Was ist Creative Commons Zero?
Wer sich mit offenen Bildungsmaterialien (OER) beschäftigt, stößt früher oder später auf die verschiedenen Creative-Commons-Lizenzen. Die Ersteller solcher Materialien können mit ihnen festlegen, dass andere sie leichter verwenden können, solange sie sich an bestimmte Bedingungen halten. Doch auch ein weiteres Werkzeug von Creative Commons ist für OER relevant: Die Freigabe Creative Commons Zero, kurz CC0.
Das Werkzeug unterscheidet sich von den regulären Creative-Commons-Lizenzen in einem wesentlichen Punkt: CC0 steht für eine Freigabe von Inhalten mit „null Bedingungen“. Das heißt, man wird in keiner Weise durch Lizenzbedingungen eingeschränkt, ein mit dieser Freigabe versehenes Werk zu verwenden, zu bearbeiten, zu verbreiten oder zu veröffentlichen. CC0 ist wortwörtlich für jede Verwendung offen.
Creative Commons Zero (CC0)
Die Freigabe „Creative Commons Zero“ (CC0) macht es möglich, Inhalte so weiterzuverwenden, als wären sie bereits frei von Urheberrechten. CC0-Inhalte können ohne Nachfrage zu beliebigen Zwecken kopiert, veröffentlicht oder auf andere Weise verwendet werden. Anders als die regulären Creative-Commons-Lizenzen enthält CC0 keine weitere Bedingungen wie etwa eine Namensnennung.
CC0 besteht rechtlich betrachtet aus mehreren Komponenten: Urheber oder Rechteinaber erklären damit, auf etwaige Rechte an ihrem Werk vollständig zu verzichten. Für Länder, in denen ein solch vollständiger Verzicht nicht vorgesehen ist, sind zusätzliche Regelungen enthalten: Jeder erhält eine Lizenz ohne weitere Bedingungen und eine verbindliche Zusage, möglicherweise verbleibende Rechte nicht durchzusetzen.
Welche Vorteile hat die CC0-Freigabe?
Generell bedeutet CC0 also eine maximale Freigabe, von der die Ersteller offener Bildungsmaterialien profitieren, indem sie bei jeglichem Verwenden – etwa im Unterricht, im Intranet der Schule oder im Web keine urheberrechtlichen Konflikte befürchten müssen. Sie müssen nicht auf die – teils durchaus komplexen – Bedingungen achten, wie sie von den regulären Creative-Commons-Lizenzen bekannt sind.
So dürfen Nutzer von CC0-Inhalten etwa auf Lizenz- und andere Hinweise ganz verzichten, während dies bei regulären CC-Lizenzen zum Wegfall der Befugnis führen würde, das Material zu verwenden. (Dennoch können solche Hinweise ratsam sein, dazu später mehr.)
Nicht nur für die Nutzer, auch für die Ersteller offener Bildungsmaterialien kann sich CC0 als sinnvoll erweisen. Wer seine Werke damit freigibt, unterstützt die Idee, dass sich offene Lernmaterialien ohne Hindernisse verbreiten können. Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen wie beispielsweise Museen und Archive können mit der Freigabe deutlich machen, dass diese Art der Freigabe ihrem öffentlichen Auftrag entspricht, Zugang zu dem von ihnen verwalteten Kulturgut zu schaffen.
Auch lassen sich derart freigegebene Materialien beliebig mit Inhalten kombinieren, die unter anderen Lizenzen stehen.
Welche Nachteile hat die CC0-Freigabe?
Wer sich für eine Freigabe eigener Inhalte mit CC0 entscheidet, muss davon ausgehen, dass seine Werke fortan verwendet werden dürfen, ohne dass er das Wie und Wofür beeinflussen kann. Anders als bei den regulären Creative-Commons-Lizenzen lassen sich keine Bedingungen aufstellen oder bestimmte Nutzungen ausschließen, etwa eine Verwendung für kommerzielle Zwecke oder ohne Bearbeitungen und Remixe. Das muss kein Nachteil sein, schließlich wird – umgekehrt betrachtet – auch damit die Verwendung erleichtert. Lizenzgeber sollten aber wissen, was sie tun.
Manche betrachten es auch als Nachteil von CC0-Freigaben, dass sich mitunter nicht nachvollziehen oder herausfinden lässt, von wem bestimmte Texte, Illustrationen oder Fotos stammen. Das könne die in Bildung und Wissenschaft elementaren Quellenangaben erschweren und dazu führen, dass das Material nicht akzeptiert wird.
Es gibt jedoch ein Gegenargument: Quellenangaben sind eine soziale Norm, nur manchmal eine rechtliche. Quellen werden daher üblicherweise auch dann genannt, wenn es keine Pflicht dazu aus dem Urheberrecht oder über Lizenzen gäbe. Auch bei Materialien mit CC0-Freigabe entsprechen Quellenangaben dem Einüben korrekter wissenschaftlicher Praxis. Es entfällt nur das Risiko, dass bei ihrem Fehlen zusätzlicher, rechtlicher Ärger droht.
