Wem gehören „meine Daten“?
„Was macht ihr mit meinen Daten?“ fragte der grüne Politiker Malte Spitz Unternehmen und Behörden für sein gleichnamiges Buch. Dabei ging es ihm darum zu erfahren, wo über ihn was gespeichert wird. „Kämpf um Deine Daten“, forderte Max Schrems in seinem Buch, in dem er sein Verfahren gegen Facebook rekapitulierte.
Sowohl Spitz wie auch Schrems griffen 2014 eine rhetorische Figur auf, die die grüne Politikerin Renate Künast mit dem Slogan „Meine Daten gehören mir!“ im Bundeswahlkampf 2009 prominent propagierte. Angelehnt war der Spruch an den bekannten feministischen Kampfspruch „Mein Bauch gehört mir!“ und sollte so die in digitalen Fragen zögerlichen grünen Wähler gewinnen.
Von der Idee, dass „die Daten mir gehören“, ist es allerdings nicht weit zur Figur des „Dateneigentums“ oder der „Datensouveränität“, von der in den letzten Wochen und Monaten so oft zu hören war.
Während die Datenschutzaktivisten das Grundrecht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung zu verteidigen dachten, wurde das „Dateneigentum“ aber mit einer anderen Absicht in den Diskurs eingebracht: Nämlich den als überbordend, überregulierend empfundenen Datenschutz im Sinne der Datenverarbeiter wieder in die Schranken zu weisen.
„Dateneigentum“ im Sinne der datenverarbeitenden Stelle bedeutet, dass sie definieren darf, welche Daten riskant sind und welche nicht. Die als nicht riskant eingestuften Daten unterliegen dann konsequenterweise keinen großen Einschränkungen. Ein Beispiel dafür lieferte vor über einem Jahr die Automobilindustrie, als sie einen ersten Entwurf für „Datenschutzprinzipien“ nach ihrem Gusto vorstellte.
„Keine“ oder „geringe“ Datenschutzrelevanz wollte sie dabei allen im Fahrzeug erzeugten technischen Daten zuschreiben, womit sie praktisch eine Art Dateneigentum reklamierte. Damit hätten sie die Interpretationshoheit über die Daten im Falle eines Unfalls gehabt: Hätte das Fahrzeug den Unfall aufgrund eines technischen Fehlers verursacht, hätten die Hersteller prioritär Zugriff auf die Beweisdaten gehabt.
Personenbezogene Daten
Das konnte die Datenschutzaufsicht so nicht stehen lassen. Denn grundsätzlich gelten alle Daten als personenbezogen, sobald sie mit einem Identifikationsmerkmal wie etwa dem KfZ-Kennzeichen verknüpft sind. Nach über einem Jahr Verhandlungen sah der Verband der Automobilindustrie das in einer „gemeinsamen Erklärung“ auch ein.
Seitdem die Autoindustrie mit dem Thema „Datenschutz“ hadert, ist interessanterweise aus den Reihen der Politik immer öfter der Begriff vom „Dateneigentum“ zu hören. In ihrer Rede über die „richtige Balance zwischen Datenschutz, Dateneigentum und neuen Produktmöglichkeiten“ setzte Angela Merkel voraus, dass es so etwas wie Dateneigentum tatsächlich gibt.
Ebenso EU-Kommissar Günther Oettinger, als er auf der Cebit öffentlich überlegte, ob europäische Regeln für Dateneigentum nötig seien, obgleich doch eben die europäische Datenschutz-Grundverordnung verabschiedet worden war, die eindeutig den Umgang mit den Daten regelt – nämlich im Sinne des Bürgers, dessen Grundrechte es zu wahren gilt.
Die Rede vom „Dateneigentum“ gibt vor, innovative Regeln für den Umgang mit den Daten finden und eine „neue Balance“ aushandeln zu wollen. Sie geht im Grunde von der Idee aus, dass dem die Daten gehören, der sie verarbeitet und auf dessen Speichermedien sie gespeichert sind.
