Wer die Freiheit der Kunst verteidigen will, darf die Künstler nicht zum Freiwild machen
Ein Debattenbeitrag im Rahmen der Sendereihe „U-Ton. Urheberrecht im Digitalen Zeitalter“.
Das Urheberrecht wird in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im selben Paragraphen garantiert, in dem allen Menschen die offene Teilnahme und Teilhabe an Kunst, Kultur und Wissenschaft zugesagt wird.
Es ist falsch, das eine Interesse gegen das andere auszuspielen. Die Forderung, das Urheberrecht in Zeiten der elektronischen Reproduzierbarkeit zu bekräftigen, richtet sich nicht gegen die vielen, die geistige Werke genießen, sondern zielt gegen diejenigen Kräfte, die ihren Gewinn aus der Kunst auf Kosten der Kunstschaffenden ziehen wollen. Wer die Freiheit der Kunst verteidigen will, darf die Künstler nicht zum Freiwild machen.
Das Urheberrecht ist meine Arbeitsgrundlage
KünstlerInnen müssen selbst bestimmen können, ob ihre Arbeit kostenlos verbreitet werden soll oder nicht. Es ist an mir, zu entscheiden, wer meinen Text in welchem literarischen, politischen oder ökonomischen Kontext veröffentlicht.
Im Unterschied zum amerikanischen Copyright ist es mir beim kontinentalen Urheberrecht nicht möglich, meine Persönlichkeitsrechte zu verkaufen.
Das Urheberrecht ist meine Arbeitsgrundlage. Im Kern geht es in der Urheberrechtsdiskussion um die Frage, wie viel uns Kreativität wert ist, ob sie überhaupt einen materiellen Wert hat. Für die Kreativen, die KünstlerInnen, die wir von der Vergütung der Nutzung unseres kreativen Schaffens, unserer Ideen leben, ist die Antwort klar. Denn das macht den Unterschied zum Hobbygeschichtenschreiber aus. Unsere Arbeit ist keine Freizeitbeschäftigung, wir bestreiten damit unseren Lebensunterhalt.
Keinen Film, kein Drehbuch hätte es gegeben ohne eine Idee. Ohne Menschen, deren Beruf es ist, sich etwas auszudenken, daran zu glauben und andere Menschen davon zu überzeugen, dass daraus ein Film entstehen muss.
Kreative Vorleistung
Die schwierigste Arbeit für AutorInnen ist die Phase des Entwickelns, des Konzipierens. Das Drehbuchschreiben ist vergleichsweise eine Erholung. Aber genau dieser Zeitraum ist der unterbezahlteste. Wir sind kreativ, gehen in Vorleistung, nicht wissend, ob wir für unsere Arbeit je entsprechend entlohnt werden.
Irgendwann einmal ist der Film dann gedreht und wir bekommen dafür regelmäßig Tantiemen. Das Geld dafür kommt auch aus der Leerkassettenabgabe. Die logische Weiterentwicklung ist die Festplattenabgabe. Kunst im Zeitalter elektronischer Reproduzierbarkeit braucht die Festplattenabgabe. Wichtige Händler in Österreich behalten sie ohnehin schon ein, aber aufgrund eines Gerichtsverfahrens leiten sie sie nicht an die UrheberInnen weiter. Die Festplattenabgabe gefährdet nicht die Freiheit im Netz, sichert aber die Interessen von UrheberInnen. Sie ist nicht der Weisheit letzter Schluss, aber unverzichtbar.
Die Festplattenabgabe existiert in Frankreich, Holland, Schweden, Deutschland. Daher bekomme ich mittlerweile aus Deutschland mehr Tantiemen als aus Österreich. Die DVDs sind in Deutschland trotzdem billiger.
Der Schutz der UrheberInnen ist ein Menschenrecht
Wer die Zensur im Netz bekämpfen will, sollte die Menschenrechte nicht preisgeben, sondern stärken; eines der Menschenrechte ist der Schutz der UrheberInnen. Es gibt sehr wohl Lösungen und Geschäftsmodelle jenseits von gewerblicher Piraterie, aber ohne repressive Überwachung. Wenn nicht solche innovativen Wege gesucht werden, dann werden jene Praktiken vorherrschen, in denen die einen um ihre geistigen Werke gebracht und die anderen von Anfang an als Verdächtige gehandelt werden.
Der Bruch des Rechts wird zum Normalfall. Dabei geht es keineswegs bloß um das Kopieren von Dateien unter Freunden oder Gleichgesinnten. Mächtige Konzerne machen Geld mit Kunst, aber auf Kosten von Kunstschaffenden. Dass man im Internet gratis downloaden kann, ist kein Naturgesetz: Es hat sich entwickelt, weil es möglich war. So wie bei vielen anderen Dingen muss man im Nachhinein dafür Regeln erfinden. Als es noch keine Autos gegeben hat, gab es auch noch keine Ampeln und keine Zebrastreifen. Trotzdem würde niemand heute gegen Ampeln reden, obwohl sie unsere Freiheit einschränken.
Gleichzeitig ist es natürlich völlig absurd, dass es oftmals nicht möglich ist, Filme und Serien entgeltlich im Internet ansehen zu können. Die Jungen, die sich jetzt einreden lassen, dass das Urheberrecht sie in ihrer Kreativität behindert, werden in ein paar Jahren merken, dass sie hineingelegt wurden. Dass es kein Spleen ist, von unserer Arbeit leben zu wollen.
Ein Urhebervertragsrecht für Österreich
Im Unterschied zu Deutschland gibt es in Österreich kein Urhebervertragsrecht. Es regelt die Beziehungen zwischen UrheberInnen eines Werkes und deren VertragspartnerInnen, denen Nutzungsrechte und Verwertungsrechte eingeräumt werden. Es stellt fest, dass es einen Anspruch auf angemessene Vergütung gibt und enthält den sogenannten Bestsellerparagraphen. Falls also ein Werk nach der Buy-out-Bezahlung ein ungeahnter Erfolg wird, muss dieser auch den UrheberInnen angemessen vergütet werden.
Allerdings hat ein Urhebervertragsrecht selbstverständlich nur Sinn, wenn es auch ein starkes Urheberrecht gibt.
Eva Spreitzhofer ist Schauspielerin und Drehbuchautorin. Sie ist Gründungsmitglied und im Vorstand der Akademie des Österreichischen Films sowie Obfrau des österreichischen Drehbuchverbands und Mitglied der Projektkommission des Österreichischen Filminstituts.
Beitrag als Audio:
Die Audiodatei steht unter folgenden Lizenzen: Wortbeiträge CC BY-NC-ND 3.0 AT (nicht-kommerziell, keine Bearbeitung); Musik: Musik für Klavier c-moll (1998, rev. 2013) von Joachim Losehand CC BY-NC-SA 3.0 AT (nicht-kommerziell, Weitergabe unter denselben Bedingungen)
1 Kommentar
1 Schmunzelkunst am 27. November, 2013 um 16:56
“Trotzdem würde niemand heute gegen Ampeln reden …”?
Vgl. Die Ampel als Auslaufmodell:
http://www.spiegel.de/auto/aktuell/strassenverkehr-die-ampel-als-auslaufmodell-a-749922.html
Und zum Urheberrecht als Auslaufmodell:
https://irights.info/no-copyright-mit-joost-smiers
MfG
Johannes
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