Zweitveröffentlichungen von Forschern: Elsevier und Fachgesellschaft klagen gegen Researchgate
Wissenschaftliche Publikationen, die von Forschern auf dem Dienst Researchgate hochgeladen wurden, könnten dort bald verstärkt gelöscht werden. Wie internationale Fachverlage heute bekannt gaben, wollen sie verstärkt gegen unautorisierte Zweitveröffentlichungen von Fachaufsätzen auf dem akademischen sozialen Netzwerk vorgehen.
Klage und Löschaufforderungen angekündigt
Demnach wollen der Verlag Elsevier und die Fachgesellschaft American Chemical Society in den kommenden Tagen Klage gegen das Unternehmen vor einem Gericht in Europa einreichen. Wo und wann genau, ist einem Sprecher zufolge noch offen. Zudem wollen mehrere Verlage verstärkt Löschaufforderungen an den Dienst richten.
Für ihr Vorgehen haben die Verlage den Verbund „Coalition for Responsible Sharing“ gegründet. Ihm gehören Brill, Elsevier, Wiley und Wolters Kluwer an, daneben die American Chemical Society. Zwei weitere Verlagsmultis, Springer-Nature und Taylor & Francis, sind nicht darin vertreten. Die PR-Agentur Fleishman Hillard ist für den Verbund tätig.
Verlagsverträge vs. Zweitveröffentlichungen
Dienste wie Researchgate und Academia.edu haben sich unter Forschern zunehmend verbreitet, um eigene Publikationen aus klassischen Fachzeitschriften zugänglich zu machen oder mit Kollegen zu teilen. Oftmals haben die Forscher die Verwertungsrechte jedoch exklusiv an Verlage abgetreten. Wenn weder gesetzliche Befugnisse noch die Hausregeln der Verlage oder Open-Access-Lizenzen eine Zweitveröffentlichung erlauben, fehlen Forschern dafür die nötigen Rechte. Die Verlage sprechen von „millionenfachen“ unerlaubten Zweitveröffentlichungen. Die Zahlen ließen sich nur überprüfen, wenn die Rechtelage in jedem Einzelfall ermittelt würde.
Anders als etwa bei Musik und Filmen war es im akademischen Bereich bislang die Ausnahme, dass unbefugt geteilte Fachartikel von Löschaufforderungen betroffen sind. Diese sollen sich zwar nicht gegen einzelne Forscher richten, die Verlage erwarten aber gleichwohl, dass ihr Vorgehen sich als „in hohem Maße disruptiv für die wissenschaftliche Gemeinschaft“ erweisen werde. Ziel sei es, unerlaubtes Hosten von Artikeln durch Researchgate abzustellen und zudem eine grundsätzliche Haftung des Dienstes auf Schadensersatz feststellen zu lassen.
Zuletzt hatten internationale Fachverlage über den Branchenverband STM Association versucht, Druck auf das Unternehmen Researchgate aufzubauen. Sie wollten auf der Plattform automatische Upload-Filter installieren, die die hochgeladenen Dokumente prüfen sollten. Der Dienst habe die Angebote der Verlage abgelehnt und eine Unterlassungsaufforderung ignoriert, teilten sie nun mit. Researchgate war bislang nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Update, 11.10.2017
Die beteiligten Verlage gaben bekannt, die angekündigte Klage vor einem deutschen Landgericht eingereicht zu haben. Laut ihren Angaben habe Researchgate in der Zwischenzeit eine „signifikante Anzahl“ an Artikeln aus dem Netz genommen.
Unterdessen zeichnet sich jetzt deutlicher ab, dass die Verlage unterschiedliche Strategien verfolgen. So gaben Springer-Nature und Researchgate in einer gemeinsamen Erklärung bekannt, eine Kooperation anzustreben. Worin die Kooperation bestehen wird, ist noch nicht bekannt. Andere Verlage und Fachgesellschaften seien eingeladen, an den Gesprächen teilzunehmen.
3 Kommentare
1 Alfons Renz am 16. Oktober, 2017 um 17:07
Wie wäre es denn, wenn wir unsere völlig unentgeltliche Tätigkeit als Gutachter von Manuskripten für den Elsevier-Verlag einstellen würden – oder zumindest eine korrekte Aufwandsentschädigung einfordern würden?
Eine für beide Seiten akzeptable Lösung wäre, die gutachterliche Tätigkeit mit einer Erlaubnis der Bereitstellung der eigenen Artikel bei ResearchGate zu kompensieren.
2 David Pachali am 16. Oktober, 2017 um 17:42
In Finnland gibt es im Zusammenhang mit den Verhandlungen um Lizenzen bereits eine Initiative in diese Richtung: http://www.nodealnoreview.org/
3 CDeuker am 1. Dezember, 2017 um 16:39
Hallo,
ich mache mir schon seit einiger Zeit Gedanken, wie man das Problem lösen könnte und habe den Grundstock in http://sciencesocial.net gelegt. Denn soziale Netzwerke sind ja eigentlich genial für die Wissenschaft und könnten theoretisch direkt in eine Form der peer review eingehen. Meiner Meinung nach ist dafür aber die Wahrung der Rechte der Autoren besonders wichtig. Was wäre wenn die Autoren einfach die Rechte an Ihren Artikeln behalten und eine Plattform/Journal diese nur vertreibt? Die Erlöse werden dann zu einem klaren Satz geteilt: 1/3 für die Autoren, 1/3 für die Editoren und 1/3 für das Journal/Soziale Netzwerk. Die Kontrolle der Autoren erfolg vor allem über soziale Kontrolle. Der Name der Autoren wird vom Sozialen Netzwerk vorher kontrolliert. Es werden keine Artikel zurückgezogen, sondern nur kommentiert oder markiert. Nur wer unerlaubt urheberrechtlich geschütztes Material verwendet, gegen eine klare Erklärung des Autors vor der Veröffentlichung, wird gelöscht – allerdings mit einem bleibenden Hinweis.
Papers sind ‘read only’ – wer sie besitzen will, muss sie als hardcopy kaufen: ‘Sharing Sciences with a fair share. All ideas are free for an open mind, but possession is prized!’
Natürlich ist ein solches Journal/Soziales Netzwerk stärker dem Risiko ausgesetzt wie klassische Journals. In einem solchen System wären allerdings alle Beteiligten am Risiko und an den Changen / Gewinn beteiligt.
Kommentare zu sciencesocial.net – S2n – sharing science with a fair share – würden mich freuen. Das Projekt befindet sich noch im Aufbau.
CD
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