Wissenschaft: Einigung zum Kopienversand schafft mehr Probleme, als sie löst
Für Rainer Kuhlen, Sprecher des Bündnisses, geht diese Vereinbarung „eindeutig in die falsche Richtung”. Nicht nur, dass „die Optionen, die sich heute durch offene Publikationsmodelle ergeben können, außen vor gelassen wurden”, es werde auch der Einsatz von DRM befürwortet, „zu einer Zeit, in der Steve Jobs von Apple rät, Digital Rights Management (DRM) von den Musikobjekten zu entfernen, weil es zum einen sowieso nichts nutzt und für die Anbieter auch zu teuer wird“ –vor allem aber, weil Benutzer mit den erworbenen Objekten machen können möchten, was sie wollen.
Verlage und Bibliotheken, Bundesregierung und Bundesrat hatten in letzter Zeit heftig darum gestritten, wie der Umgang mit digitalen Fachpublikationen gestaltet werden sollte. Im Kern der Debatte stand die Frage, in welchem Umfang und zu welchen Kosten öffentliche Bibliotheken in Zukunft Fachbücher und Fachzeitschriften digital bereitstellen können. Für die zweite Stufe der Urheberrechtsreform, den so genannten zweiten Korb, muss der Gesetzgeber eine Antwort auf diese Fragen finden.
Verlage fordern, Kopienversand einzuschränken
Die Verlage sträubten sich gegen eine weitergehende digitale Nutzung ihrer Produkte und fanden damit Unterstützung bei der Bundesregierung. Vertreter von Bibliotheken und Wissenschaft setzen sich hingegen dafür ein, das digitale Angebot auszubauen. Diese Idee fand große Zustimmung beim Bundesrat, der den Gesetzentwurf scharf kritisierte, den die Bundesregierung 2006 vorgelegt hatte.
Der Bundesrat beließ es nicht bei der Kritik, sondern legte eine Liste mit 23 Änderungsvorschlägen vor, darunter den Vorschlag Open-Access-Publikation zu fördern. Außerdem sollte den Bibliotheken der digitale Kopienversand wissenschaftlicher Artikel an ihre Leser ohne zusätzliche Einschränkungen erlaubt bleiben.
Das Justizministerium wies die Vorschläge des Bundesrates weitgehend zurück. Weder Open Access, noch digitaler Kopienversand sollten ins Gesetz aufgenommen werden. Die Regierung begründete ihre ablehnende Haltung damit, dass die vom Bundesrat eingebrachten Vorschläge „gegen die verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Verlage” verstoßen würden.
Schlichtungsversuch durch Bildungsministerin Schavan
Auf Anregung von Bildungsministerin Annette Schavan setzte sich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus der Verlagsbranche und des Bibliothekenverbands zusammen, um eine außergesetzliche Regelung auszuhandeln. Der Deutsche Bibliothekenverband und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels einigten sich Mitte Januar auf eine gemeinsame Position, die nach ihrem Wunsch im Gesetzentwurf berücksichtigt werden soll.
Die Kernaussage der Petition lautet, dass sich durch den Ausbau des digitalen Angebotes „die Absatzsituation der Verlage“ nicht nachhaltig verändern dürfe. „Für die Finanzierung wissenschaftlicher Zeitschriften ist derzeit kein effizientes Geschäftsmodell als Ersatz für die Subskription in Sicht”, denn die Finanzierung wissenschaftlicher Fachzeitschriften durch „die Nutzer auf dem Wege des Abonnements”, so die Stellungnahme, sei „eine bewährte und in der Regel faire Lösung”.
Digitale Kopie mit Fesseln
Eine Reihe von Vorkehrungen soll sicherstellen, dass die getroffenen Vereinbarungen in der Praxis auch umgesetzt werden. So sollen Bibliotheken Bücher nur dann selbst digitalisieren und digital anbieten dürfen, wenn sie mindestens ein Exemplar des Buches gekauft haben und „die Nutzung des Digitalisates nur in den Räumen in der Bibliothek realisiert wird”. Wenn Bibliotheken digitale Kopien urheberrechtlich geschützter Werke versenden wollen, dürfen sie das nur, wenn es nicht ein vom Verlag lizenziertes digitales Angebot gibt. Der digitale Kopienversand ist weiterhin nur zulässig, „wenn nur eine nicht veränderbare grafische Datei geliefert wird, die durch DRM gegen Vervielfältigung und Weiterleitung gesichert ist.”
Das Aktionsbündnis betrachtet die Vereinbarung zwischen Bibliotheken und Börsenverein als einen „unzureichenden Versuch, eine außerurheberrechtliche vertragliche Einigung zu erreichen” und forderte den Gesetzgeber auf, „die auf Bildung und Wissenschaft (und Bibliotheken) abzielenden Regelungen im Urheberrecht so zu formulieren, dass ein Ziel der Koalitionsvereinbarung dieser Regierung, nämlich ein ‚bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht”, erreicht werden kann.”
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