Wiley vs. Kirtsaeng: Oberster US-Gerichtshof erlaubt Weiterverkauf importierter Bücher

Ein Student der Cornell University darf aus dem Ausland importierte Lehrbücher legal in den USA vertreiben. Die „First-Sale”-Doktrin im US-Urheberrecht – die den Weiterverkauf urheberrechtlich geschützer Werke erlaubt – gilt auch bei grenzüberschreitenden Importen. Das hat der Oberste Gerichtshof der USA am Dienstag entschieden. Das Urteil (PDF) über die US-Version des sogenannten „Erschöpfungsgrundsatzes” hat grundlegende Bedeutung: Wie weit geht die Kontrolle von Rechteinhabern über ihre Werke?
Die gestrige Entscheidung dürfte weitreichende Folgen für den Verkauf von Importen in den USA haben. Das Urteil des Gerichtshofs wurde nicht nur von Internetauktionshäusern, sondern auch von Buchhandlungen, Bibliotheken, Händlern von Computerspielen und Videotheken mit Spannung erwartet. Die Folge nun: Der Rechteinhaber darf niemandem verbieten, Importwerke in den USA günstiger zu verkaufen. Hintergrund: Verlage, Plattenfirmen & Co. konnten ihre Preisdifferenzierung bislang durchs Urheberrecht stützen und etwa einen englischen Titel in Asien günstiger als in den USA auf den Markt bringen.
„First-Sale”-Doktrin und Preisgestaltung
Der Verlag Wiley & Sons versuchte mit dieser Auffassung, entsprechende Importe unter Verweis auf das Urheberrecht zu blockieren. Die „First-Sale”-Doktrin gelte nicht bei Importen. Der Student Stupa Kirtsaeng wiederum versuchte, die Studiengebühren der Cornell University mit seiner Geschäftsidee zu begleichen. Zu günstigen Konditionen ließ er Lehrbücher in Thailand ankaufen, um sie in den USA gewinnbringend bei Ebay anzubieten. Kirtsaeng bat Freunde und Bekannte, Lehrbücher in seinem Auftrag zu erwerben, um sie amerikanischen Studenten deutlich günstiger anzubieten. Die Geschäftsidee funktionierte: Kirtsaeng soll mit seinen Verkäufen bei Ebay rund eine Million US-Dollar umgesetzt haben.
Wiley & Sons hingegen fürchtet um das heimische und somit hohe Preisniveau seiner Werke an US-amerikanischen Hochschulen. Andernfalls könne man den Markt im In- und Ausland nicht mehr effektiv voneinander trennen, argumentierte der Verlag vor Gericht. Er berief sich auf eine weitere, gegenteilige Regelung im US-Urheberrecht. Nach dieser ist der Import von urheberrechtlich geschützten Werken nicht erlaubt, wenn der Copyright-Inhaber dem nicht zustimmt.
Grenzüberschreitender Handel
Der Student hatte Glück: Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof war möglich, weil die grenzüberschreitenden Auswirkungen des Erstverkaufsrechts nicht final geklärt waren. Kirtsaengs Anwälte argumentierten unter anderem, ohne das Weiterverkaufsrecht könnten selbst Autohersteller und andere Unternehmen keine gebrauchten Importwaren anbieten, wenn deren Produkte etwa geschützte Software enthielten. Der Oberste Gerichtshof hob ein vorhergehendes Urteil – 600.000 Dollar Schadenersatz für Kirtsaeng – nun mit deutlicher Mehrheit auf.
„Gott sei Dank,” kommentierte Cory Doctorow in einem Blogbeitrag. Er beschreibt, wie eine andersartige Entscheidung sich auf das ganze Land ausgewirkt haben könnte: Praktisch alle Waren werden außerhalb der USA hergestellt und sind auf irgendeine Weise geschützt. Selbst Fotografien solcher Produkte seien dann verboten, glaubt Doctorow. Erwartet wird nun eine Neuregelung und entsprechende Auseinandersetzungen im US-Kongress.
2 Kommentare
1 Ulrich Herb am 21. März, 2013 um 09:43
Mehr als erfreulich, hätte man Wiley stattgegeben wären die Folgen tatsächlich fatal: Mehr dazu auch im Standard, http://derstandard.at/1341526759646/US-Gericht-erwaegt-ewiges-Urheberrecht
2 Tagedieb am 8. April, 2013 um 13:53
Wenn ich es richtig verstehe, ging es bei dem Rechtsstreit darum, ob jemand als privater Reimporteur auftreten darf, korrekt?
In dem Artikel wird einmal darauf abgestellt, dass die Streitfrage war, ist es gestattet, im Ausland gekaufte Bücher innerhalb der USA weiter zu verkaufen. Allerdings wird dabei auf eine Festlegung Bezug genommen, in der es um den “Weiterverkauf urheberrechtlich geschützer Werke” geht. Von Seiten der Verteidiger des Studenten wird in deren Argumentation darauf abgestellt, dass “selbst Autohersteller und andere Unternehmen keine gebrauchten Importwaren anbieten” dürften. Frage jetzt: Darf der Student privat importierte Bücher originalverpackt weiterverkaufen oder nur solche, die bereits gebraucht wurden?
Was sagen Sie dazu?