„Zeitgleich Nutzer und Inhaber von Urheberrechten“: 48 Content-Creator fordern Interessenausgleich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie

Gleich zu Beginn ihrer Stellungnahme zum Reformentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) erklären knapp 50 Content-Creator, dass es für sie als junge Branche ein Novum ist, sich in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen. An gleicher Stelle beschreiben sie sich und erläutern, warum sie es für erforderlich halten, sich als Akteure*innen einer ganz besonderen Mediengattung zu äußern, die enorme Reichweite erzielt.
Zu den Unterzeichner*innen zählen unter anderem die bekannten Let’s Player und Youtuber PietSmiet, Gronkh, Le Floyd, Rezo, Felix von der Laden, Max Knabe, Rewi, Tilo Jung und weitere. Viele zählen auf ihren jeweiligen Kanälen mehrere hunderttausend Follower*innen, einige sogar mehrere Millionen. Und insgesamt erreichen sie weit über 50 Millionen Nutzer*innen auf Youtube, Twitch, Instagram und Tiktok.
Damit gehören die Unterzeichnenden gewiss zu den reichweitenstarken und populären Köpfen ihres Genres beziehungsweise ihrer jeweiligen Subgenres. Mehr noch: Einige von ihnen, so heißt es in der Stellungnahme, „benutzen Upload-Plattformen, um unsere Werke zu präsentieren und viele von uns konnten so kleine und mittelständische Unternehmen aufbauen, die seit über zehn Jahren wachsen.“
Zehntausende Content-Creator würden nicht berücksichtigt
Gleichwohl stehen die knapp 50 Unterzeichner*innen für die Tausenden und Abertausenden, die auf allen vier genannten, großen Plattformen als die oft beschriebenen „Prosumer“ unterwegs sind: Nutzer*innen, die Games, Videos, Musik, Blogs und mediale Angebote nicht nur als „Consumer“ rezipieren sondern zugleich „Producer“ sind, weil sie eigene Inhalte herstellen und als „User Generated Content“ auf entsprechenden Plattformen platzieren.
Diesen zehntausenden Prosumern eine Stimme zu geben, ist als Leitmotiv hinter der Stellungnahme zu erkennen. So heißt es dort, dass Content-Creator „zeitgleich Nutzer und Inhaber von Urheberrechten“ seien. Doch der Reformentwurf des BMJV würde dies nicht berücksichtigen, weil er (etwa in den Begründungen) die Nutzer*innen von den Kreativen und Unternehmen der Kulturwirtschaft zu sehr voneinander trenne:
Hier wird eine Abgrenzung zwischen Inhabern von Urheberrechten und Nutzern von Upload-Plattformen geschaffen, die nicht der gelebten Praxis entspricht. Wir Content Creator haben sowohl als Nutzer von Upload-Plattformen aber auch als Inhaber von Urheberrechten, als Kreative und als Unternehmen der Kulturwirtschaft gegen den damaligen Artikel 13 (danach: Artikel 17) protestiert. Content-Creator sind ein relevanter Teil der deutschen Kultur und wir bitten das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz darum, dies im Referentenentwurf widerzuspiegeln.
Generell begrüßen die Unterzeichnenden den Entwurf des BMJV zwar. Ihre deutliche Kritik gilt jedoch den geplanten Regelungen, die ein automatisiertes Überprüfen von Uploads vorschreiben:
Wir lehnen automatisierte Systeme, die Uploads auf Urheberrechtsverletzung überprüfen, grundsätzlich ab, da solche automatisierten Systeme hochgeladene Werke inhaltlich nicht verstehen können und sie somit nicht dafür geeignet sind, fehlerfrei Verletzungen von Urheberrecht zu erkennen. Durch ihren Einsatz wird es zu Fehleinschätzungen und damit zur Unterdrückung eigentlich legaler Werke kommen. Wir erkennen jedoch an, dass der Referentenentwurf aufgrund der EU-Vorgaben nicht ganz ohne automatisierte Überprüfungssysteme auskommen kann.
Flagging sollte auch nach dem Upload möglich sein
Zudem halten sie die vorgeschlagenen Vorgaben für das sogenannte Flagging für überarbeitungsbedürftig. Gemeint ist die strittige Frage, wann und wie Plattform-Nutzer*innen die von ihnen hochgeladenen Inhalte als legal markieren können. Etwa weil sie über etwaig erforderliche Nutzungsrechte verfügen oder weil sie sich auf Ausnahmen berufen, wie beim Zitatrecht, für Satire oder Pastiches, um ein ungerechtfertigtes Sperren zu verhindern.
Konkret nennen die Content-Creator in ihrer Stellungnahme die im Paragraph 8 des Entwurfs vorgesehene Regelung, demzufolge die Plattformen ein etwaiges Flagging nur während des Uploads prüfen müssten, nicht aber danach.
Doch es komme in der Praxis ständig vor, dass Content-Creator nachträglich Lizenzrechte erhalten, als auch dass Rechteinhaber ungerechtfertigte Sperrungen verlangen, heißt es in der Stellungnahme. Deswegen plädieren die Unterzeichner*innen dafür, dass „das Flagging und der darauffolgende Prozess der Schlichtung auch bei bereits hochgeladenen Werken zur Anwendung kommen sollte“.
Lob für die geplante „Legalisierung der Memes“
Ausdrücklich positiv beurteilen die Content-Creator die im Entwurf vorgesehenen Ausnahmen für die öffentliche Wiedergabe eines winzigen Ausschnittes von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken zu nicht kommerziellen Zwecken oder zur Erzielung nicht erheblicher Einnahmen:
Unter den genannten Voraussetzung wäre es dank Artikel 3 Paragraph 6 legal bis zu 20 Sekunden eines Films, bis zu 20 Sekunden einer Tonspur, bis zu 1.000 Zeichen eines Textes und ein Bild bis zu 250 Kilobyte zu nutzen, ohne für die Nutzung eine Lizenz erwerben zu müssen, da die Nutzung über die Dienstanbieter gegenüber den Rechteinhabern vergolten wird. Wir Content Creator unterstützen diese Regelung ausdrücklich. Diese sogenannte ‘Legalisierung der Memes‘ zeigt, dass das BMJV Politik nah an der Realität betreibt. Was unsere Kultur ausmacht, entwickelt sich immer weiter, auch durch die Digitalisierung. Memes sind seit vielen Jahren Teil unserer Kultur und werden durch diesen Referentenentwurf endlich anerkannt.
Fazit
Mit dieser Stellungnahme meldet sich wohl erstmals in der Geschichte des Urheberrechts eine Querschnittsinteressengruppe zu Wort, deren Belange bislang so gut wie gar nicht wahrgenommen wurden. Mehr noch: Die „Prosumer“ stellen damit auch die tradierten Gegenüberstellungen der Interessen von Rechteinhaber*innen/Urheber*innen sowie Nutzer*innen grundsätzlich in Frage.
Die Content-Creator üben am Referenten-Entwurf gut begründete Kritik, die es wert ist, gehört und berücksichtigt zu werden. Dafür spricht insbesondere ihr Ausgangspunkt, dass das kreative Nutzen medialer Angebote für Streams, Clips und Memes alltäglich hunderttausendfach gelebte Alltagspraxis ist – und daher Regelungen erfordert, die für mehr Ausgleich zwischen alten und – gar nicht mehr so – neuen Interessengruppen sorgen.
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