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Häufige Einsatzzwecke der CC0-Freigabe
Wer Lehr- oder Unterrichtsmaterialien erstellt, hat häufig mit Reproduktionen, Faksimiles oder Abbildungen zu tun, die beispielsweise alte Gemälde oder Skulpturen, historische Fotos oder Zeitungsseiten für die Vermittlung von Politik, politischer Bildung oder Kunstgeschichte zeigen. Man will die Bilder in Arbeitsbögen integrieren oder für Unterrichtsmaterialien bearbeiten. Die Vorlagen der Motive stammen häufig aus Museen oder Archiven.
Geschützt sind solche historischen Werke bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, erst ab dem Folgejahr sind sie gemeinfrei und können beliebig verwendet werden. Doch Vorsicht: Unter gewissen Bedingungen können auch Reproduktionen solcher Werke geschützt sein. Auf welche Weise sie geschützt sind, hängt unter anderem davon ab, wie sie erstellt wurden. So können fotografische Vervielfältigungen im Urheberrecht entweder „Lichtbildwerke“, „Lichtbilder“ oder rein technische Fotos sein:
- Lichtbildwerke sind schöpferische Fotos, die voll urheberrechtlich geschützt sind, etwa weil der Fotograf den Bildaufbau und Aufnahmestandpunkt bewusst wählt, mit Licht, Schatten oder Schärfe spielt und auf weitere Faktoren des Bildes Einfluss nimmt,
- Lichtbilder sind meist einfache Schnappschüsse. Mangels schöpferischer Gestaltung wird ihnen keine „Werkqualität“ zugesprochen. Man geht jedoch davon aus, dass eine gewisse Leistung im Herstellen der Fotos steckt. Lichtbilder sind für kürzere Zeit – 50 Jahre ab Veröffentlichung – geschützt.
- Rein „technische Fotos“, etwa Kopien aus einem Kopierer, gelten als bloße Vervielfältigung, bei denen kein neuer Schutz entsteht.
Das Urheberrecht an Kunstwerken kann also bereits abgelaufen sein kann, Reproduktionen von ihnen aber dennoch geschützt. In solchen Fällen verschafft die CC0-Freigabe Gewissheit, dass die Bilder verwendet werden können und ein etwaiger Schutz der Reproduktionen bedeutungslos ist. Zudem kann es die CC0-Freigabe erschweren, dass sich jemand als Rechteinhaber von Werken ausgibt, der gar keine Rechte besitzt (sogenannter „Copyfraud“). Häufig wird CC0 auch dann genutzt, wenn umstritten oder unklar ist, ob und wo neue Rechte entstehen.
Seit längerem gibt es auch einen gerichtlich ausgefochtenen Streit darüber, wie weit Reproduktionen von gemeinfreien Gemälden und anderen Werken überhaupt geschützt sind. Dazu wird ein weiteres Urteil des Bundesgerichtshofs erwartet. Im Zuge dieses Streits lässt sich auch die grundsätzliche Frage stellen, ob es angesichts von Kameras in jedem Smartphone noch zeitgemäß ist, jeden einfachsten Schnappschuss zu schützen. Solche Fragen richten sich jedoch letztlich an die Politik, während Gerichte das geltende Urheberrecht auslegen.
Wo findet man CC0-Inhalte?
Museen, Archive und andere Sammlungen sind eine häufige Quelle für Inhalte unter CC0-Freigabe. Beispielsweise die Europeana, eine gemeinsame Plattform von zahlreichen europäischen Museen und Archiven. Der detailliert konfigurierbare Suchdialog ermöglicht es, die Treffer nach Lizenzarten und Freigaben zu filtern, darunter auch CC0.
Auch das New Yorker Metropolitan Museum stellt etwa 375.000 digitale Bilder, an denen keine Urheberrechte mehr bestehen, unter CC0 zur Verfügung.
Manche Einrichtungen bitten um eine freiwillige Nennung der jeweiligen Institution, die die Bilder zur Verfügung stellt, etwa die Europeana in ihren Usage Guidelines.
Hinzu kommen zahlreiche Portale und Webseiten, die auch aktuelle Inhalte mit CC0-Freigabe veröffentlichen oder sie neben anderen Lizenzen einsetzen. So sind die Illustrationen auf Openclipart nach eigenen Angaben ausschließlich unter CC0 freigegeben. Weitere Quellen finden sich auch im Text „Nicht nur kostenlos, sondern frei“.
Auch bei einzelnen Plattformen, die sich auf freie Bildungsmaterialien spezialisiert haben, finden sich CC0-Inhalte. Dazu gehört die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet (ZUM), welche Arbeitsblätter und vieles mehr anbietet. Leider bietet die Suchfunktion noch keine Auswählmöglichkeiten zu Lizenzen.
Hinweis auf CC0 nicht Pflicht, aber sinnvoll
Wie bereits erwähnt, muss man beim Verwenden CC0-freigegebener Materialien weder Urheber- noch Lizenzhinweise anbringen. Das gilt selbst dann, wenn man sie bearbeitet hat. Allerdings ist es dennoch ratsam und hilfreich, bewusst auf die Freigabe der Inhalte hinzuweisen. Das hilft allen nachfolgenden Nutzern, die somit wissen, dass sie damit frei arbeiten können. Fehlt ein anderslautender Hinweis, müssten sie im Zweifel davon ausgehen, an den Inhalten seien „alle Rechte vorbehalten“.
