Wissenschaftler machen sich für Open Access stark
„Eine der größten Herausforderungen von Wissenschaft und Forschung ist es heute, Zugang zu den relevanten Informationen zu vertretbaren wirtschaftlichen Bedingungen zu erhalten“ schreibt Professor Reto Hilty, geschäftsführender Direktor des Münchner MPI , in dem im März erschienenen Buch „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ (Link siehe unten).
Diesen Zugang sieht der Wissenschaftler aufgrund der „technischen Möglichkeiten der Verwerter, Inhalte über Onlinemedien zugänglich zu machen und den Zugang mit technischen Schutzmaßnahmen zu sichern“, in Gefahr. „Verfügen sie dabei über für die Forschung unumgängliche Informationen, können sie dafür praktisch beliebige Preise verlangen“, führt der Rechtswissenschaftler in dem Buch, das von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) herausgegeben wurde, weiter aus. In der Tat seien in den letzten Jahren die Kosten für wissenschaftliche Periodika, also vor allem für Fachzeitschriften, in alarmierender Weise gestiegen.
Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, haben deutsche und ausländische Wissenschaftsorganisation bereits im Jahr 2003 die „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities“ (Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen) verabschiedet. Diese Grundsatzerklärung zählt momentan nicht weniger als sechzig Unterzeichner.
Das Ziel der Initiative: „Zur Verwirklichung der Vision einer umfassenden und zugänglichen Wissensrepräsentation muss das künftige Web nachhaltig, interaktiv und transparent sein. Inhalte und Software müssen dazu frei verfügbar und kompatibel sein.“ Um dies zu erreichen, sollen Autoren ihre Inhalte auf öffentlich zugänglichen Archivservern hinterlegen und jedermann gestatten, sie zu nutzen, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Diese Absichten auch umzusetzen, ist in der der gegenwärtigen Publikationspraxis allerdings schwierig. Die weitaus meisten wissenschaftlichen Abhandlungen erscheinen in Verlagen – und die lassen sich von den Autoren mehr oder weniger weit gehende, ausschließliche Nutzungsrechte einräumen. Stimmen die Autoren dem zu, dürfen sie – je nach Reichweite der Rechteübertragung – selbst ihre eigenen Beiträge nicht mehr im Sinne eines Open-Access-Modells verwerten. Sich gegenüber den Verlagen die dafür notwendigen Rechte vorzubehalten, ist in der Praxis oft nicht möglich. Denn die Bedingungen der Verträge werden in der Regel von den übermächtigen Verlagen diktiert.
Daher schlagen die Experten vom MPI vor, die urhebervertragsrechtlichen Regelungen zu ändern. Hilty regt in der HRK-Publikation eine konkrete Formulierung an, nach der Urhebern per Gesetz bestimmte Verwertungsbefugnisse vorbehalten würden: „Beiträge in periodisch veröffentlichten wissenschaftlichen Medien, die überwiegend mit öffentlichen Forschungsmitteln finanziert worden sind und an denen der Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht erworben hat, darf der Urheber nach Ablauf eines Jahres seit Veröffentlichung selbst oder mit Hilfe eines Dritten zu nicht kommerziellen Zwecken anderweitig vervielfältigen, verbreiten oder öffentlich zugänglich machen (…)“. Ähnlich äußerte sich der MPI -Mitarbeiter Gerd Hansen kürzlich laut Heise Online bei einer Tagung der IuK-Initiative der wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland. Er möchte die Karenzzeit für die Verlage sogar auf sechs Monate verkürzen.
Ob die Forderung überhaupt oder gar in absehbarer Zeit vom Gesetzgeber aufgegriffen wird, ist ungewiss. Eine baldige Entscheidung des Gesetzgebers über die Vorschläge der deutschen Wissenschaft könnte wohl nur im „2. Korb“ der Urheberrechtsreform erfolgen.
Im Referentenentwurf, der bereits im September 2004 veröffentlicht wurde, findet sich allerdings keine Regelung mit diesem Inhalt. Auch für den Regierungsentwurf, der noch vor der Sommerpause im Kabinett beschlossen werden soll, werden die Anregungen wohl zu spät kommen. Somit könnte der Vorschlag nur noch in der parlamentarischen Debatte des Gesetzesentwurfs berücksichtigt werden.
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