Markus am 9. Juni, 2010 um 03:52
Können wir vielleicht bitte einmal mit dem Mythos Presseausweis aufräumen? Unter Einwand Nr. 2 steht u.a. “Der BDZV ist kein Verband wie jeder andere – er darf Presseausweise ausstellen…”
Was heißt denn bitte “darf”? Jeder darf das. Sogar ich darf mir einen Zettel schreiben, auf dem “Presseausweis” steht. Es gibt aufgrund Art. 5 GG keine gesetzliche Regulierung des Journalistenberufs. Es kann keine Regelung geben. Die Regelung über den sog. “offiziellen” Presseausweis ist aber sehr strikt. Den bekommt nur, wer mit Pressearbeit seinen Lebensunterhalt bestreitet – oder das durch hauptberufliche Ausübung zumindest versucht. Gerade wenn wir über Bürgerjournalismus reden und feststellen, dass die Grenzen zum Journalismus aufweichen, wird die Bedeutung dieses Plastikkärtchens relevant. Entweder er ist der Türöffner, wenn es um kritische Anfragen von interessierten, journalistisch arbeitenden Bürgern geht. In dem Fall muss er ganz offiziell zu dem degradiert werden, was er ist: Ein exklusiver Clubausweis, der den Inhaber als hauptberuflichen (Radio-, Fernseh-, Zeitungs- oder Foto-)Journalisten ausweist und – exklusiv eben – anderen Arten von Journalisten nicht zugänglich ist und diese u.U. von Pressekonferenzen etc. ausschließt. Denn nötig ist ein solcher Ausweis hierzulande eigentlich nicht. Mit dem Presseausweis legitimiert und reglementiert sich der Beruf von innen heraus – und könnte dadurch die Pressefreiheit gefährden, weil es eben doch eine Instanz gibt, die vorgibt, wer Journalist ist und wer nicht.
Was sagen Sie dazu?