Informationelle Selbstbestimmung
Demgegenüber steht das Konzept des Datenschutzes, das eine Person in Kommunikationsverhältnissen sieht. Eine Person ist niemals Herr ihrer Informationen in dem Sinne, dass sie Eigentümer ist. Denn niemand kann verhindern, dass Informationen gegen den eigenen Willen „von einem Rollensystem ins andere wandern“, wie es Adalbert Podlech formuliert (PDF), der die Theorie der informationellen Selbstbestimmung Ende der 70er entwickelte.
Nach Podlech hat man es nicht mit Informationen, sondern mit Informationsvorgängen beziehungsweise Kommunikation zu tun, die sich nicht wie Eigentum kontrollieren lässt. Denn jeder kann etwas über einen anderen sagen, ohne dass dieser es erfährt.
Die informationelle Selbstbestimmung ist ein Abwehrrecht des Einzelnen gegen mögliche Grundrechtsrisiken, die durch eine zweckentfremdete, unkontrollierte Verwendung von Daten durch Organisationen entstehen können. Sie ist aber kein Instrument von Organisationen, um Wertschöpfungsprozesse abzusichern. Letzteres aber ist die Absicht, die hinter der Formulierung eines „Dateneigentums“ steht.
Im Grunde wird mit dem Begriff des Dateneigentums versucht, eine völlig neue Eigentumskategorie zu definieren. Dieser Versuch darf nicht von vornherein als abseitig abgetan werden.
Digital Natives, die Information als Bestandteil von Kommunikation sehen, die sich ständig in Aushandlungsprozessen befindet, stehen vor diesem Versuch wohl ähnlich wie die Ureinwohner des amerikanischen Kontinents, als europäische Siedler ihnen anhand von Papierzetteln den Begriff des „Landeigentums“ erklären wollten – mit fatalen Folgen.
Die Idee vom „Dateneigentum“ könnte über eigenmächtige Risikodefinitionen nach und nach alles, was auf Kommunikation basiert, bestimmten Verwertungs- und Kontrollinteressen unterwerfen – und damit das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung aushöhlen. Die Auswirkungen auf Informationsübermittlung, auf Lernen und Diskurs und damit auch auf Innovation und demokratische Prozesse wären unabsehbar.
3 Kommentare
1 nad am 25. März, 2016 um 11:47
Naja wenn man den Körper als Organisation betrachtet, dann ist die informationelle Selbstbestimmung schon auch dazu da um Wertschöpfungsprozesse absichern zu können.
Letztendlich geht es auch beim Eigentum um Verfügungsrechte. Und die Einschätzung wie -und die Möglichkeiten mit denen- über eine Sache/Ding/Information am “besten” verfügt wird ist nunmal sehr verschieden. Eigentum bedeutet vorallem, dass die Verfügungsgewalt über das jeweilige Eigentum mittels der Unterstützung einer Gruppe in irgendeiner Art, oft per Niederschrift, abgesichert ist.
Ich bin zwar kein Ethnologe, aber die amerikanischen Ureinwohner hatten in der Regel auch Gruppeneinkünfte darüber wie mit bestimmtem Land umgegangen werden soll und wer darüber Verfügungsgewalt hat. Das wurde aber dann -etwas überspitzt ausgedrückt- durch die europäischen Siedler anders “ausgehandelt.”
2 Thomas Wahl am 30. März, 2016 um 11:26
Mit dem “Eigentum” über die Daten im Falle eines Unfalls hätten die Unternehemn noch lange nicht die Interpretationshoheit gehabt. Auch der prioritäre Zugriff bedeutet nicht eine Hoheit über Interpretation. Das sind Verallgemeinerungen und Vorurteile, die in der Diskussion nichts zu suchen haben. Die Interpretationshoheit muß das Gericht haben und das ist gesetzlich wohl auch verankert – oder? Wenn nicht, dann müßte man dafür sorgen und nicht seine Ängste reiten.
3 Christiane Schulzki-Haddouti am 31. März, 2016 um 12:15
Im Moment ist es ungeklärt, wer den ersten Zugriff auf die Daten hat. Mehr zur Problematik habe ich z.B. her aufgeschrieben: http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.datenschutz-auf-dem-weg-zum-glaesernen-fahrer.8966753c-2b0b-4a18-9f1a-09abcfb52481.html
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