Wider das Unbehagen im Urheberrecht!
Dem durch diese Krise ausgelösten Unbehagen, das Rechteinhaber wie digital Natives gleichermaßen befallen hat, lässt sich wirksam wohl nur durch eine systemische Korrektur begegnen. Dazu sollten die Kernpunkte entschärft werden, die für dieses Unbehagen verantwortlich sind – also die umfängliche Erfassung der Endnutzer, insbesondere der Prosumenten, durch das Urheberrecht; die Gefahr, dass Ausschließlichkeitsrechte zur Behinderung innovativer Informationsmehrwertdienste und Unterbindung von Wettbewerb eingesetzt werden; die Probleme der individuellen Lizenzierung im Lichte der zunehmenden Automatisierung der massenhaften Werknutzung, und schließlich das Problem einer gerechten Behandlung der Service-Provider.
Dabei ist das Ausschließlichkeitsrecht als hauptsächliches Charakteristikum des Urheberrechts aufrecht zu erhalten und zugleich sicherzustellen, dass die gesetzlich gewährte Ausschließlichkeit nicht zu einer Zugangs- und Nutzungsblockade, einem Kreativitäts- und Innovationshemmnis oder zur Behinderung von Wettbewerb führt.
Das legt zum einen die Trennung der Rechte der Urheber – gegenüber dem Verwerter – von denjenigen der Verwerter – gegenüber ihren Wettbewerbern – zu suchen. Bei einem solchen Modell ließe sich sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich der Dauer der Rechte unterscheiden. Zugleich würde verhindert, dass die Figur des individuellen Urhebers als „Leerhülse” für die Rechtfertigung von Ausschließlichkeitsrechten missbraucht wird, die im Wege umfassender Rechtseinräumung letztlich doch in weitem Umfang bei den Verwertern landen.
Im Einzelnen könnte man etwa an eine Schutzausnahme zugunsten von User-Generated Content denken. Diese könnte an eine Vergütung gekoppelt werden, mit der nicht der einzelne Urheber des User-Generated Content, sondern die Plattformbetreiber belastet werden könnten. Das erschiene auch insofern gerecht, als es letztere sind, die durch den Betrieb der Plattformen Gewinn erzielen.
Einer Unterbindung von Wettbewerb auf nachgelagerten Märkten könnte durch eine Schrankenbestimmung zur Aufrechterhaltung von Wettbewerb im Bereich der Informationsmehrwertdienste begegnet werden, wie sie etwa im Wittem-Code vorgeschlagen worden ist. Die Automatisierung könnte vor allem durch eine Fortentwicklung des digitalen Rechtemanagements eingefangen werden, das individuelle Transaktionen auch im digitalen Umfeld ermöglicht. Schließlich ließe sich an eine Differenzierung der Schutzfrist unter Kombination mit der Registrierung einer Verlängerungsperiode und/oder dem „Domaine public payant“ denken.
Derartige Lösungen setzen freilich den gemeinsamen Willen und die gemeinsame Überzeugung der EU-Mitgliedstaaten zur Modifikation des urheberrechtlichen Acquis voraus. Sollte das jedoch gelingen, dann sollte es aber auch möglich sein, den internationalen Rahmen entsprechend anzupassen.
Prof. Dr. Thomas Dreier, M.C.J. ist Leiter des Instituts für Informations- und Wirtschaftsrecht am Zentrum für angewandte Rechtswissenschaft (ZAR) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Er ist Co-Kommentator des juristischen Fachkommentars Dreier/Schulze, Urheberrecht, München, 3. Aufl. 2008, Vorsitzender des Fachausschusses Urheberrecht der GRUR und Mitglied des Beirates von iRights.info.
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