CC0 und Gemeinfreiheit
Die Freigabe CC0 entspricht einem Werkzeug, um auf jeglichen urheberrechtlichen Schutz zu verzichten. Allerdings: In der deutschen und in anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen ist es nicht vorgesehen, das Urheberrecht auf ein selbst geschaffenes Werk vollständig abzulegen. Bestimmte Bestandteile des Urheberrechts – die Urheberpersönlichkeitsrechte – sind nicht verzichtbar.
In diesem Fall wird mit der CC0-Freigabe zusätzlich eine pauschale Erlaubnis (Lizenz) gegeben: Jeder darf das Werk unbeschränkt ohne Bedingungen verwenden. Zudem enthält die CC0-Freigabe einen Verzicht auf die Geltendmachung solcher Rechte, etwa vor Gericht. Die Freigabe ist also rechtlich betrachtet eine willentliche Handlung, die mit Blick auf unterschiedliche Rechtsordnungen aus mehreren Komponenten besteht.
Anders verhält es sich mit Bildungsmaterialien, die per se keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. Werke sind „gemeinfrei“, wenn ihr urheberrechtlicher Schutz abgelaufen ist oder ein solcher Schutz nie bestand. Um das besonders deutlich zu machen, werden solche gemeinfreien Werke teilweise mit der Markierung „Public Domain Mark“ versehen.
Was bedeutet dieser Unterschied für die Praxis? Beide Inhalte lassen sich zunächst frei verwenden. Jedoch kann man eine CC0-Freigabe nur an solchen Werken vergeben, an denen man Rechte besitzt: Entweder, weil man sie selbst geschaffen hat oder weil womöglich weitere Rechte daran bestehen, über die man verfügt. Ob Werke dagegen gemeinfrei sind, wird allein durch Gesetze bestimmt.
Update [April 2018]: Diesen Beitrag hat JOINTLY als Broschüre im Format DIN A5 veröffentlicht, sie ist gedruckt sowie als PDF-Datei im OER-Contentbuffet verfügbar.
OER und Recht
Zu Open Educational Resources (OER) zählen Lehrmaterialien, die unter freien Lizenzen veröffentlicht werden. Diese Artikelreihe gibt Tipps zu rechtlichen und praktischen Aspekten von OER. Die Beiträge entstehen im Rahmen von Jointly, einem vom Bildungs- und Forschungsministerium geförderten Verbund zur Unterstützung von OER-Projekten, zu dessen vier Projektpartnern iRights e.V. zählt. Bislang erschienen:
- Fünf Tipps für gutes Lizenzieren von OER
- Kombinieren, Bearbeiten, Remixen: OER richtig verwenden
- Was ist Creative Commons Zero?
- Offen für Kommerz? Bildungsmaterialien und das Problem nicht-kommerzieller Lizenzen
- Kleine Helfer, große Hilfe: Lizenzhinweise für OER erstellen und nutzen
- Abmahnungen bei Creative Commons: Wer, Warum, Was tun?
- Nach der Reform der Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft – OER bleiben notwendig
- Loslassen als OER-Prinzip. Von Kontrollverzicht zu Bedeutungsgewinn
Lizenz dieses Beitrags: Creative Commons Attribution 4.0 International.
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1 Kommentar
1 Schmunzelkunst am 8. November, 2017 um 16:29
Besten Dank für den Beitrag.
Hier noch zwei Argumente, die Bedenken gegen die Verwendung von CC0 zerstreuen sollen.
1. Wenn sogar Texte aus unseren wichtigsten Werken, den Gesetzen, ohne Quellenangabe und in veränderter Form verwendet werden dürfen, sollte das auch bei allen anderen gemeinfreien Werke problemlos möglich sein.
2. Wer keine Bedenken hat, dass Werke 70 Jahre nach dem Tod der Urheber ihren Schutz verlieren, sollte auch nichts dagegen haben, wenn Urheber ihre Werke freiwillig schon früher in diesen Zustand versetzen.
Einen Haken gibt es allerdings selbst bei der Gemeinfreiheit alter Meisterwerke. Der markenrechtliche Werktitelschutz kann auch nach Ablauf des urheberrechtlichen Schutzes noch bestehen. “Ben Hur” als Pixie-Buch wird vielleicht noch gerade durchgehen, aber weniger offensichtliche Kürzungen und Veränderungen sollten m. E. im Interesse des Verbrauchers bereits auf der Titelseite deutlich vermerkt werden.
Noch eine Anmerkung zu den Gesetzen. Der Verzicht auf die Quellenangabe und das Änderungsverbot in § 5 Abs. 1 UrhG wird zwar in manchen Kommentaren bemängelt, ist aber durchaus sinnvoll, wenn z. B. weitgehend gleichlautende Formulierungen für die Regelung ähnlicher Sachverhalte in verschiedenen Bundes- oder Landesgesetzen angestrebt werden.
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