Youtube zahlt nun an die GEMA, ist aber nicht GEMA-pflichtig
Mit der Unterzeichnung eines Lizenzvertrages beendeten die Verwertungsgesellschaft GEMA und die Online-Video-Plattform Youtube eine fast zehnjährige Auseinandersetzung. Gestritten wurde um Lizenzzahlungen für das Speichern und Nutzen urheberrechtlich geschützter Musikwerke, seit 2009 auch in drei Gerichtsverfahren.
Die auf den 1. November 2016 datierte Vereinbarung sieht vor, dass für Videos mit GEMA-pflichtiger Musik, die bei Youtube hochgeladen sind, Lizenzzahlungen erfolgen, und das rückwirkend seit 2009. „Die GEMA löst mit der Vertragsunterzeichnung ihren treuhänderischen Verwertungsauftrag gegenüber ihren Mitgliedern ein“, heißt es in der Pressemitteilung der GEMA.
Damit sollen nun die berüchtigten Sperrtafeln verschwinden, die anstelle der hinterlegten Videos zu sehen waren und die über die Uneinigkeit der Streitparteien informierten. Auch um ihren Wortlaut stritten die Kontrahenten vor Gericht. Laut GEMA-Sprecherin Ursula Goebel sollen nach und nach bis zu 90 Prozent der bislang gesperrten Videos freigeschaltet werden. Um wie viele Videos es sich handelt, konnte sie jedoch nicht sagen, da Youtube darüber keine Auskunft gebe.
Konditionen und Höhe der Zahlungen bleiben geheim
Offen bleibt auch, nach welchem Berechnungsverfahren und in welcher Höhe die Zahlungen von Youtube an die rund 70.000 der GEMA angeschlossenen Musikurheber fließen. Beide Seiten vereinbarten darüber Stillschweigen. Dies sei eine der Bedingungen für den Vertragsabschluss gewesen, da die Youtube-Mutter Google grundsätzlich nur Verträge abschließe, deren Inhalte nicht nach außen getragen werden dürften, so Goebel.
Aus Einzelheiten des nun beigelegten Streits lassen sich lediglich Anhaltspunkte über die Höhe der vereinbarten Zahlungen. So forderte die GEMA im Rahmen einer Schadensersatzklage gegen Youtube vor dem Landgericht München eine Vergütung von 0,375 Cent je erfolgtem Abruf für insgesamt 1.000 geschützte Videos. Das Gericht entsprach dieser Klage nicht.
Vielmehr folgte es in dem Verfahren der Ansicht, dass Youtube lediglich Speicherplatz und Technik für Videos zur Verfügung stelle und somit als „Host-Provider“, nicht jedoch als Inhalte-Anbieter tätig sei – und deshalb auch nicht zu Lizenzzahlungen an die GEMA verpflichtet sei. Youtube argumentierte zudem, eine Vergütung je Abruf stünde seinem Geschäftsmodell entgegen, demzufolge es Rechteinhaber an Werbeeinnahmen beteiligt, sofern diese der Werbefilmvorschaltung zustimmten.
Auf Nachfrage von iRights.info erklärte GEMA-Sprecherin Ursula Goebel, dass sich die nun vereinbarten Zahlungen aus einer umsatzbezogenen Vergütung und einer Mindestvergütung zusammensetzten. Dies ermögliche, auch jene Urheber zu beteiligen, vor deren Musikwerke keine Werbung geschaltet und damit keine anteiligen Einnahmen ausgezahlt würden.
Auf die Frage von iRights.info, ob die Wahrnehmungsberechtigten der GEMA nicht ein Recht darauf hätten zu erfahren, wie viel Youtube für die Jahre seit 2009 und in Zukunft bezahlt, erläuterte Goebel, dass die GEMA um solche internen Offenlegungen gewiss nicht umhin käme.
Doch aufgrund des vereinbarten Stillschweigens dürften diese Zahlen nicht in die Öffentlichkeit gelangen, sondern nur auf Nachfrage und vertraulich an Berechtigte herausgegeben werden. Youtube werde aber die GEMA über Abrufzahlen informieren und entsprechende Zahlungen leisten, heißt es in weiteren Medienberichten.
Rechtsstreits sind ad acta gelegt – aber nicht geklärt
Mit der Vereinbarung erklären beide Seiten die zwei noch offenen gerichtlichen Auseinandersetzungen für beigelegt. Doch die GEMA stellt in ihren Mitteilungen zugleich klar, dass sie Youtube – trotz der Vereinbarung – noch immer als Inhalte-Anbieter betrachtet.
So heißt es in der Pressemitteilung, dass weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen Youtube und der GEMA darüber bestünden, „ob Youtube oder die Uploader für die Lizenzierung der genutzten Musikwerke verantwortlich sind.“ Für eine klare Bewertung der Videoplattform im urheberrechtlichen Sinne müsse nun der Staat durch entsprechende Regelungen sorgen.
So gesehen kann sich Youtube hier als Gewinner sehen, denn von einer generellen GEMA-Lizenzpflicht bleibt die Videoplattform – zumindest im Rahmen der Vereinbarung – vorerst befreit. Das Verfahren zu etwaigen Schadensersatzzahlungen ist beendet und die geheimen Lizenzzahlungen beruhen, formal gesehen, auf Freiwilligkeit seitens Youtube.
Auch aus dem zweiten gerichtlichen Streit geht Youtube durch dessen Beilegung nun im Großen und Ganzen als Gewinner hervor. In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg ging es darum, ob Youtube nicht nur als sogenannter Störer haften müsse, sondern selbst Urheberrechte verletze, weil es sich die Inhalte zu eigen mache. Das war nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall.
Wie das Unternehmen in einem Blogbeitrag auf der eigenen Webseite mitteilte, will es sich um den Schutz der Rechteinhaber weiterhin bemühen und in das hauseigene Filtersystem Content-ID investieren, das Urheberrechtsverletzungen aufspürt. Daneben sollen laut dem Oberlandesgericht Hamburg auch Wortfilter zumutbar sein, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.
Wie die GEMA erklärt, werden auch in Zukunft Sperrtafeln zu sehen sein, wenn auch weit weniger als bisher. Etwa bei Videos mit geschützten Werken von Musikurhebern, die nicht der GEMA angeschlossen sind und bei denen die Rechtslage ungeklärt ist.
Es geht auch um die Einführung des kostenpflichtigen Youtube Red
Medienberichten zufolge steht der Abschluss der Vereinbarung in engem Zusammenhang mit den Plänen von Google, in Deutschland seinen kostenpflichtigen und dafür werbefreien Streamingdienst Youtube Red zu starten. Damit will Youtube den wachsenden Streamingmarkt betreten, auf dem unter anderem Netflix, Amazon und Apple agieren.
Für dieses Angebot, das eindeutig Inhalte vermarktet, braucht Youtube unbedingt Rechtssicherheit gegenüber der GEMA, die mit der Vereinbarung nun erzielt zu sein scheint. Mehr noch, die GEMA ließ in Medienberichten verlauten, die Einführung von Youtube Red zu unterstützen.
Korrektur: In einer vorherigen Fassung des Textes wurden die Haftung von Youtube als Störer nicht richtig dargestellt, wir haben die Darstellung korrigiert.
Was sagen Sie dazu?