Zweitveröffentlichungsrecht: Die Richtung stimmt, die Details enttäuschen
Der Bundestag hat gestern mit der Mehrheit von Union und FDP die Einführung eines Zweitveröffentlichungsrechts beschlossen. Der Wortlaut des Beschlusses ist wie folgt: Zukünftig hat
Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen ist, [..] auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient. Die Quelle der Erstveröffentlichung ist anzugeben. Eine zum Nachteil des Urhebers abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“ (BT-Drucksache 17/13423)
Enttäuschend ist, dass die Änderungswünsche der Wissenschaftsorganisationen und des Bundesrates am Zweitverwertungsrecht nicht berücksichtigt wurden. Problematisch ist insbesondere der enge Anwendungsbereich des Gesetzes:
So fokussiert das verabschiedete Zweitveröffentlichungsrecht nur auf Publikationen, die im Rahmen der außeruniversitären und der drittmittelgeförderten Forschung entstehen. Diese Einschränkung wurde vom Bundesrat und von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen als Diskriminierung von WissenschaftlerInnen an Hochschulen kritisiert.
Auch geht eine Embargofrist von zwölf Monaten an den Bedürfnissen der mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Fächer vorbei. Weiter sind Artikel in Sammelwerken, die nicht zweimal jährlich erscheinen, ausgeschlossen. Darüber hinaus darf nur die Manuskriptversion eines Artikels auf dem Repositorium veröffentlicht werden.
Diese Einschränkungen im Zweitverwertungsrecht wurden bereits Anfang des Monats in einer Anhörung im Rechtsauschuss erörtert. Dort sprach sich die Mehrheit der ExpertInnen für eine Verankerung des Zweitveröffentlichungsrechts aus und kritisierte die vorgesehenen Beschränkungen.
Oppositionsanträge abgelehnt
Anträge der Oppositionsparteien, die stärker auf die Bedürfnisse der Wissenschaft fokussiert waren, wurden in der gestrigen Plenardebatte abgelehnt. Begrüßenswert ist, dass Union und FDP begleitend zum Zweitverwertungsrecht noch einen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht haben, der das Thema umfassender angeht. Aus Sicht der Verlagsseite handelt es sich bei diesem Antrag um „ideologische[n] Ballast”, desen Umsetzung „auf eine Gängelung der Wissenschaftler hinausläuft.“
Linke und SPD kritisieren die unbefriedigende Umsetzung des Zweitveröffentlichungsrechts in öffentlichen Stellungnahmen: Der Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion spricht von einem „Trauerspiel“ und einem „untauglichen Gesetz“. Für die Linke ist es „unverständlich, dass dieses Vorhaben so lange in Schubladen schlummerte und nun keine Zeit mehr für eine fundierte Weiterentwicklung bleibt.“ Die Grünen hatten bereits im April die Benachteiligung wissenschaftlicher AutorInnen an den Universitäten kritisiert.
Alle wollen weitere Schritte
Spannend wird nun die Diskussion im Wahlkampf werden: Das Thema Open Access ist in allen Parteiprogrammen verankert. Die Union will bei einem Wahlsieg „zusammen mit der Wissenschaft eine sogenannte ‚Open-Access-Strategie’ entwickeln“ (PDF), die FDP will Open Access in den Förderungsrichtlinien verankern (PDF), die SPD will weiter an einem „bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht“ arbeiten (PDF), die Grünen wollen neben der Förderung von „Open Access und Open Data im Wissenschaftsbereich“ „eine umfassende Wissenschaftsschranke“ einführen sowie Open Access „zur verpflichtenden Bedingung“ bei der Forschungsförderung machen (PDF). Die Linke stellt Offenheit als Paradigma der „modernen“ Wissenschaft in den Fokus und möchte durch eine „verpflichtende Open-Access-Veröffentlichung“ „Wissen, das mit Steuermitteln erarbeitet wurde“ grundsätzlich offen zugänglich machen.
Mit Blick auf diese Vorhaben der Parteien ist das Zweitveröffentlichungsrecht, so der Börsenverein, ein „schlechtes Vorzeichen für die kommende Legislaturperiode, in der sich das Ringen um ein akzeptables Urheberrecht für den Bereich Bildung und Wissenschaft wohl fortsetzen wird.“ Aus Sicht der Wissenschaft bleibt zu hoffen, dass die Befürchtungen der Verlage eintreten und so zukünftig deutlich mehr Dynamik in die Diskussion kommt. Mit den Vorgaben der Internet-Enquete gibt es eine parteiübergreifende Vorstellung zur weiteren Umsetzung von Open Access. Diese gilt es im Dialog mit der Wissenschaft zu realisieren.
Zuerst veröffentlicht bei wisspub.net. Lizenz: CC BY.
5 Kommentare
1 Manuel am 6. September, 2013 um 16:44
Das Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft” hat jetzt den Bundesrat aufgefordert, das Gesetz zur Präzisierung eines Zweitverwertungsrechts zu blockieren.
http://www.hermani-webrealisierung.de/Leistungen/Aktuelles/n2/i13/Zweitverwertungsrecht_weitgehend_unbrauchbar_-_Forderung_nach_Ablehnung_im_Bundesrat.html
2 nise am 23. März, 2014 um 12:05
Auch Veröffentlichungen in Konferenzbänden / Conference Proceedings, wie sie insbesondere in der Informatik überwiegen, sind von der Zweitveröffentlichung ausgeschlossen.
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